Robert Bridge, RT.com, 19.08.2010
Der frühere kubanische Präsident Fidel Castro setzt seine Sticheleien gegen den Westen fort, dieses Mal mit einem Artikel, in dem er die ultrageheime Bilderberg-Gruppe beschuldigt sich verschworen zu haben eine Weltregierung zu schaffen.
Trotz seines hohen Alters und wiederkehrender Krampfanfälle durch seine Darmerkrankung macht der 84-jährige Castro mit seinen Warnungen an den Westen weiter. Dieses Mal schenkte er in einem dreiseitigen Artikel von „Granma“, der Zeitung der Kommunistischen Partei, der Bilderberg-Gruppe seine Aufmerksamkeit. Der Artikel enthält Auszüge des 2006 erschienenen Buches „Die wahre Geschichte der Bilderberger“ des Investigativjournalisten Daniel Estulin.
Kurz gesagt liefert Estulins Buch auf bestechende Art Argumente dafür, dass eine elitäre Gruppe politischer, akademischer und wirtschaftlicher Führungspersönlichkeiten gerade „eine Weltregierung einführt, die keine Grenzen kennt und Niemanden gegenüber Verantwortlich ist, außer sich selbst.“
Castro nennt das Buch dann auch eine „fantastische Geschichte“, welche die öffentliche Aufmerksamkeit auf „finstere Seilschaften und die Bilderberg-Lobbyisten“ lenkt, die die Traditionen westlicher Demokratien zum Gespött machen.
Der Name der Bilderberg-Gruppe, die jährlich hinter verschlossenen Türen Treffen abhält und von den Massenmedien nur selten erwähnt wird, stammt von einem Hotel in den Niederlanden, wo sie 1954 ihr erstes Treffen abhielten. Das diesjährige Treffen fand vom 03.06. bis 06.06. im Luxushotel Dolce in der spanischen Stadt Sitges statt und wurde vom spanischen Premierminister José Luis Rrodríguez Zapatero eröffnet. Dank des anwachsenden öffentlichen Interesses an der Gruppe, die so etwas wie eine Internetsensation wurde, gab es vor dem diesjährigen Veranstaltungsort keinen Mangel an Demonstranten.
Ist Castro etwas auf der Spur?
Obwohl internationale Treffen, wo sich die Macher der Welt einfinden, regelmäßig stattfinden, funktioniert dies bei der Bilderberg-Gruppe anders, da sich diese hinter verschlossenen Türen trifft, während die großen Konzernmedien niemals die Inhalte der Gespräche enthüllen, obwohl zahlreiche ihrer Vertreter an den jährlichen Veranstaltungen teilnehmen.
Auf der Internetseite der Bilderberg-Gruppe werden die Aktivitäten kurz und prägnant verteidigt:
„Bilderberg ist ein kleines, flexibles, informelles und vertrauliches Forum, wo verschiedene Ansichten zum Ausdruck gebracht werden können und das gegenseitige Verständnis verbessert wird. Bilderbergs einzige Aktivität ist seine jährliche Konferenz. Auf den Treffen werden keine Lösungen vorgeschlagen, keine Abstimmungen getroffen und keine politischen Grundsatzerklärungen erstellt.“
Die Internetseite unterlässt es jedoch zu erklären, wie sich der Zufall begründet, dass prominente Gäste nach den Treffen als politische Staatsführer ihrer jeweiligen Länder gewählt wurden. Dazu gehört unter Anderem auch Bill Clinton, der das erste Mal im Jahre 1991 an einem Bilderberg-Treffen teilnahm.
Die seltenen Fotografien von Personen der Öffentlichkeit, auf denen man sieht, wie sie zu diesen wahnsinnig geheimen Treffen hinter einer stählernen Front aus Sicherheitskräften eilen, haben natürlich auch zahlreiche Verschwörungstheorien über die hinter diesen Treffen stehenden Motivationen angefacht. Auf den Gästelisten dieser Treffen findet sich dann auch wahrhaft das Who´s Who der allereinflussreichsten Menschen unserer Zeit.
