Jeff Clark, Casey Research, 17.02.2011
In letzter Zeit gab es eine ganze Reihe von Berichten aus verschiedenen Gebieten der Welt bezügliche einer Verknappung physischen Edelmetalls. Begleitet wurden diese Berichte von Meldungen über steigende Aufpreise.
Hierfür gibt es nun zwei mögliche Erklärungen: Die eine ist, dass das Gold ausgeht, wir also ein Angebotsdefizit vorliegen haben, und die andere, dass es sich hierbei lediglich um einen fertigungsbedingten Kapazitätsengpass handelt. Welche Erklärung ist nun richtig?
Zunächst erst einmal die Daten. Die nachfolgenden Meldungen kamen seit Anfang des Jahres herein:
1. Bericht aus China: „…die Aufpreise bei Goldbarren stiegen auf ihr höchsten Niveau innerhalb von 2 Jahren.“
2. Ein Direktor bei Cheong Gold Dealers in Hong Kong: „Ich habe kein Gold. Die Aufschläge sind sehr hoch. Einige sagen, dass sie keine Bestände vorrätig haben.“
3. Ein Händler in Singapur: „Es gibt einen plötzlichen starken Nachfrageanstieg. Die Nachfrage aus China ist sehr stark und sie zahlen sehr hohe Aufschläge. Die Raffinerien können die Nachfrage nicht bedienen.“
4. Der World Gold Council berichtet: „…Indiens Goldimporte haben im vergangenen Jahr aufgrund einer erhöhten Investmentnachfrage wahrscheinlich einen Rekordstand erreicht. Es werden wohlmöglich die höchsten jemals in der Geschichte Indiens verzeichneten Importe sein.“
5. Nigel Moffatt, der Schatzmeister der Perth Mint: „…die Nachfrage nach Goldbarren ist ungebrochen, seit Gold unter die Marke von USD 1.400 pro Unze sank. Gegenwärtig ist die Nachfrage so, dass wir nicht alle eingehenden Anfragen bearbeiten können. Die Nachfrage nach unseren Münzen und Medaillen ist stark, aber die größte Nachfrage kommt von den Banken und Händlern, die auf der Suche nach Kilo-Barren sind.“
6. Eric Sprott, der Geschäftsführer von Sprott Asset Management, erklärte bezüglich der Probleme, Silber für seinen neuen Silberfonds zu erhalten: „Ehrlich gesagt, sind wir über die Illiquidität im physischen Silbermarkt besorgt. Wir glauben, die Verzögerungen bei der Auslieferung physischen Silbers an den Trust unterstreichen, dass der Papiermarkt und der physische Silbermarkt voneinander abgekoppelt sind.“
7. 2010 konnte man die meiste Zeit über keine Buffalo Goldmünzen von den Edelmetallhändlern erhalten.
8. Die Verkäufe der 1-Unze Silberanlagemünze Silver Eagle erreichten im Januar 2011 einen neuen Rekord – und zwar bereits am 19. des Monats. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden über 4,6 Millionen Münzen verkauft. Insgesamt wurden im Januar 2011 über 6,4 Millionen Silver Eagles verkauft – das ist ein Allzeithoch, seit die Münze erstmalig im Jahre 1986 aufgelegt wurde.
Alleine aufgrund dieser Daten könnte man zu der Schlussfolgerung gelangen, dass es in der Tat eine Unterversorgung bei physischen Edelmetallen gibt. Aber die meisten Geschäftsführer aus der Branche, mit denen ich darüber sprach, beharren darauf, dass es sich hierbei um ein einen Kapazitätsengpass handeln würde: Die aktuelle Nachfrage ist größer als die aktuellen Lagerbestände, bzw. gehen die Anfragen schneller ein, als die Prägeanstalten produzieren können. Mit anderen Worten: Es ist ein Fertigungsproblem und kein Angebotsdefizit.
Sicherlich werden Sie sich auch noch an das Jahr 2008 erinnern, wo es ebenfalls schwierig war, an Edelmetalle zu gelangen, und die Aufschläge ungefähr doppelt so hoch waren wie heute. Einige glauben, dass man daraus „die richtigen Lehren gezogen hat“; die Prägeanstalten wissen jetzt, wie man sich auf einen erneuten Nachfrageschub einstellt. Viele haben zusätzliche Mitarbeiter eingestellt, arbeiten im Mehrschichtbetrieb oder mit unterschiedlichen Anlagen. Die US-Prägeanstalt, US-Mint, hat die Herstellung von Münzen mit geringerer Beliebtheit eingestellt und konzentriert sich nun auf jene, die am meisten nachgefragt werden.
Ich glaube, dass die aktuellen Vorgänge zum überwiegenden Teil auf einen Kapazitätsengpass zurückzuführen sind. Das ist genauso, wie wenn ein Geschäft, das altmodische Holzschaukelstühle vertreibt, plötzlich von Kunden gestürmt wird, da ein Antiquitätenhändler verkündete, dass sie irgendwann in der Zukunft wertvolle Sammlerstücke sein werden. Die Sammler stürmen los und wollen die Schaukelstühle kaufen, aber das Geschäft hat nicht genügend auf Lager. Natürlich ist ihnen nicht das Holz ausgegangen. Und wahrscheinlich sind sie das nächste Mal auch besser auf den Ansturm vorbereitet, wenn sie hören, dass der Antiquitätenhändler wieder mit etwas neuem rauskommt.
