The Economic Collapse, 11.10.2010

Wenn Sie in der Hypothekenbranche arbeiten oder für einen Anbieter von Rechtstitelversicherungen tätig sind, sollten Sie sich in den kommenden 6 Monaten besser nichts vornehmen. Foreclosurgate, der Zwangsvollstreckungsskandal, steht kurz davor richtig zu explodieren.

Es wird behauptet, dass zahlreiche prominente Hypothekengeber fehlerhafte Urkunden benutzten um Eigenheimbesitzer aus ihren Häusern werfen zu lassen. Offensichtlich haben die Angestellten in vielen dieser Firmen abertausende von Dokumenten zur Zwangsvollstreckung unterzeichnet, ohne dabei auch nur einmal kurz drüber zu schauen.

Darüberhinaus steht der Vorwurf im Raum, dass ein Großteil der Urkunden von Hypotheken, bei denen es zur Zwangsvollstreckung kam, entweder „unzulässig“ ist oder gleich komplett „fehlt“. Da die Rechtsanwälte Blut gerochen und Fährte aufgenommen haben, sind im ganzen Land bereits erste Gerichtsverfahren eingeleitet worden, in denen diese Zwangsvollstreckungen angefochten werden.

Fakt ist, dass einige Foreclosuregate bereits als den größten Betrug in der Geschichte der Kapitalmärkte bezeichnen. JPMorgan Chase, GMAC Mortgage und PNC Financial haben die Zwangsvollstreckungen bereits in über 23 US-Bundesstaaten, also überall dort, wo sie vom Richter angeordnet werden müssen, ausgesetzt. Bank of Amerika hat die Zwangsvollstreckungen sogar in allen 50 US-Bundesstaaten ausgesetzt. Landesweit fordern die Strafermittlungsbehörden nun, dass Untersuchungen zu dieser Kontroverse eingeleitet werden, und es könnte Jahre dauern, bis die Sachverhalte aufgeklärt worden sind.

Tag für Tag scheint die Situation weiter aus dem Ruder zu laufen. Es ist berichtet worden, dass Generalstaatsanwälte aus bis zu 40 US-Bundesstaaten jetzt in einer gemeinsamen Untersuchung in der Sache der Zwangsversteigerungskrise ermitteln werden. Die Abgeordneten in beiden Häusern des US-Kongresses, darunter auch Nancy Pelosi und Christopher Dodd, forderten ebenfalls eine Untersuchung auf nationaler Ebene einzuleiten. Der US-Justizminister, Eric Holder, erklärte vergangene Woche, dass er sich das Thema anschauen würde. Die Lage scheint sich also bedeutend zu verschärfen. Noch nie ist den Formalitäten bei Zwangsvollstreckungen in den USA jemals zuvor einen solch starkes Interesse entgegengebracht worden.

Aber offensichtlich gibt es ja auch eine ganze Reihe von triftigen Gründen, diese Dinge mit größter Sorgfalt zu untersuchen:

  • Ein Beamter von GMAC Mortgage räumte während einer eidesstaatlichen Aussage im Dezember 2009 ein, dass sein Team mit 13 Mitarbeitern rund 10.000 Zwangsvollstreckungsurkunden pro Monat unterzeichnet hatte ohne sie zu lesen.
  • Eine Angestellte von Bank of Amerika gestand während eines Insolvenzverfahrens in Massachusetts, dass sie monatlich bis zu 8.000 Zwangsvollstreckungsurkunden unterschrieb und sich diese „aufgrund des Umfangs“ in der Regel garnicht ansah.

Aber der „Roboter-Unterschriften“-Aspekt von Foreclosuregate ist nur die Spitze des Eisbergs. Offensichtlich gibt es da noch wesentlich mehr, als bloß einen Haufen ungültiger Unterschriften.

