Vorsicht: Die Aussagekraft technischer Analysen im Edelmetallmarkt liegt in der Regel bei null. Wer in der Hoffnung auf einen günstigen Einstiegspreis mit dem Markteintritt wartet, bis eine Panik ausbricht, dürfte am Ende nichts mehr bekommen – ein Schicksal, das die überwiegende Mehrheit der „Investoren“ ereilen wird

Alasdair MacLeod, Finance and Economics, 08.02.2011

Der Rückgang beim Goldpreis vergangenen Monat ging fast einhellig mit der Auffassung einher, dass es beim Goldkurs eine Kopf-Schulter-Formation gäbe – also eines der klassischen Kursverlaufsmuster, das von den technischen Analysten als Wendepunkt gedeutet wird. Ein solche Formation markiert das Ende eines Trends; das Ende eines Bullen- oder Bärenmarkts oder wenigstens einer Bullen- oder Bärenphase. Es stellt sich jedoch die Frage, welche Bedeutung technische Analysen im Edelmetallmarkt überhaupt haben?

Es steht völlig außer Frage, dass Chartanalysen unter den richtigen Umständen ein nützliches Werkzeug sein können. Das setzt jedoch voraus, dass die Stimmungen der Investoren – also die Gefühle von Gier und Angst, welche die Investoren treiben – entsprechend mit eingepreist sind. Dafür müssten die emotionalen Investoren aber auch den Markt dominieren, und auch die Preise selbst müssten die Angebots- und Nachfragesituation korrekt widerspiegeln.

Im Aktienmarkt ist das gewöhnlich der Fall, da hier die öffentlichen Auffassungen und Stimmen dominieren. Für derartige Märkte wurde die technische Analyse ursprünglich auch entwickelt. Ganz offensichtlich trifft dies aber weit weniger zu, wenn es um andere Märkte geht, die durch andere Faktoren beherrscht werden, wie durch sich verändernde Muster der nicht auf Investments abzielenden Nachfrage oder die Manipulation von Zinssätzen.

Wo immer die Stimmung der Öffentlichkeit eine Rolle bei der Preisbildung spielt, wird auch die technische Chartanalyse eine gewisse Bedeutung haben. Edelmetalle haben jedoch ihre ganz speziellen Eigenheiten.

Gold und Silber werden in zwei getrennte Märkte unterteilt: Den Papiermarkt und den physischen Markt. Beide Märkte haben sich in gewisser Weise voneinander abgekoppelt. Das öffentliche Interesse im Hinblick auf Investments konzentriert sich zum überwiegenden Teil auf die Papiermärkte, also auf Terminkontrakte und Optionsscheine. Das öffentliche Interesse bezüglich des Hortens von Edelmetallen, konzentriert sich ausschließlich auf den physischen Markt.

Während viele von uns in beiden Bereichen aktiv sind, muss diese Unterscheidung jedoch vollumfänglich verinnerlicht werden, da sich die Motivation des Investierens von der des Hortens gänzlich unterscheidet.

Um es mit wirtschaftlichen Begriffen zu erklären: Investieren ist der Einsatz von Ersparnissen in Erwartung von Profiten. Horten ist hingegen das Entfernen von Ersparnissen aus dem Geldkreislauf. Die Investoren gehen davon aus, ihre Gewinne in ihrer entsprechenden Papierwährung zu machen, während die Hortenden sich genau vor dieser Währung schützen wollen. Die Hortendenden sind an der technische Analyse überhaupt nicht interessiert, da sie alleine von Angst getrieben werden, der Preis ist für sie daher ebenfalls bedeutungslos.

Die allgemeine Unterteilung des Edelmetallmarkts in zwei verschiedene Lager – in Investmentinteresse und das Interesse zu Horten – ist mittlerweile selbstverstärkend geworden.

