Daniel R. Amerman, Danielamerman.com, 10.06.2015

Es gibt zwei verschiedene Narrative, um die Finanzkrise von 2008 zu erklären, die dann zur Großen Rezession führte und uns heute die Aussicht auf eine neue Krise eröffnet. Das erste Narrativ dreht sich um verschiedene Theorien: Es ist die keynesianische Wirtschaftsschule vs. die österreichische Wirtschaftsschule, es sind die gesellschaftlichen Schuldenniveaus, die Kreditvergabe des Mindestreserve-Systems, die Geldumlaufgeschwindigkeit usw.

Und dann gibt es noch eine wesentlich einfachere Perspektive, nämlich die, dass ganz egal, wie hochangesehen eine Person auch sein mag oder wie hoch oben sie mit ihrer Position auch angesiedelt ist, wir letztlich alle nur Menschen sind. Und das heißt, dass wir alle der Gefahr unterliegen, dass uns die Dinge über den Kopf wachsen und wir es einfach verreißen. Und sollten diese Fehler – die daraus resultieren, dass wir nicht so gut sind, wie wir glauben – auf einer ausreichend hohen Ebene stattfinden, besteht die Chance, dass diese Fehler die Wirtschaften und die Renditen ganzer Länder, ja sogar die Weltfinanzordnung auf Jahrzehnte hin verändern können.

Die Tatsache, dass Menschen manchmal in einem komplizierten Schlamassel landen und im Anschluss daran Maßnahmen ergreifen, um sich aus der Misere zu befreien, dabei aber große, enorm große Fehler machen, wird wahrscheinlich abermals zur Ursache einer künftigen Krise werden.

War Inkompetenz die Ursache für die Finanzkrise von 2008?

Einige Menschen werden Ihnen sagen, dass es die gierige Inkompetenz an Wall Street war, die die Finanzkrise von 2008 ins Leben rief. Andere Menschen werden Ihnen sagen, dass die Staaten daran Schuld sind, weil sie an den Märkten intervenierten und die Banken dazu zwangen, Menschen mit schlechter Kreditwürdigkeit Kredite zu geben, obwohl sie gar nicht über die Fähigkeit verfügten, diese Gelder wieder zurückzuzahlen – nur weil man der Meinung war, dass diese Menschen dasselbe Recht auf Kredit hätten wie ihrer vermögenderen Mitbürger.

An beiden Erklärungen ist etwas Wahres dran, aber keine dieser beiden Erklärungen enthält die ganze Wahrheit.

Es gibt jedoch eine dritte und weit einfachere Erklärung, nämlich dass die Finanzkrise von 2008 ein direktes Ergebnis der Inkompetenz der US-Notenbank Federal Reserve war – und zwar in zwei unterschiedlichen Bereichen.

Der erste Fehler rührt daher, dass die Vereinigten Staaten nach dem Platzen der Dot.com- Blase in eine Rezession abrutschten. Dass Rezessionen auf Phasen der Prosperität folgen, ist natürlich Teil des unaufhörlichen Wirtschaftszyklus, der unsere Wirtschaften seit Jahrhunderten bestimmt. Doch was es dieses Mal anders machte, ist, dass die Ökonomen, die die US-Notenbank steuern, glaubten, dass ihre Expertise und ihre Fähigkeiten so großartig seien, dass sie intervenieren und den normalen Wirtschaftszyklus eliminieren könnten. Indem sie das Geld billig machen und die Zinsen absenken, könnten sie die Wirtschaft beleben und die Dauer und das Ausmaß einer ansonsten ziemlich gewöhnlichen Rezession verringern.

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Wie Sie anhand des obenstehenden Charts sehen können, hatte die US-Notenbank die Zinsen auf die niedrigsten Niveaus der letzten 30 Jahre abgesenkt. Und dieser Rückgang des Zinsniveaus sorgte dafür, dass die Hypotheken so billig waren wie seit vielen Jahren nicht mehr, was wiederum den drastischen Anstieg der Eigenheimpreise anheizte, wie in der nächsten Grafik zu erkennen ist. Niedrige Zinsen waren nicht der einzige Faktor – aber sie sorgten im Grunde für den Brennstoff, der alle anderen Dinge anheizte.

