Kongressmitarbeiter und Insolvenzrechtsanwälte prüfen bereits die Möglichkeit, einzelne US-Bundesstaaten einem Insolvenzverfahren zu unterziehen. Die rechtlichen Fragen sind kompliziert und die Auswirkungen auf den US-Gemeindeanleihenmarkt erheblich

Wealth Cycles, 25.01.2011

Erdrückt von der Schuldenlast sowie unter Gewerkschaftsverträgen und einem unhaltbaren Geschäftsmodell leidend durchlief General Motors eines der größten Insolvenzverfahren in der Geschichte der USA. Insgesamt wurden USD 27 Milliarden an Schulden umorganisiert, während ein Beben durch die GM-Aktien ging, bei dem die ursprünglichen Investoren durch das US-Finanzministerium ersetzt wurden und man die Anleihehalter, die auf einmal auf schlechten Schulden saßen, zwang, ihre Schuldtitel in Aktien umzuwandeln.

Es war eine riesige und chaotische Veranstaltung, die zahlreiche Milliarden an US-Steuerzahlergeld verschlang, aber letztendlich überlebte General Motors dann doch.

Mittlerweile schauen die finanziell in Notlage geratenen US-Bundesstaaten auf das GM-Insolvenzverfahren und fragen sich, ob das nicht ein Modell wäre, sich der lähmenden Schuldenlast und der riesigen Pensionsansprüche entledigen zu können. Gegenwärtig ist es den einzelnen Bundesstaaten jedoch verboten, eine Insolvenz anzumelden, bei der die Verträge auf den Richtblock kämen und es den Insolvenzrichtern möglich wäre, die Schulden umzustrukturieren und die Anleihehalter auszulöschen.

Laut der New York Times untersuchen die Gesetzgeber gerade die Auswirkungen, welche die Insolvenz eines Bundesstaats mit sich bringt und inwiefern der US-Anleihemarkt für Schuldtitel von Bundesstaaten und Gemeinden, der sich aktuell auf USD 2,9 Billionen beläuft, davon betroffen wäre:

„Im Gegensatz zu den Städten ist es den Bundesstaaten verboten, bei Insolvenzgerichten des Bundes Zuflucht zu suchen. Jegliche Bemühungen, diesen Status zu ändern, müssten hohe verfassungsrechtliche Hürden überwinden, da die Staaten als souverän angesehen werden. Befürworter sagen jedoch, die Schuldenlast einiger Staaten sei so erdrückend, dass der einzige Ausweg der Bankrott sein dürfte, so dass beispielsweise Illinois die Möglichkeit hätte, das zu tun, was mit Hilfe des Bundes auch von General Motors getan wurde.

Neben ihren kurzfristigen Haushaltslöchern, haben einige Staaten auch schwere strukturelle Probleme wie insolvente Pensionsfonds, durch die Geld von wichtigen öffentlichen Dienstleistungen wie Bildung und dem Gesundheitswesen abgezogen wird. Einige Kongressmitglieder befürchten, dass es nur eine Frage der Zeit sein könnte, bis ein Staat um Rettung bittet, so die hierzu von Kongressmitarbeitern befragten Insolvenzanwälte.“

„General Obligation“-Bonds (auch G.O. genannt) gelten als die sicherste Form der Anleihe, da sie durch die Fähigkeit des Staates oder der Gemeinde gedeckt sind, Steuern zu erheben. Wenn der Schuldner seine ausstehenden Zinsen und die Hauptschuld nicht bedienen kann, schreibt eine G.O.-Anleihe vor, dass die Steuern anzuheben sind, um jegliche bestehenden Zahlungsausfälle ausgleichen zu können. In zahlreichen US-Bundesstaaten sind die Schulden der Regierung zusätzlich noch juristisch über ihre Verfassungen geschützt.

Ist das Insolvenzverfahren also eine gute Methode, um sich der saudummen Vereinbarungen der US-Bundesstaaten zu entledigen? Nicole Gelinas von der New York Post ist jedenfalls nicht dieser Meinung:

„Nehmen wir New York mit seinen USD 78,4 Milliarden an ausstehenden Anleiheschulden und geschätzten USD 81 Milliarden an nicht finanzierten Pensions- und Krankenkassenprogrammen. Das Konzept scheint zu sein, dass New York in die Insolvenz geht, nachdem man festgestellt hat, dass man nur, sagen wir, 80% dieser Verbindlichkeiten bedienen kann. Dann kommt ein Richter und streicht einfach 20%. Haha. Die komplizierte Natur des Gemeindeanleihenmarkts lassen diesen Plan zur hoffnungslosen Naivität verkommen.

Für Anfänger: Staaten wie New York machen ´ihre` Schulden auf indirektem Wege. Sie geben diese über zehntausende an eigenständigen rechtlichen Organisationen aus. Der ´Staat` New York hat keine Schulden in Höhe von USD 78,4 Milliarden – sondern gerade einmal allgemeine Verbindlichkeiten [G.O.-Anleihen] in Höhe von USD 3,5 Milliarden.

Und wer schuldet den Rest? Die städtische Transportbehörde, die Wohnungsbaubehörde, die Triborough Bridge & Tunnel Behörde usw. Rechtlich gesehen handelt es sicher hier nicht um die Regierung, sondern um ´gemeinnützige Firmen`. Jede verfügt über ihren eigenen Vorstand, ihre eigenen Regeln und ihre eigenen vertraglichen Vereinbarungen mit ihren Kreditoren, die von Anleihehaltern bis hin zu Gewerkschaften reichen. Jede dieser Vereinbarungen bietet den Kreditoren unterschiedlichen Schutz.“

Also was würde nun wirklich passieren? Würden tausende rechtlich eigenständige Organisationen einfach für insolvent erklärt, wenn der Staat bankrott anmeldet? Wäre das dann der Punkt, wo die Investoren damit anfingen, den nächsten Wackelkandidaten in Augenschein zu nehmen, sprich die USA?

Die undurchsichtigen Rechtsfragen dieses Sachverhaltes sind in der Tat sehr komplex, was mit der Souveränität der einzelnen Bundesstaaten sowie der Interaktion zwischen der Gesetzgebung der Bundesregierung und der einzelnen Bundesstaaten zusammenhängt. Eins ist sicher: Es gibt kein Geheimmittel, mit welchen man die US-Bundesstaaten durch die riesige Krise, die über Jahrzehnte hinweg entstanden ist und nun auf uns zukommt, einfach so hindurchmanövrieren könnte.

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