Euro Pacific Capital, 23.08.2010

Vergangene Woche war bei CNBC der frühere US-Arbeitsminister Robert Reich zu Gast und präsentierte eine Reihe widersprüchlicher Ansichten, die bedauerlicherweise den allgemeinen Glauben moderner Ökonomen widerspiegeln. In einem Gespräch mit Stephen Moore, einem Kolumnisten vom Wall Street Journal, listete Reich richtig und umfassend die Gründe dafür auf, warum die Verbraucher vor dem Zusammenbruch des Jahres 2008 so verschwenderisch Geld ausgeben konnten und warum ihnen dies nun nicht mehr möglich ist. Anstatt jedoch zur logischen Schlussfolgerung zu gelangen, dass das frühere Ausgabenniveau nicht tragfähig war und die Ausgaben die aktuellen Rahmenbedingungen widerspiegeln müssten, befürwortete er, dass die Regierung zusätzliche Schulden aufnimmt, damit die klammen Verbraucher wieder zu ihrem gewohnten Ausgabeverhalten zurückkehren können.

Um das zu erreichen, forderte Reich, dass die Steuern für arbeitende Amerikaner gesenkt werden und man bei den Reichen die Steuern erhöht. Er argumentierte, bei Amerikanern mit einem Mittelklasseeinkommen bestünde eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass die zusätzlichen Gelder wieder ausgegeben werden, wohingegen die Reichen eher sparen und investieren würden. Als „nachfrageorientierter“ Ökonom wies Reich darauf hin, dass Ausgaben zur Beschleunigung des Wachstums wichtiger sind als zu sparen und zu investieren.

Einfach gesagt ist Reich der Meinung, dass der Pferdewagen die Pferde vorwärtsbewegt. Seiner Weltanschauung nach schaffen Unternehmen die Waren und Dienstleistungen lediglich aufgrund der Ausgaben der Verbraucher. Daher beflügelt alles, was die Ausgaben erhöht, das Wachstum. Bedauerlicherweise entgeht ihm, was eigentlich absolut offenkundig sein müsste: Die Bildung von Kapital geht der Produktion voraus, die dann erst den Konsum ermöglicht.

In einer komplexen Gesellschaft wie der unseren kann man diese Zusammenhänge nur schwer erkennen. Wenn wir es jedoch auf eine einfachere Ebene herunterbrechen, wird es deutlicher. Das versuche ich auch in meinem neuen Buch mit dem Titel „Wie eine Wirtschaft wächst und warum sie zusammenbricht“. Nehmen wir zum Beispiel ein einfaches auf Tausch basierendes Wirtschaftssystem, das sich aus nur drei Personen zusammensetzt: Einem Fleischer, einem Bäcker und einem Kerzenmacher.

Wenn der Kerzenmacher einen Kuchen möchte, kann er nicht einfach vom Bäcker verlangen, dass dieser ihn aushändigt. Der Kuchen muss erst produziert werden und der Backer muss in Auslage für Arbeit und Material gehen um ihn herzustellen. Sollte der Kerzenmacher nicht in der Lage sein dem Backer etwas von Wert zum Tausch anbieten zu können, wird er auch keinen Kuchen backen. Die Fähigkeit des Kerzenmachers vom Backer etwas von Wert zu verlangen, ergibt sich aus seiner Fähigkeit Kerzen zum Tausch anbieten zu können. Ohne Herstellung kann es nicht zum Verbrauch kommen.

Was wäre, wenn der Kerzenmacher krank würde und keine Kerzen mehr herstellen könnte? Da der Bäcker nicht bereit wäre seinen Kuchen einfach so herzugeben, würde er wahrscheinlich aufhören Kuchen für den Kerzenmacher herzustellen. Die Wirtschaftsaktivität würde selbstverständlich zurückgehen, bis sich der Kerzenmacher wieder erholt hätte.

Wenn der Kerzenmacher jedoch nichts zum Tauschen hat, dann ist es laut Reich so, dass die Regierung einspringen sollte um ihm Kerzen zu geben. Aber woher soll die Regierung die Kerzen herbekommen? Sie könnte sie von dem Kerzenmacher bekommen; aber wenn er keine herstellt, wie soll er dann die Steuer bezahlen? Selbst wenn für die Steuer noch ein paar Kerzen übrig sein sollten, würde mit jeder Kerze, welche die Regierung dem Kerzenmacher wegnimmt, die Nachfrage lediglich vom Kerzenmacher auf die Regierung übergehen. Hier wird keine neue Nachfrage geschaffen.