Die Psychologie des Hortens unterscheidet sich vom normalen Investieren, da steigende Preise von einem Hortenden als Bestätigung seiner Befürchtungen und schlimmsten Ängste aufgefasst werden können, was ihn nur umso mehr darin bestätigt, noch mehr zu horten. Der Hortende wird auch durch wachsende wirtschaftliche und systemische Risiken angstgetrieben motiviert, Maßnahmen zu ergreifen, wobei er wahrscheinlich versuchen wird, Phasen der Preiskonsolidierung zu nutzen.

Bedauerlicherweise richten sich alle Kommentare bezüglich der Edelmetallpreise an Investoren und Investments – so dass diese wichtige Unterscheidung nur selten gemacht und nur selten verstanden wird. Dies ist auch der Grund dafür, dass technische Analysen im Edelmetallbereich unter den aktuellen Bedingungen der Wirtschaft und des Marktes eine Glaubwürdigkeit genießen, die völlig unbegründet ist.

Die Anwendung von technischen Analysen im Edelmetallmarkt macht nur dann Sinn, wenn diese sich ausschließlich auf den Papiermarkt beschränkt und keine anderen Faktoren mit hineinspielen. Für Hortende, die an den physischen Märkten partizipieren, ist die technische Analyse überhaupt nicht von Belang.

Das ist ein Konflikt, den es aufzuklären gilt. Dafür müssen wir jedoch wissen, welcher Markt der dominantere ist, so dass wir den wahrscheinlichen Einfluss all der Investmentwerkzeuge abschätzen können, welche für Investoren entwickelt wurden.

Aktuell wird der Anteil, den Portfolien am Edelmetallmarkt halten, mit rund 1% veranschlagt – während Gold und Silber in sehr starkem Umfang gehortet wird. Klassische Investoren sind gemessen an ihrer Zahl und ihrem Finanzengagement die wesentlich kleinere Gruppe. Darüberhinaus nimmt das Horten immer stärker zu. Hierzu zählen beispielsweise auch 2 Milliarden Gold liebende potenzielle Sparer in Asien. Die Zentralbanken sind per Definition selbst eher Hortende als Investoren, obwohl ihre Motivation sicherlich nicht ganz so klar ist.

Die kollektive Präsens und Macht der Hortenden ist bedeutend größer als die der Investoren – und angesichts der anhaltenden Entschlossenheit der Zentralbanken, ihre Währungen weiter aufzublähen, wird die relative Bedeutung des Hortens noch weiter anwachsen. Daher müssen wir zu dem Schluss kommen, dass Investmentwerkezeuge wie die technische Analyse nur wenig bis eine verschwindend geringe Bedeutung als Mittel zur Prognostizierung von Edelmetallpreisen haben.

Das heißt nicht, dass der technischen Analyse bei kurzfristigen Betrachtungszeiträumen gar keine Bedeutung zuzumessen wäre, wie der Abverkauf im Januar dieses Jahres gezeigt hat. Wenn das Investmentinteresse und das spekulative Interesse anwachsen, so wie es im letzten Quartal 2010 der Fall gewesen ist, wird die technische Analyse für die Preisbewegungen auch wieder relevanter.

Das Wissen darum wird von Marktmanipulatoren jedoch gewöhnlich dazu genutzt, Investoren Angst einzujagen, eine Panik zu verursachen, und die Marktteilnehmer zu schlechten Investmententscheidungen zu verleiten. Jeder Investor, der naiv genug ist zu glauben, dass die Edelmetallmärkte lediglich ein Investmentspiel sind, mit dem man basierend auf Charts zocken kann, wird für die großen sich in den Papiermärkten herumtreibenden Geschäftsbanken zur leichten Beute.

Die Verwendung von technischen Analysemethoden zur Vorhersage der Edelmetallpreise ist nichts weiter als eine der Methoden, mit der Investoren versuchen, die vorausgegangenen Zusammenhänge in künftige Preise zu extrapolieren. Bei diesem Prozess berücksichtigen sie jedoch weder die größeren Zusammenhänge noch die Tatsache, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen heute ganz andere sind als, sagen wir mal, vor 30 Jahren.