Peter J. Henning, ein Rechtsprofessor an der Wayne State University Law School in Detroit, wurde jüngst von MSNBC mit den folgenden Worten zum Thema Foreclosuregate zitiert: „Es gibt so viele Unwägbarkeiten bei der Haftung. Man weiß zurzeit noch nicht einmal etwas über die Rahmenbedingungen.“

Die traurige Wahrheit ist, dass wohlmöglich Millionen von Zwangsvollstreckungen in den Vereinigten Staaten absolut unzulässig sind, da es bei der Verbriefung dieser Hypotheken zu einer Verwischung der Eigentümerkette kam. Tatsache ist jedenfalls, dass immer mehr Richter im ganzen Land Urteile sprechen, bei denen den „Eigentümern“ der Hypothek kein Recht zugebilligt wird in die Immobilie zu vollstrecken, da sie den Besitzanspruch nicht zweifelsfrei nachweisen können.

Im Zentrum der Kontroverse um den Besitzanspruch steht MERS, das elektronische Hypothekenregistrierungssystem. MERS hat seinen Sitz in Reston im US-Bundesstaat Virginia und wurde von der Hypothekenbranche ins Leben gerufen, um es den großen Finanzfirmen zu ermöglichen in Höchstgeschwindigkeit Hypotheken zu verbriefen und weiterzureichen. MERS ermöglichte es diesen großen Finanzfirmen, jedes Mal, wenn eine Hypothek weiterverkauft wurde, einen Großteil des lästigen Ausfüllens von Formularen und die Übermittlung von Neuanmeldegebühren zu umgehen.

Aber nun sieht sich MERS mit einigen sehr ernsten rechtlichen Problemen konfrontiert. In einem kürzlich erschienen Artikel der Zeitschrift Businessweek wird die Situation so beschrieben:

„Am 28.09.2010 wurde beim Bundesgericht in Louisville im Namen aller Hausbesitzer von Kentucky eine Klage eingereicht, worin behauptet wird, dass MERS Teil einer Verschwörung zur Erstellung falscher Schuldscheine, eidesstaatlicher Versicherungen und Hypothekenabtretungen ist, um diese bei Zwangsvollstreckungen zu verwenden. Ähnliche Sammelklagen wurden im Namen von Eigenheimbesitzern in Florida und New York eingereicht. Karmela Lejarde, eine Sprecherin von MERS, lehnte eine Kommentar zu laufenden Rechtsstreitigkeiten ab.“

Fakt ist, dass Millionen von US-Hypotheken gebündelt wurden und man diese dann in Lichtgeschwindigkeit auf dem ganzen Erdball weiterverkaufte, wobei immer undeutlicher wurde, wer in Wirklichkeit den Besitzanspruch darauf hat und wer tatsächlich das Recht besitzt in diese Immobilien zu vollstrecken.

Die Rechtstitelversicherer haben die Besitzansprüche von Millionen dieser zwangsenteigneten Immobilien versichert und finden sich nun wohlmöglich in einem Wust an Problemen wieder. Einige der größten Anbieter von Rechtstitelversicherungen haben bereits damit begonnen sich zusammenzutun, um zu versuchen Schadenskontrolle zu betreiben. Beispielsweise hat eines der größten Versicherungsunternehmen für Rechtstitelversicherungen in den Vereinigten Staaten, die Old Republic National Title Insurance, bereits verkündet, dass es keine neuen Versicherungspolicen für Eigenheime mehr ausstellen wird, die sich bereits bei JPMorgan Chase und GMAC Mortgage in der Zwangsvollstreckung befinden.

Was passiert also, wenn fast alle Rechtstitelversicherer damit beginnen in der Zwangsvollstreckung befindliche Immobilien zu meiden? Würde es dadurch für die Banken nicht wesentlich schwieriger den gigantischen Rückstau an zwangsvollstreckten Immobilien weiterzuverkaufen, der sich bis zum jetzigen Zeitpunkt bei ihnen aufgetürmt hat?

Darüberhinaus könnte auch die amerikanische Bevölkerung, die von den Banken eingezogene Häuser erworben hat, nun mit ernsthaften Problemen konfrontiert sein. Es könnte nämlich durchaus sein, dass Millionen von Amerikanern aktuell Häuser „besitzen“, auf die sie keinen eindeutigen Besitzanspruch haben. Wenn der Zeitpunkt kommt, an dem sie diese Eigenheime wieder verkaufen wollen, kann es sein, dass viele Amerikaner dazu aus rechtlichen Gründen garnicht in der Lage sein werden.

