Martin Armstrong, Armstrongeconomics.com, 18.06.2015
Ein altes Sprichwort besagt: „Hüte dich vor Griechen mit Geschenken.“ Das bezieht sich auf die Geschichte mit dem Trojanischen Pferd. Und in Osteuropa gab es lange die Redensart „Pleite wie Griechenland“, was auf die Staatspleiten des Byzantinischen Reichs und die Zeit danach zurückgeht.
Die zwei Serien-Pleitiers in Europa sind Frankreich und Spanien. Die spanischen Staatspleiten, die das Land in einen Serien-Pleitier verwandelten, begannen 1557. Danach kam es 1570, 1575, 1596, 1607 und 1647 zu Staatspleiten. Spanien endete letztlich mit dem Status eines Dritte-Welt-Landes.
Griechenland hält den Rekord für den längsten Zeitraum, wo der Staat bankrott war: Ungefähr 50% der gesamten modernen Geschichte war Griechenland zahlungsunfähig. Portugal hatte Mitte des 16. Jahrhunderts ebenfalls die Zahlungsunfähigkeit ausgerufen. Andere europäische Staaten folgten im 17. Jahrhundert. Hierzu gehört auch Preußen im Jahr 1683, aber Frankreich und Spanien blieben die führenden Pleitiers mit 8 bzw. 6 Staatspleiten.
Seit der griechischen Unabhängigkeit im Jahr 1829 ist Griechenland rund die Hälfte der Zeit im Hinblick auf seine Staatsschulden zahlungsunfähig gewesen.
Warum die Menschen überhaupt Staatsschulden kaufen, ist unerklärlich. Die Rechtsanwälte bemächtigen sich des Staats und verabschieden Gesetze, mit denen Staatsschulden „Qualitätsstatus“ verliehen wird, obwohl diese Papiere in Wahrheit nicht besichert sind und typischerweise immer zur vollumfänglichen Vernichtung der Kapitalformation führen. Und wenn die Wirtschaft mit hineingezogen wird, so wie es im alten Rom der Fall war, kommt gewöhnlich ein Dunkles Zeitalter dabei heraus.
Griechenland ist der aktuelle Versager. Das Land hat in moderner Zeit mindestens 5 Mal die Zahlungsunfähigkeit auf vom Ausland gehaltene Staatsschulden erklärt – 1826, 1843, 1860, 1894 und 1932. Die erste Episode fand zu Beginn des griechischen Unabhängigkeitskriegs statt. Die letzte Staatspleite erfolgte während der Großen Depression Anfang der 1930er Jahre. Zusammengenommen war Griechenland in moderner Zeit 90 Jahre lang zahlungsunfähig oder 50% des gesamten Zeitraums, seitdem das Land unabhängig ist. Das ist Grund, warum die Griechen dazu neigen, Steuerhinterziehung als Volkssport zu erachten, da sie sich aus Erfahrung im Klaren darüber sind, dass man dem Staat nicht trauen kann.
Und obwohl Viele das Niveau an Staatspleiten in Griechenland als extrem erachten, ist das Land damit weltweit noch nicht einmal ansatzweise an der Spitze. Venezuela und Ecuador führen die moderne Zeit mit jeweils 10 Staatspleiten an – beide Länder teilen sich die Ehre, die größten Serien-Pleitiers der Neuzeit zu sein. Trotzdem gilt Dummheit unter den Anleihehaltern als Tugend, da sie immer wieder zum Staat zurückkehren und nach noch mehr Anleihen verlangen.
Der griechische Unabhängigkeitskrieg begann 1821 mit dem Zusammenbruch des Ottomanischen Reichs. Die bis heute anhaltenden Antipathien zwischen Griechen und Türken gehen auf diese Besatzung zurück. Es gab kein „Griechenland“ an sich, da die Türken es über Jahrhunderte beherrschten.
1824 wurden an der Londoner Börse Gelder in Höhe von GBP 472.000 eingesammelt, um den Unabhängigkeitskampf der Griechen weiter zu finanzieren. Die Anleiheemission war überkauft und die Käufer mussten nur 10% des Kaufpreises hinterlegen mit dem Versprechen, den Rest des Anleihewerts im Laufe der Zeit einzuzahlen. Darüber hinaus wurde 1825 weitere Anleihen im Wert von GPB 1,1 Millionen begeben.
Leider behielten die Londoner Broker große Teile der Einkünfte einfach ein, bevor die Griechen überhaupt irgendwelche Gelder sahen. Es handelte sich Großteils also um einen echten Betrug, bei dem die Griechen um den vollständigen Betrag ihrer Einnahmen gebracht wurden. Ein weiteres Problem war, dass sich der griechische Unabhängigkeitskrieg schon bald in einen Bürgerkrieg zwischen rivalisierenden Fraktionen verwandelte, was es schwierig machte, herauszufinden, wer diese Gelder überhaupt erhalten sollte. Die Broker neigten daher dazu, die Gelder einfach in ihre eigene Tasche zu stecken.
Der griechische Staat geriet in die Zahlungsunfähigkeit, da es keine echte geeinte Regierung gab, die auch nur hätte Zinszahlungen leisten können. Auf die beiden Anleihen wurden daher keinerlei Zinsen entrichtet. Die Anleihen brachen im Wert ein und die Broker machten ordentliche Gewinne auf Kosten der Reputation Griechenlands. Es dauerte dann bis 1878, bis der griechische Staat die Kredite beglich. Durch die angehäuften Zinsen waren die Forderungen auf über GBP 10 Millionen angestiegen.