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Gleichzeitig ist die US-Notenbank auch die Regulierungsbehörde für das US-amerikanische Bankensystem. Und unter Führung der Fed (oder der fehlenden Führung) schuf die Bankenbranche einen riesigen, fantastisch komplexen – und fragilen – Markt für Finanzderivate, der, sollte er ins Straucheln geraten, das gesamte Weltfinanzsystem zu Fall bringen könnte. Und der Subprime-Hypothekenmarkt – der der konkrete Auslöser für die Finanzkrise von 2008 gewesen ist – ist in Wahrheit nur ein sehr kleiner Teil des riesigen Finanzderivatemarkts.

Warum die Fed niemals für ihr Scheitern, ihren Verpflichtungen als Bankenregulierer nachzukommen, zur Rechenschaft gezogen wurde, ist eine ziemlich interessente Frage. Schließlich war die Verhinderung von Bankenkrisen einer der Hauptgründe, warum die US-Notenbank nach der Bankpanik von 1907 überhaupt erst gegründet wurde – ja es ist der Hauptgrund, warum die Fed überhaupt existiert. Und dabei scheiterte sie, und zwar jämmerlich. Sie versagte völlig, was das Risikomanagement anbelangt – und mit diesem Versagen bei der Aufsicht der Banken hatte sie das gesamte System in 2008 beinahe zum Einsturz gebracht.

Doch anstatt sanktioniert, abgestraft oder sogar komplett ersetzt zu werden, wurde die US-Notenbank im Grunde noch für ihre Handlungen belohnt, indem man ihre Befugnisse im Hinblick auf die US-Wirtschaft und die US-Märkte sogar noch massiv ausweitete.

Wir haben also ein Scheitern bei der Geldpolitik, das die Schaffung einer „Spekulationsblase“ am US-Immobilienmarkt anheizte, und durch ordnungspolitische Unfähigkeit ließ man es zu, dass die Risiken im US-amerikanischen und internationalen Bankensystem völlig außer Kontrolle gerieten – ja und die Federal Reserve schien noch nicht einmal Notiz davon zu nehmen.

Und als die Blase dann platzte und dadurch das neue fragile und hochriskante Bankensystem in Mitleidenschaft gezogen wurde, kam es bei der weltweiten Finanzordnung ja beinahe zu einer Kernschmelze.

Und da jede dieser Quellen der Finanzkrise von 2008 hätte verhindert werden können, ließe sich nun argumentieren, dass die Krise niemals stattgefunden hätte – wenn die Federal Reserve ihre zwei Kernaufgaben als geldpolitische Führung und Bankenregulierer kompetent wahrgenommen hätte.

Interessant ist, dass diese einfache Erklärung, warum die Finanzkrise von 2008 stattfand, nicht weithin bekannt oder diskutiert wird. Der Grund dafür könnte sein, dass diese Erklärung gegenwärtig mit keinem politischen oder medialen Narrativ korrespondiert, wahrscheinlicher ist aber, dass in Wahrheit nur sehr wenige Menschen überhaupt eine Vorstellung davon haben, was die Fed tatsächlich tut.

Wie dem auch sei, die aktuelle Situation ist jedenfalls die, dass Inkompetenz derzeit nicht bestraft wird. Und da dem so ist, sitzen heute im Grunde genau dieselben Leute, deren fehlerhafte Einschätzung die Hauptquelle der Finanzkrise von 2008 gewesen ist, allesamt immer noch an der Macht und verspüren keinerlei Druck, ihr Verhalten zu ändern.

Und obschon das für die involvierten Ökonomen vielleicht vorteilhaft ist, kann es für eine Gesellschaft richtig problematisch werden, wenn die wichtigsten Entscheidungsträger von den Folgen ihrer Inkompetenz abgeschirmt werden.

Und das gilt besonders dann, wenn wir uns die extrem komplexe und fragile Lage anschauen, in der sich das globale Finanzsystem gegenwärtig wiederfindet […]

Wir sind heute mit weit komplexeren Rahmenbedingungen konfrontiert als in 2007 und 2008. Und vielleicht sollten wir uns eine wichtige Frage stellen: Wenn die Zentralbanken schlicht nicht kompetent genug waren, um die letzte Krise in den Griff zu bekommen, wie sicher können wir uns da sein, dass sie in der Lage sein werden, unsere aktuellen und künftigen Probleme zu bewältigen?

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