Selbstverständlich ist die gesamte Situation eine einzige Katastrophe.

Die US-Banken verfügen bereits über eine Rekordzahl an eingezogenen Immobilien, die sie loswerden müssen, und jetzt kommen noch all diese peinlich genauen Untersuchungen über die Formalien von Zwangsvollstreckungen hinzu, mit all den Gerichtsverfahren, die den gesamten Prozess des Weiterverkaufs von Eigenheimen zum Stillstand bringen werden.

Foreclosuregate könnte in der Tat auch zu einer großen Zahl an Bankenpleiten führen.

Man kann sich kaum vorstellen, was für ein Albtraum Foreclosuregate für die US-Hypothekengeber sein wird. Die Formalien von Millionen an alten Hypotheken erneut durchforsten zu müssen, ist eine absolute Katastrophe. Sollten die Banken am Ende nicht in der Lage sein bei einem Großteil notleidender Hypotheken die Zwangsvollstreckung einleiten zu können, dürfte das wohlmöglich schon ausreichen um viele Banken für immer aus dem Verkehr zu ziehen. Aber nicht nur das, auch die juristischen Kosten, die viele dieser Banken bei der Verteidigung in Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Foreclosuregate anhäufen werden, dürften ins Astronomische gehen.

Die US-Hypothekenbranche stand ohnehin bereits kurz vor dem Kollaps und Foreclosuregate könnte ihr nun den entscheidenden Todesstoß versetzen.

Und die US-Banken versinken in Wirklichkeit gerade in Zwangsvollstreckungen und die aktuelle Krise wird die gesamte Situation noch wesentlich verschlimmern. Im Jahre 2005 gab es ungefähr 100.000 Zwangsenteignungen in den Vereinigten Staaten. 2009 waren es rund 1 Million Zwangsenteignungen von Eigenheimen in den USA und RealtyTrac sagt nun voraus, dass für 2010 ein Rekord von 1,2 Millionen Zwangsenteignungen zusammenkommen dürfte.

Für die US-Hypothekenwirtschaft muss sich Foreclosuregate ungefähr so anfühlen, als hätte jemand eine Bombe über ihnen abgeworfen, nachdem sie bereits verdroschen und mit Benzin übergossen wurden.

Der Rechtsanwalt Richard Kessler, der kürzlich eine Untersuchung zu diesem Thema durchführte und herausfand, dass bei ungefähr 75% aller Anträge bei Gericht, die mit Zwangsenteignungen in Zusammenhang stehen, bedeutende Fehler gemacht wurden, erklärte, dass Foreclosuregate die US-Hypothekenwirtschaft noch die nächsten 10 Jahre verfolgen könnte: „Durch fehlerhafte Urkunden wurden Millionen verschandelter Besitzansprüche geschaffen, die das Land das nächste Jahrzehnt noch umtreiben werden.“

Während es ein Leichtes ist auf die US-Hypothekengeber einzuschlagen und zu erklären, dass sie all dies verdient hätten, sollten wir nicht vergessen, dass hiervon auch eine ganze Reihe anderer Menschen betroffen sein wird.

Es wird bedeutend schwerer werden eine Hypothek zu bekommen. Er wird bedeutend schwerer werden ein Haus zu kaufen. Es wird bedeutend schwerer werden ein Eigenheim zu verkaufen. Die US-Eigenheimbranche wird wegen alledem wahrscheinlichen einen bedeutenden Rückgang erleiden. Es könnte gut sein, dass es dabei auch für längere Zeit die gesamte US-Wirtschaft nach unten zieht.

Foreclosuregate ist also für niemanden gut – von den Rechtsanwälten einmal abgesehen. Aber praktisch für jeden anderen sind es wirklich schlechte Nachrichten. Jegliche Hoffnungen, dass die US-Eigenheimbranche eine schnelle Erholung erleben würde, haben sich damit vollständig in Luft aufgelöst.

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