Sollte der Fleischer noch gesund sein, könnte die Regierung alternativ auch ihn besteuern und seine Steaks an den Kerzenmacher weiterreichen, damit dieser sie gegen Kuchen eintauschen kann. Aber dadurch wird ebenfalls keine neue Nachfrage geschaffen. Die Nachfrage geht hier lediglich vom Fleischer auf den Kerzenmacher über.

Einige sind vielleicht der Meinung, dass dieses tauschbasierte Gleichnis nicht stichhaltig ist, da die Fähigkeit der Ausweitung der Geldmenge und der Kreditschaffung einer Wirtschaft wesentlich mehr Flexibilität verleiht. Das ist jedoch ein abwegiges Argument. Obwohl Geld effizienter ist als der Tauschhandel, ändert dies nichts an der Dynamik zwischen Herstellung und Verbrauch.

Reich behauptet jedoch, dass gedrucktes Geld die Nachfrage genauso wirkungsvoll anregen kann wie echte Kerzen. Aber welches Produkt soll sich der Bäcker mit dem Geld denn kaufen können, wenn es keine Kerzen gibt? Alles was der Bäcker tun kann, ist die Preise von den noch produzierten Waren, in diesem Falle Steaks, hochzutreiben. Genauso verhält es sich, wenn die Regierung einfach nur Geld druckt und dies unter den Menschen verteilt. Dadurch wird keine neue Produktion geschaffen. Es kommt lediglich zu einer Preissteigerung, die den Anstieg der Geldmenge im Verhältnis zu der Verbrauchsgüterversorgung widerspiegelt.

In einer komplexeren Wirtschaft hat dieser Zusammenhang zwischen Produktion (Versorgung) und Ausgaben (Nachfrage) immer noch seine Gültigkeit. Jeder Verbraucher lebt von seiner eigenen Produktion oder der Produktion eines anderen. Das arbeitenden Personen ausgezahlte Gehalt resultiert aus der Produktivität ihrer Arbeit. Die Fähigkeit zu konsumieren steht direkt mit der Schaffung von Waren und Dienstleistungen im Zusammenhang, die das Ergebnis einer Anstrengung von Jemand sind. Verschwenden die Menschen ihre Zeit jedoch mit unproduktiver Arbeit, wird nur wenig wirkliche Nachfrage geschaffen.

In der Sowjetunion hatte jeder eine Arbeit und trotzdem mussten die Arbeiter stundenlang für Güter des täglichen Bedarfs Schlange stehen. Obwohl jeder (für die Regierung) arbeitete, war die Produktion zu gering. Dieser Mangel an Produktivität hatte zur Folge, dass die Gehälter nur eine geringe Kaufkraft hatten.

Weder Produktion noch Nachfrage können durch Konjunkturmaßnahmen der Regierung angeregt werden. Die Nachfrage kann zwar durch Konjunkturmaßnahmen soweit vorangetrieben werden, wie Ersparnisse vorhanden sind, aber nur auf Kosten künftiger Nachfrage plus Zinsen. Wenn Konjunkturprogramme Nachfrage schaffen könnten, dann würde keine Nation arm sein. Denkt man Reich sein Argument zu Ende, würde dies bedeuten, dass die Armut in Afrika ausgemerzt werden könnte, indem die afrikanischen Regierungen einfach unbekümmert Geld drucken. In Wirklichkeit sind die Afrikaner jedoch nicht arm, weil es ihnen an Währung fehlt, die sie ausgeben könnten; sie sind arm, weil ihre korrupten und unfähigen Regierungen durch die Forderung von Schmiergeldern, die Verwehrung von Eigentumsrechten und dem Außerkraftsetzen von Verträgen die Produktion behindern und eine Anhäufung von Kapital verhindern, während sie gleichzeitig die Gewinne verstaatlichen.

Bei einer Sache hat Reich Recht: Die Amerikaner sind tatsächlich am Ende. Aber anstatt das Land zu ermutigen sich durch Ausgaben noch tiefer zu verschulden, sollte er fordern, dass mehr angespart wird, damit wir die Mittel für Investitionen in neue Unternehmen und neue Industrien haben. Das ist der wahre Weg, wie man wieder solvent wird, aber das wird nur funktionieren, wenn wir weniger Regierungsausgaben, weniger Regularien, geringere Steuern (besonders bei Jenen, welche die größte Neigung haben zu sparen und zu investieren) und höhere Zinssätze haben.

Bedauerlicherweise haben Reich und seine Verbündeten in Washington das Sagen. Das Land kann sich erst erholen, wenn die einzige Sache, die Politiker stimulieren, die Nachfrage nach einer neuen Wirtschaftspolitik ist.

Im Folgenden das Interview mit Reich (ab ca. 5:20 min)

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