Ja es ist wahr, es gibt nur eine begrenzte Menge an Gold, die jedes Jahr neu auf den Markt gelangt. So lag die Gesamtproduktion des Jahres 2010 schätzungsweise bei rund 115 Millionen Unzen. Doch schaut man aufs große Ganze, so war diese Menge eigentlich ausreichend gewesen. Es ist ebenfalls wahr, dass die Bestellungen des Jahres 2008 letztendendes doch alle ausgeliefert wurden.
Dennoch glaube ich, dass man einen wichtigen Aspekt übersieht, wenn man sich nur darauf konzentriert, ob es sich hier um einen „Kapazitätsengpass“ handelt oder ob „das Gold ausgeht“, da sich beides auf die Angebotsseite konzentriert.
Die Nachfrage ist es, was mir Sorgen bereiten würde. Schauen Sie doch einmal auf die Daten hier:
1. Laut der International Strategy and Investment Group repräsentiert der Goldbesitz aktuell 0,6% aller weltweiten Finanzvermögenswerte. Sollte dieser Anteil auf lediglich 1,5% steigen – also gerade einmal auf die Hälfte des Niveaus des Jahres 1980 – würde dies zusätzlicher 917,1 Millionen Unzen Gold bedürften, was 16% der weltweiten Gesamtbestände oder der Goldminenproduktion über einen Zeitraum von 10 Jahren entspricht.
2. Im Jahre 1979 wurden 53% aller Goldkäufe aus Investmentgründen getätigt. Heute beläuft sich dieser Prozentsatz gerade einmal auf 32%. Die Nachfrage nach Münzen erreichte 1979 einen Anteil von 37% der Gesamtnachfrage, heute sind es unter 14%.
3. 1981 repräsentierten Gold und Goldaktien 26% aller weltweiten Vermögenswerte. Im Jahre 1932 belief sich dieser Anteil auf 20%. Beide Phasen waren durch eine hohe Inflation gekennzeichnet. Heute stellen Gold- und Goldminenaktien rund 1% aller weltweiten Vermögenswerte.
4. Die Marktkapitalisierung der gesamten Goldbranche entspricht ungefähr der Größe von Microsoft, ist kleiner als die von Exxon Mobil und ist 10 Mal kleiner als die Bankenbranche. Die Marktkapitalisierung der gesamten Silberbranche ist kleiner als die von Starbucks.
5. Die Silberminenproduktion ist nicht ausreichend, um die aktuelle Nachfrage zu befriedigen. Die einzige Möglichkeit, die Silbernachfrage bedienen zu können, besteht darin, alte Silberbestände und Silber aus Technikschrott zu recyceln. Die Minen sind jedenfalls nicht in der Lage, ausreichend Silber zu produzieren.
6. Es gibt aktuell rund 40% mehr Menschen auf dem Planeten, als jemals Unzen an Gold zu Tage befördert wurden. Hierunter fällt auch jede Unze Gold, die für die Herstellung von Schmuck, Elektronik und Zähnen verwendet wurde. Wenn man jede Unze Gold der Gesamtgoldproduktion des Jahres 2010 in Münzen und Barren verwandelt hätte, um sie für Investmentzwecke auf den Markt zu bringen, beliefe sich die auf die Weltbevölkerung heruntergebrochene Prokopfmenge auf weniger als Zweihundertstel einer Unze, oder rund ein halbes Gramm pro Kopf. Das heißt, dass in 2011 nur jeder 55. Mensch, also 0,018% der Weltbevölkerung, eine 1-Unze Goldmünze kaufen kann.
Ja es gibt Kapazitätsengpässe. Aber angesichts des jüngsten Nachfrageanstiegs scheint es so, als wären die Münzprägeanstalten mittlerweile darauf vorbereitet, mit diesen Nachfrageschüben Schritt zu halten. Nähern wir uns gerade einem entscheidenden Wendepunkt, wo die Nachfrage der Käufer die Edelmetallversorgung trotz einer erhöhten Effizienz und Vorbereitung zusammenbrechen lassen wird?
Stellen Sie sich vor, die Nachfrage beschleunigt sich auch weiterhin – dann können Sie sich ausmalen, wo die Reise hingeht. Ich denke, die Nachfrageseite, ist die Seite, die man bei dieser Gleichung genauer betrachten sollte.
Andy Schectman von Edelmetallhändler Miles Franklin erklärte mir vergangenen Sommer: „Basierend auf dem, was ich weiß, gehe ich davon aus, dass, würde 5% unseres Landes 5% ihres Geldes in Gold investieren, am nächsten Morgen nichts mehr übrig sein würde.“ Mit anderen Worten: Selbst wenn die Versorgungslage gegenwärtig ausreichend ist, stellt sich immer noch die Frage, was passiert, wenn sich die Nachfrage, sagen wir, verdoppeln würde, was anhand der vorstehenden Daten ja als durchaus möglich veranschaulicht wurde.
Und stellen Sie sich vor, was passiert, wenn Doug Casey bezüglich seiner Prognose, dass der künftige Wert des US-Dollars in Richtung Null geht, Recht behält. Stellen Sie sich vor, wie die Inflation in einem derartigen Szenario explodieren würde. Dann treffen Kapazitätsengpass und Hoffnungslosigkeit aufeinander.