Hier eine kurze Übersicht einiger großer Namen, die an dem diesjährigen Familientreffen der Mächtigen teilnahmen: Bill Gates, Vorsitzender von Microsoft; Richard Holbrooke, US-Sondergesandter für Afghanistan und Pakistan; Henry Kissinger, früherer US-Außenminister; Moisès Naìm, Chefherausgeber von Foreign Policy; Ihre Majestät die Königin der Niederlande; Paul Volcker, Mitglied im US-Beratungsausschuss für Wirtschaftserholung; Peter Vosel, Geschäftsführer von Royal Dutch Shell plc; Robert Zoellick, Präsident der Weltbank.
Und so geht die Liste weiter, aber bedauerlicherweise berichten die Massenmedien nicht über diese Treffen.
Obwohl Castros persönliche Empfehlung des Buchs von Estulin die Aufmerksamkeit auf das die Bilderberger umgebende Geheimnis lenken wird, war Castro nicht die erste Person, welche diese Geschichte in das Licht der Öffentlichkeit rückte.
Europa ist ebenfalls ratlos
Auf Initiative von Mario Borghezio, ein italienisches Mitglied des Europaparlaments (Lega Nord und Mitglied von Europe of Freedom and Democracy des Europäischen Parlaments), wandte sich Daniel Estulin in einer Pressekonferenz mit dem Titel „Die Bilderberg-Gruppe – In Richtung der Schaffung einer Eine-Welt-GmbH?“ an das Europäische Parlament.
Während der Pressekonferenz beschuldigte Estulin die nordamerikanischen und europäischen Eliten sich verschworen zu haben eine sogenannte „Zweckaristokratie“ zu schaffen um „die Grundbedürfnisse des Lebens des restlichen Planeten zu kontrollieren.“
Estulin behauptete, scheinbar unvorhersehbare Ereignisse wie der jüngste Zusammenbruch des Finanzwesens, der weitreichende Nachbeben auf der ganzen Welt mit sich brachte, seien nichts weiter als geplante Katastrophen, geschaffen um die „Eine Welt GmbH“ ins Leben zu rufen.
Auf derselben Pressekonferenz nutzte Borghezio die Gelegenheit die „Nominierung“ von Herman van Rompuy als ersten Präsidenten der Europäischen Union zu kritisieren, dessen Ernennung angeblich beschlossene Sache war, nachdem er sich kurz zuvor mit Leuten wie Henry Kissinger, dem früheren Premierminister von Schweden, Carl Bildt, und einem der größten Paten der alljährlichen Konferenz, David Rockefeller, zu einem Abendessen der Bilderberger traf. So beschrieben die britischen Medien van Rompuys Aufstieg zur Macht:
„Der für die Position des ersten Präsidenten Europas als Favorit gehandelte Mann erwägt bereits neue EU-Steuern um die ansteigenden Kosten Brüssels und den Wohlfahrtsstaat zu finanzieren.
Herman van Rompuy, der belgische Premierminister, brach am Donnerstag, vor dem Treffen um den Präsidenten auszusuchen, sein Schweigen – jedoch nur auf einem Treffen der geheimen Bilderberg-Gruppe aus Spitzenpolitikern, Bankiers und Geschäftsleuten.
Herr van Rompuys umstrittene Anmerkungen wurden im privaten inmitten der großartigen Kulisse des Château de Val-Duchesse nahe Brüssel erörtert. Das Château war bereits Gastgeber für die Gespräche von Rom im Jahre 1957, welche die Europäische Union einleiteten.“
Die Nominierung von van Rompuy erfolgte ganz klar durch eine elitäre Champagner schlürfende Minderheit. Das ist völlig entgegen der demokratischen Theorie und schleudert Europa wieder zurück ins Mittelalter, als die Stimme des Volks bestenfalls als lästig empfunden wurde.
