Die Zentralbanken der westlichen Länder haben mit ihren Gelddruckmaßnahmen die Regierungsfinanzen geschönt und das Bankensystem am Leben gehalten. Die Märkte werden jetzt jedoch Zinsanstiege erzwingen, die plötzlich eintreten und brutal ausfallen werden
Alasdair McLeod, Finance and Economics, 07.03.2011
Die Schonzeit niedriger Zinssätze gelangt nun an ihr Ende, und wir können damit rechnen, dass die Zinsen in absehbarer Zukunft weiter steigen werden. Für die westlichen Wirtschaften und ihre Bankensysteme geschieht dies zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt.
Die Preise für landwirtschaftliche Güter steigen bereits seit geraumer Zeit. Die Zentralbanken haben erklärt, dass spezielle Ursachen für diese Preisanstiege verantwortlich zu machen seien, und gesagt, sie würden einen viel zu kleinen Teil des Verbraucherpreisindexes abbilden, als dass man sich darum Sorgen machen müsste.
Zu dieser Unannehmlichkeit kann man nun noch die politischen Revolutionen im Nahen Osten und deren Auswirkungen auf die Energiepreise hinzunehmen. Vielleicht ist es genau diese Entwicklung, die den Chef der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, vergangene Woche dazu veranlasste, aus der Reihe zu tanzen und einzuräumen, dass die EZB über höhere Zinssätze nachdenken müsse.
Von Herrn Bernanke, dem Chef der Federal Reserve, und Herrn King, dem Chef der Bank of England, hört man solche Eingeständnisse jedoch nicht. Mervyn King streitet ja auch immer noch ab, dass Großbritanniens offizielle Inflationsrate von aktuell über 4% umgehender Eingriffe bedürfe.
Alle drei Zentralbanker sind im Grunde genommen von den Entwicklungen überrascht worden. Sie haben die Inflation ignoriert, während sie mit zwei anderen unmittelbar vorherrschenden Problemen zu kämpfen hatten: Die Finanzierung der Haushaltsdefizite und die Aufrechterhaltung des Bankensystems.
Das sind die Gründe dafür, warum die US-Notenbank und die Bank of England ganz einfach mehr Geld drucken und Regierungsschulden aufkaufen. Was diese Strategie so attraktiv macht, ist, dass man die Kosten der staatlichen Kreditaufnahme dadurch unter die Kosten absenkt, die vom freien Markt abverlangt werden. Auf diese Weise machen die Regierungsfinanzen einen bei weitem besseren Eindruck, als dies ohne diese Interventionen der Fall sein würde. Zur selben Zeit beschert man dem Bankensystem auch eine wertvolle Verschnaufpause.
Demzufolge gelangt Geld in den Kreislauf, das neutralisiert werden muss, will man die Inflation unter Kontrolle halten. Dafür müssen die Zentralbanken einen Großteil der von ihnen angehäuften Staatspapiere wieder am Markt abverkaufen – und zwar zur selben Zeit, wo auch die staatliche Schuldenaufnahme mit hoher Rate weiter fortgesetzt wird.
Dies zwingt die Regierungen wiederum bezüglich der Ersparnisse des privaten Sektors mit den Zentralbanken in einen Wettstreit zu treten. Daher wird der Anstieg des Leitzinses gemeinsam mit dem Anstieg der Renditekurve ganz plötzlich eintreten und brutal ausfallen. Theoretisch hört dieser Anstieg erst wieder auf, wenn genügend Konsumausgaben – angelockt durch höhere Zinssätze – in Ersparnisse umgewandelt wurden.
Das dies genau jetzt passiert, wo die Wirtschaften so fragil sind, ist das letzte, was die Zentralbanken gebrauchen könnten. Jegliche Hoffnung auf eine Wirtschaftserholung würde rasch durch die Erwartung einer Abschwächung ersetzt werden, was überall zu einer Verschlechterung der Regierungsfinanzen führen würde, da die prognostizierten Steuereinnahmen aufgrund der höheren Zinssätze extrem stark fallen würden. Der plötzliche Zusammenbruch der Regierungsfinanzen würde in beängstigende und alarmierende Nähe rücken.
Die dramatische Preisentwicklung, die bei Edelmetallen beobachtet werden kann, ist vielleicht ein Frühwarnzeichen für diese weiter zunehmenden Risiken. Am Ende hängt die Preisentwicklung von Edelmetallen davon ab, wie stark die Zentralbanken gewillt sind, die Inflation zu kontrollieren.
Doch wenn es nur so einfach wäre: Höhere Zinsen würden den Banken das Genick brechen, da diese immer noch jede Menge riskante Kredite besitzen, die aus der Zeit vor der Kreditkrise stammen.
Und was macht ein Zentralbanker in so einem Fall? Zieht er die Inflation aus dem System ab, während die Regierungen ihre Ausgaben kürzen, oder findet er vielleicht eine andere Möglichkeit, die Märkte zu manipulieren, während die Regierungen bezüglich ihrer sich verschlechternden Finanzen zittern?
Paul Volcker stand vor 30 Jahren vor diesem Problem und entschied sich dafür, die Inflation aus dem System abzuziehen. Dieses Mal ist das Schuldenniveau im privaten und öffentlichen Bereich jedoch eine Nummer größer und die Regierungsausgaben sind aktuell ein bedeutend schwerwiegenderes Problem, als dies zu Beginn der 80er Jahre der Fall gewesen ist.
Für die Sozialdemokratien ist es heutzutage schlichtweg viel zu schmerzlich und einfach undenkbar, sich für Austerität und eine Anhebung des Leitzinses zu entscheiden, um die Inflation so hinreichend unter Kontrolle zu bekommen. Die Märkte beginnen das gerade zu begreifen. Sie sind durch die außer Kontrolle geratenen Energiepreise wachgerüttelt worden.