Wesentlich wichtiger ist es zu versuchen, die Motivation und Handlungen der Hortenden zu begreifen, von denen die meisten über Portfolio-Theorien nichts wissen oder kein Interesse an ihnen haben: Wird sich ihr Interesse am Horten vermindern oder wird es weiter zunehmen? Und wie positionieren sich die Zentralbanken, die ebenfalls versuchen, das Verhalten des Hortens zu beeinflussen: Könnten es sein, dass sie die Kontrolle über den Markt verlieren?

Zu diesen wichtigen Fragestellungen können wir auch noch Fragen bezüglich der weltweiten Finanzpolitik hinzufügen. Speziell China ermutigt seine Bürger zum Horten von Edelmetallen – eine Maßnahme die offensichtlich ins Leben gerufen wurde, um den westlichen Zentralbanken das Leben wesentlich schwerer zu machen. Handelt es sich hierbei bereits um einen Wirtschaftskrieg, und wenn ja, was hat das dann für Auswirkungen?

Die Investoren sind oftmals weder intellektuell noch emotional gewappnet, diese entscheidenden Fragestellungen zu erfassen und mit ihnen umzugehen. Möchtegern-Hortende beharren darauf, technische Erwägungen in Betracht zu ziehen, um ihren Einstieg optimal zu timen, und bringen dabei trotzdem Investments mit dem Horten durcheinander. Sie streben danach, ihre Profite zu maximieren, nicht danach, sich vor dem schützen zu wollen, worüber sich die Hortenden Sorgen machen.

Die Hortenden werden am Ende entweder richtig oder falsch liegen. Wenn sie falsch liegen, dann haben es die Regierungen irgendwie geschafft, Papiergeld in solides Geld zu verwandeln, ohne dabei Gold mit einbeziehen zu müssen. Unter allen anderen Umständen dürften die Hortenden am Ende jedoch richtig liegen – und wenn sie Recht haben, wird auch der Preis völlig bedeutungslos sein.

Während die wirtschaftlichen Ereignisse ihren Lauf nehmen und ein immer größerer Teil der Öffentlichkeit die Schwächen des Papiergelds versteht, werden sich auch die Anzeichen einer Panik herausbilden.

Wir werden erleben, wie es zu ernsthaften Versuchen am Papiermarkt kommen wird, die physische Auslieferung zu erzwingen – nicht etwa, um den Preis nach oben zu treiben, sondern lediglich, um die Edelmetalle in Besitz zu nehmen.

Wir werden erleben, wie die Halter von börsennotierten Rohstofffonds von derivatebasierten Fonds auf ordentlich strukturierte voll edelmetallgedeckte Fonds umschwenken werden. Ja, wir werden sogar erleben, wie Anteile dieser metallgedeckten Fonds dann auch tatsächlich gegen Metall eingetauscht werden.

Wir werden erleben, wie die am Edelmetallhandel partizipierenden Banken Probleme dabei bekommen werden, nicht konkret zugeordnete Edelmetallkonten in Konten mit konkreter Zuweisung der Metalle umzuwandeln. Auch wird der Wunsch zunehmen, dem Bankensystem die Aufsicht über die Metalle gänzlich zu entziehen.

Vielleicht beginnt einiges davon bereits. Wir wissen es aber nicht wirklich, da Hortende im Gegensatz zu Investoren ihre Absichten nicht bewerben. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass es seit den 80er Jahren an den Märkten zu einem fortwährenden Verschwinden physischer Metalle gekommen ist. Die Geschwindigkeit dieses Trends hat zur selben Zeit zugenommen, als sich das Investmentinteresse und das spekulative Interesse im Gold- und Silberpapiermarkt verstärkten.

Wir haben hier das klassische Beispiel für das Greshamsche Gesetz vorliegen, wo die Investoren an den Papiermärkten mithilfe von Shorts in die Preisdrückung hineinmanipuliert werden, während das Metall aus dem Handelskreislauf verschwindet.

Der technischen Analyse zu vertrauen ist also ein Fehler, der mit Sicherheit dazu führt, dass die Mehrheit der Investoren den Einstieg komplett verpassen wird, weil sie weiterhin so denken wird wie Investoren.

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