1832 wurde ein weiterer Kredit in Gesamthöhe von 60 Millionen Drachmen an Griechenland gegeben, das zu jener Zeit offiziell unabhängig war. Der Kredit wurde von Frankreich, Russland und der britischen Regierung arrangiert, und angeblich zielten die Gelder darauf ab, Griechenland dabei zu helfen, seine Wirtschaft aufzubauen und die ersten Maßnahmen zum Aufbau eines Staats zu finanzieren. Wie es bei den meisten Staaten der Fall ist, machte sich auch in Griechenland die Korruption breit und die Gelder wurden vornehmlich für den Erhalt des Militärs und das Wohl des bayrischen Prinzens Otto eingesetzt, der von den Briten zum König von Griechenland ernannt worden war.
Griechenland gelang es sogar, diesen Kredit bis 1843 pünktlich zu bedienen. 1843 setzte es dann jedoch die Zahlungen aus. Griechenland befand sich im selben Zyklus wie die USA, wo die Bundesstaaten ebenfalls zahlungsunfähig waren, nachdem Andrew Jackson die Zentralbank zerstört hatte.
Die Staatspleite-Ära von 1843 bis 1844 hinterließ bei den Anleihehaltern nun endgültig einen schlechten Nachgeschmack. Selbst die Bank von England hatte mit Schulden der US-Bundesstaaten Geld verloren. Und im Falle der griechischen Staatspleite von 1843 war es so, dass Griechenland dadurch über Jahrzehnte den Zugang zu den internationalen Kreditmärkten verlor. Während dieses Interregnums war die Regierung bei Krediten auf die Bank von Griechenland angewiesen. Zunächst war der Finanzbedarf der griechischen Regierung noch moderat, doch das Ganze eskalierte recht schnell und die griechische Nationalbank stellte Kredite zu einem Zinssatz bereit, der doppelt so hoch war wie die internationale Kreditrate.
Nachdem sich der griechische Staat gezwungen sah, seine Pleiteanleihen von 1824 bis 1825 im Jahr 1878 zu begleichen, öffneten sich für Griechenland abermals die weltweiten Kreditmärkte. Griechenland war gezwungen, diese Kredite, die es in Wahrheit nie erhalten hatte, zurückzuzahlen. Und wie immer waren die Kreditgeber mehr als glücklich, dem Land wieder Gelder bereitstellen zu dürfen. Sie scheinen wirklich niemals dazuzulernen. Und auch dieses Mal wurde die Kreditaufnahme auf wirtschaftlich völlig untragbare Niveaus ausgeweitet und der Staat setzte seine Zahlung auf Auslandsschulden während der Panik von 1893 aus.
Die unsoliden Finanzen der Vereinigten Staaten von Amerika, die von den Silber-Demokraten herbeigeführt worden waren, führten die USA 1896 an den Rand des Bankrotts. J.P. Morgan musste dem US-Finanzministerium einen Gold-Kredit bereitstellen, um eine Pleite der USA zu verhindern.
Der ausländische Druck auf Griechenland führte 1898 dazu, dass das Land die Schaffung eines internationalen Ausschusses für die Verwaltung der griechischen Schulden akzeptierte. Das lässt sich in etwa mit dem heutigen Internationalen Währungsfonds vergleichen. Der Ausschuss überwachte die Wirtschaftspolitik, die Steuereintreibung und die Verwaltungssysteme des Landes. Doch wie immer führte die Korruption des Staats dazu, dass man sich gegen das Volk wandte, um Steuern einzutreiben und so für all das zu zahlen, was die Politiker gestohlen hatten. Und genau diesen Punkt der globalen Geschichte erreichen wir heute wieder – und das ist nicht auf Griechenland beschränkt.
Die Staatspleiten, die 1931 mit Österreich ihren Anfang nahmen, lösten die Große Depression aus. Das Ganze verwandelte sich in eine Ansteckung, die Griechenland abermals mit in die Tiefe riss. Zahlreiche andere Länder in Europa, Asien und Südamerika riefen ebenfalls die Zahlungsunfähigkeit auf ihre Staatschulden aus, während die Weltwirtschaft einbrach und in eine Phase eintrat, die heute als Große Depression bekannt ist. Selbst Großbritannien setzte seinen Schuldendienst aus. Griechenland erließ 1932 ein Schuldenmoratorium auf Auslandsschulden. Diese Zahlungsunfähigkeit hielt bis 1964 an – es ist die längste der 5 Staatspleiten des Landes gewesen.
In den USA setzte die Stadt Detroit 1937 ebenfalls ihren Schuldendienst aus, den sie dann 1963 wieder aufnahm …
Wir werden jetzt mit Staatspleiten konfrontiert, die nicht allein auf Griechenland beschränkt sind. Für all die Investoren, die darauf hoffen, dass die großen Länder Zahlungsausfälle auf ihre Staatsschulden vermeiden werden, ist die Geschichte der Finanzwelt nicht gerade sonderlich ermutigend. Einige können sich ja damit trösten, dass es bei früheren Staatspleiten zwar zu Verwerfungen an den Märkten kam, das Weltfinanzsystem aufgrund dieser Ereignisse bis auf zwei Ausnahmen (1845 und 1931) aber keine langfristigen Schäden erlitt.
Die zwei großen Staatspleitewellen 1845 und 1931 liegen interessanterweise 86 Jahre auseinander. Und wenn wir da noch einmal 86 Jahre hinzurechen, kommen wir komischerweise auf das Jahr 2017. Die Staatsschuldenkrise begann 2009 an die Oberfläche zu kommen – was zwei Mal 86 Jahre nach der Phase ist, die mit Andrew Jackson 1837 ihren Anfang nahm. Das ist die Phasentransformation bei den Schulden, und wir sollten besser davon ausgehen, dass sich die Staatsschuldenkrise während der bis ins Jahr 2017 reichenden Phase noch dramatisch ausweiten wird.