Obwohl sich die Geschichte niemals exakt wiederholt, gibt es hier Ähnlichkeiten mit den letzten Monaten des Jahres 1973, als die Inflation immer weiter anstieg und die arabischen ölproduzierenden Länder den westlichen Ländern ein Öl-Embargo auferlegten, was zu einem beträchtlichen Anstieg der Energiepreise führte. Dies beschert uns vielleicht die Grundlage, um erahnen zu können, wie die ganze Sache ausgehen wird, wobei im Vergleich zu den 70er Jahren beträchtliche Unterschiede bestehen.
Die US-Inflation beläuft sich aktuell auf rund 5%, was mit den rund 6% zur damaligen Zeit durchaus vergleichbar ist. Der Leitzins liegt heute jedoch nahe null, im Oktober 1973 lag er jedoch bei 7%. Daher könnte ein durch einen höheren Ölpreis verursachter inflationärer Schub heutzutage zu einem wesentlich stärkeren Zinsanstieg führen.
Im Gegensatz zu der jetzigen ernsthaften und sich weiter verschärfenden Situation waren die Regierungsfinanzen damals bei weitem robuster, was auch durch das damalige Wirtschaftswachstum unterstrichen wurde.
Anstatt dass der höhere Ölpreis wie in den 70er Jahren während des Höhepunkt eines Wirtschaftszyklus zum Tragen kommt, geschieht dies heute während einer Phase, in der die Wirtschaften der Industrieländer damit zu kämpfen haben, sich zu erholen.
Die aktuell einsetzende Inflation ist daher vielmehr eine direkte Folge geldpolitischer Entwicklungen, als dass sie auf einen Nachfrageüberhang zurückzuführen wäre. Und dies macht die jetzige Situation auch bedeutend schwieriger als jene im Oktober des Jahres 1973. Die heutige Inflation ist direkt auf die Ausweitung der Geldmenge zurückzuführen, eine Strategie, die aktuell die Grundlage der Wirtschaftpolitik darstellt.
Das Establishment scheint dies jedoch nicht so zu sehen, da es offensichtlich der Meinung ist, dass Inflation nur dann auftreten kann, wenn ein Nachfrageüberhang besteht. Deswegen drücken die Mervyn Kings und Bern Bernankes dieser Welt vielleicht auch ein Auge zu, wenn es um den Inflationsdruck geht, da dieser ihrer Auffassung nach erst in einer späteren Phase des Wirtschaftszyklus auftreten sollte.
Dieses unglückliche Resultat der aktuellen Währungspolitik beschert den Zentralbankern nun ein unangenehmes Dilemma, da die Konsequenzen, sollte man die Druckerpressen stoppen oder verlangsamen, für sie einfach zu grausig und entsetzlich wären, um auch nur darüber nachzudenken.
Die Wahrheit ist, dass es nicht genügend Kreditgeber gibt, außer den Zentralbanken selbst, um die Regierungsdefizite auf den gegenwärtigen Niveaus zu finanzieren. Die Gelddruckerei einfach auszusetzen, würde die Regierungsfinanzen in eine tiefe Krise stürzen und auch den gefeierten keynesianischen und geldpolitischen Theorien entgegenstehen. Es ist also kaum vorstellbar, dass die Zentralbanker die Initiative ergreifen und die Zinssätze anheben werden, um die Inflation unter Kontrolle zu bringen.
Die aktuelle Inflationsphase köchelt bereits seit der Lehman-Pleite, als die US-Notenbank ihre Bilanz das erste Mal dramatisch ausdehnte, um das amerikanische Bankensystem zu retten. Seitdem bestand die Strategie darin, dass man sich einfach weiter durchwurschtelt und mithilfe der Gelddruckerei die Defizite ausgleicht und die Wirtschaft wiederbelebt.
Die Krise im Nahen Osten schiebt diesem Ansatz nun jedoch einen Riegel vor und sorgt dafür, dass den Behörden die Kontrolle über die Märkte entgleitet. Die Märkte werden die Zinssätze gegenüber den inflationierenden Regierungen ganz einfach immer weiter anheben, ob die Regierungen dies nun gut finden mögen oder nicht. Auch ihre Währungen werden darunter zu leiden haben, sollten die Zentralbanken hier nicht rechtzeitig handeln.
Zu guter Letzt werden die Märkte die Regierungen zwingen, der Realität ins Angesicht zu blicken, was diese so vehement vermeiden wollten.
Auf die Preise von Vermögenswerten dürfte dies dramatische Auswirkungen haben. Die Aktien- und Anleihemärkte spiegeln gerade einen Zinssatz von 0% wider und werden daher schwer getroffen werden. Immobilien sind ähnlich anfällig, da die Hoffnungen darauf, dass die zu stark kreditfinanzierten Eigenheimbesitzer sich ihre Hypotheken und die Gewerbemieter sich ihre Mieten leisten können, schwinden werden.
Das wird dazu führen, dass die von den Banken in ihren Kreditbüchern gehaltenen Sicherheiten weiter ausgehöhlt werden, was das Überleben des Bankensystems in Frage stellt.
Die neue Phase heißt Stagflation, ganz einfach. Die Vermögenswerte fallen, während die Preise für Güter steigen. Es ist eine Entwicklung, die einigen von uns bereits klar war, als man nach der Kreditkrise damit anfing, die Druckerpressen anzuwerfen. Da die Behörden gerade die Kontrolle über die Märkte verlieren, wird dies nun auch immer größeren Teilen der Öffentlichkeit bewusst werden.