„Für mich“, erklärte Borghezio, steht die Ernennung von van Rompuy „in Zusammenhang mit Ereignissen, die unter absoluter Geheimhaltung ohne öffentliche Kontrolle stattfinden, und wenn ich es nicht selbst enthüllt hätte, würden wir über van Rompuys Beziehungen wahrscheinlich immer noch nichts wissen.“
Castro, der mehr als 11 US-Präsidentschaftsperioden lang Kuba regierte (er sagte voraus, dass er Obamas erste Präsidentschaftsperiode nicht überleben würde), hegte regelmäßig den Verdacht verschwörerischer Pläne. Beispielsweise erklärte der frühere kubanische Präsident öffentlich, dass es sich bei den Ereignissen des 11.09.2001 um eine Arbeit von Insidern innerhalb der US-Regierung gehandelt hat um die militärischen Abenteuer und die globale Ausdehnung weiter voranzutreiben.
Castro unterzog sich im Juli 2006 einer Notfalloperation am Darm und übergab seine präsidialen Befugnisse im Februar des Jahres 2008 an seinen Bruder Raul. Dennoch hielt dies den Kommunisten nicht davon ab seine Gedanken zu dringlichen internationalen Themen öffentlich zu machen.
Am 08.08.2010 berief er eine Sondersitzung des kubanischen Parlaments ein um über die Bedrohung durch einen „atomaren Holocaust“ aufgrund der sich zwischen Israel, dem Iran und den Vereinigten Staaten entwickelnden Krise im Nahen Osten zu sprechen. Er richtete sich sogar mit einem persönlichen Apell an US-Präsident Barack Obama, dieser möge die „schlimmstmöglichen Ergebnisse vermeiden“, die eine „Katastrophe für die Menschheit“ bedeuten würden.
Webster G. Tarpley, ein regelmäßiger Kommentator auf RT, merkte an, dass die US-Medien die Warnungen Castros größtenteils ignoriert hätten. Tarpley schrieb:
„Es ist nicht überraschend, dass die kontrollierten Wall Street Nachrichtenmedien in den Vereinigten Staaten alles in der Macht stehende taten um diese dramatische Warnung herunterzuspielen, zu verunglimpfen und lächerlich zu machen. Nichtigkeiten und Dümmlichkeiten beherrschen die US-Medienberichterstattung dieses Sommers.“
Es ist nicht überraschend, dass dieselbe „Nichtigkeit und Dümmlichkeit“ der Medien, mit denen sie in der Lage ist die Warnungen eines altgedienten globalen Führers vor den Gefahren eines möglichen atomaren Holocausts zu übergehen, auch dazu in der Lage ist die Vorwürfe zu ignorieren, eine ultrageheime Organisation würde die Demokratie unbekümmert mit Füßen treten.
Die Frage ist jedoch nicht, ob die Anschuldigungen gegen die Bilderberg-Gruppe richtig oder falsch sind, sondern vielmehr, warum es die internationalen Konzernmedien fortwährend unterließen die Öffentlichkeit über die Inhalte dieser Treffen zu informieren, obwohl sie bei diesen elitären Konferenzen immer in der ersten Reihe saßen. Angesichts der alljährlichen hochrangigen Gästeliste, auf der regelmäßig die Führer nahezu jeder westlichen Macht zu finden sind, scheint die Öffentlichkeit ein Recht darauf zu haben zu erfahren, was dort vor sich geht.
Obwohl Fidel Castro wohl nie zu einem Aushängeschild der Demokratie avancieren dürfte, scheint es jedoch so, dass er hier sehr wohl einen berechtigten Einwand vorbringt, wenn er die Existenz von geheimen Gruppen wie den Bilderbergern hinterfragt, die so gut wie nichts mit den Traditionen westlicher Demokratien gemein zu haben scheinen.
Unabhängig von den Rechtfertigungen hat Geheimhaltung in einer modernen Demokratie absolut nichts zu suchen.