Der Chef der chinesischen Zentralbank erklärte jüngst, dass die Devisenbestände viel zu hoch seien, während in Xinhua, der staatlichen Nachrichtenagentur Chinas, erste Meldungen die Runde machen, China müsse seine Devisenreserven um zwei Drittel reduzieren
Thomas R. Eddlem, The New American, 25.04.2011
Der Vorsitzende der chinesischen Zentralbank, Zhou Xiaochuan, erklärte vergangene Woche auf einer Konferenz über geldpolitische Fragen in China, dass die „Devisenreserven ein vernünftiges Niveau, über das unser Land eigentlich verfügen muss, überschritten haben“, was verschachtelt formuliert im Grunde genommen heißt, dass China in Zukunft keine US-Schulden mehr kaufen wird.
Im März dieses Jahres überstiegen Chinas Devisenreserven die Marke von USD 3 Billionen, wobei mehr als USD 1 Billion davon US-Staatsschulden sind. Es könnte daher gut sein, dass Amerikas nationale Kreditkarte nun ausgereizt ist.
Andere chinesische Behördenvertreter erklärten, dass China einen Großteil seiner Reserven abstoßen müsse. „Die Menge an Devisenreserven sollte auf USD 800 Milliarden bis USD 1,3 Billionen begrenzt werden,“ berichtete Chinas staatliche Nachrichtenagentur Xinhua am 23.04.2011 unter Berufung auf Tang Shuangning, den Vorsitzenden der zig Milliarden schweren Investmentgruppe China Everbright Group.
China hat in den letzten Jahren ausländische Währung gekauft und versucht die inländische Kreditvergabepraxis einzudämmen, um die Inlandsinflation zu bekämpfen.
Die wirtschaftliche Bedeutung einer möglichen Aussetzung der chinesischen Käufe von US-Staatsanleihen kann kaum unterschätzt werden. Die lockere Geldpolitik der Federal Reserve – eine Nullzinspolitik und ein Programm der „quantitativen Lockerung“, bei dem US-Staatsschulden in Höhe von USD 600 Milliarden aufgekauft werden – hat seit 2008 zu einem dramatischen Anstieg der im Umlauf befindlichen Geldmenge geführt.
Wenn eine immer größere Menge an US-Dollars einer fixen Menge an Waren hinterherjagt, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bevor die Preise dementsprechend steigen (genauer: bevor der Dollar dementsprechend fällt). Die chinesischen Käufe von US-Dollars dienten in den USA lange Zeit, wenn auch nur vorübergehend, als Inflationsschutz, da so Dollars aus dem Geldkreislauf genommen wurden.
Selbst wenn die Chinesen nicht planen würden, ihre Aufkäufe von US-Staatsanleihen auszusetzen, dürfte auf die US-Verbraucher dennoch eine moderate bis schwerwiegende Inflation zukommen. Und in der Tat bekommen die Amerikaner nun bereits einen ersten Vorgeschmack von der kommenden Welle der Preisinflation.
So haben die meisten US-Bürger bereits am eigenen Leibe zu spüren bekommen, dass der Benzinpreis innerhalb der letzten paar Monaten explodiert ist, und das obwohl es überhaupt keine Versorgungsausfälle oder Nachfragespitzen beim Öl gegeben hat.
Aber Rohöl steht nicht alleine da. Alle wichtigen Rohstoffindizes sind innerhalb der vergangenen 12 Monate im Schnitt um 30% bis 40% gestiegen. Gold kletterte vergangene Woche auf einen Preis von über USD 1.500 pro Unze und Silber kletterte seit 2008 von USD 9 auf USD 47 pro Unze. Auch andere Rohstoffe, von Mais bis hin zu Weizen, sind im vergangenen Jahr kräftig gegenüber dem Dollar gestiegen.
Der Anstieg bei den Rohstoffpreisen gehört zu einer nun einsetzenden Flucht, da sich immer mehr Investoren aus dem US-Dollar verabschieden, den sie nicht mehr für wertstabil halten. „Was wir erleben, ist eine Flucht in risikoreichere Anlagewerte aus allen Bereichen, und das geht größtenteils zu Lasten des US-Dollars,“ so Omer Esiner, der Chefanalyst der in Washington ansässigen Firma Commonwealth Foreign Exchange, am 20.04.2011 gegenüber dem Wall Street Journal.
In der Ära der Stagflation in den 70er Jahren gab es bereits eine Flucht aus dem Dollar, wie der legendäre Investor Jim Rogers, der Vorsitzende der Rogers Holding, am 28.02.2011 gegenüber Bloomberg zu bedenken gab: „In den 70er liefen die meisten Aktien nicht besonders gut. Die einzigen Aktien, die gut liefen, waren Rohstoffaktien. Und das wird jetzt wieder passieren.“
Die kanadische Finanzzeitung Financial Post merkte am 20.04.2011 dazu an:
„Der Weg, den die Weltreservewährung vor sich hat, dürfte weiterhin steinig sein – und zwar solange, bis die US Federal Reserve andeutet, dass die US-Wirtschaft robust genug ist, um eine Leitzinsanhebung zu verkraften.“
Es gibt jedoch nur wenige Analysten, die davon ausgehen, dass die Federal Reserve in nächster Zeit eine Anhebung des Leitzinses durchführen wird.
Chinas Auslandsverschuldung, also die Schulden, die von anderen Ländern gehalten werden, erhöhte sich im vergangenen Jahr um rund 28%. Der Unterschied zwischen der chinesischen und US-amerikanischen Auslandsverschuldung besteht jedoch darin, dass mehr als 70% der chinesischen Auslandsschulden Unternehmenskredite sind, die der Gründung oder der Erweiterung von Firmen dienen, während ein Großteil der US-amerikanischen Auslandsschulden Konsumentenkredite sind.
Die US-Auslandsverschuldung beläuft sich auf fast 100% des Bruttoinlandsprodukts, bei China liegt dieser Prozentsatz gerade einmal im einstelligen Prozentbereich des BIP.