Ursprünglich gehörten zur EU-Staatsschuldenkrise vier Länder – die sogenannten PIGS-Staaten. Durch die Herabstufung der Kreditwürdigkeit Italiens tritt die Schuldenkrise nun jedoch in eine gefährliche neue Phase ein. Italien ist der drittgrößte Anleihemarkt der Welt mit einer Wirtschaft, die so groß ist, wie die Wirtschaften aller vier anderen Pleiteländer zusammengenommen

Bruce Walker, The New American, 21.09.2011

Die Staatsschuldenkrise der Europäischen Union nähert sich nun einer kritischen Phase. Die Renditen auf kurzlaufende griechische Staatsanleihen sind jüngst auf 60% geschossen, was auf eine extrem hohe Wahrscheinlichkeit deutet, dass das Land die Zahlungsunfähigkeit ausrufen wird. Und obwohl Portugal und Spanien – zwei weitere der sogenannten PIIGS-Staaten der EU – vorübergehend vom Radar verschwunden sind, hat keines dieser beiden Länder seine fundamentalen Probleme lösen können.

In Finnland, dem einzigen skandinavischen Land der Eurozone, konnte die Partei der Wahren Finnen einen bemerkenswerten Wahlerfolg einfahren, und das obwohl ihr Wahlprogramm größtenteils nur darauf beruhte, den verschwenderischen Rettungen der EU-Länder, deren Haushaltsdefizite eine vollständige Rückzahlung ohne Hilfe Dritter unwahrscheinlich machen, ein Ende zu bereiten. Die anderen skandinavischen Länder waren bereits in den vergangenen Jahren immer zurückhaltender geworden, was einen möglichen Eintritt in die Eurozone anbelangt.

Zur Staatsschuldenkrise gehörten ursprünglich einmal vier Länder, die sogenannten PIGS-Staaten: Portugal, Irland, Griechenland und Spanien. Was für all jene, die versuchen, die wirtschaftlichen Probleme der EU zu lösen, nun besonders beunruhigend ist, ist die Tatsache, dass Italien mittlerweile zu dieser Gruppe mit dazugehört, weshalb sie auch unter dem Namen PIIGS bekannt ist.

Abhängig davon, welche Methode man zur Ermittlung des Bruttoinlandsprodukts heranzieht (die des IWF, der Weltbank oder der CIA), entspricht das BIP Italiens mehr oder weniger dem aller vier anderen ursprünglichen PIGS-Länder zusammengenommen (rund USD 1,4 Billionen). Italien ist die siebtgrößte Wirtschaft der Welt, die viertgrößte Wirtschaft Europas und nach Deutschland und Frankreich die drittgrößte Wirtschaft in der Eurozone.

Und wie bei den anderen PIIGS-Ländern liegt auch das italienische Wirtschaftswachstum darnieder. Im letzten Quartal belief sich das Wachstum auf 0,8%. Portugal vermeldete zuletzt ein quartalsmäßiges Wachstum von -0,9%. Irland hält sich mit 0,1% ein klein wenig besser, die irische Wirtschaft wächst also, wenn auch nur im mikroskopisch winzigen Bereich. Griechenland ist mittlerweile bereits auf Junk-Status herabgestuft wurden, und meldete ein Quartalswachstum von -5,4%. Bei Spanien waren es 0,7% Wachstum.

Wie schlecht sind diese Zahlen? Die amerikanische Wirtschaft – deren Zustand jeder als entsetzlich beschreibt – hatte mit einem Plus von 1,4% im letzten Quartal ein bedeutend besseres Wachstum zu verzeichnen als die PIIGS-Länder der EU. Was die Sache im Falle Italiens besonders schlimm macht, ist der Umstand, dass das BIP im Jahre 2009 massiv einbrach.

Obwohl auf den ersten Blick der Eindruck entsteht, dass sich die italienische Wirtschaft verbessert, gibt es in Wirklichkeit keine „Erholung“ , da die aktuellen Wachstumsraten weit unter den Niveaus liegen, die benötigt würden, um wieder auf das BIP von vor zwei Jahren zu gelangen. Darüberhinaus ist bedeutsam, dass sich die italienische Staatsverschuldung auf 120% des BIP beläuft – das ist die zweithöchste Verschuldung der Eurozone.

Den Kreditratingagenturen ist das nicht entgangen. Am 19.09. stufte Standard & Poor´s die Kreditwürdigkeit italienischer Staatsanleihen von A+ auf A und erklärte:

„Wir sind der Meinung, dass der bisherige Rückgang der Wirtschaftsaktivität Italiens es für die Regierung schwierig machen wird, die revidierten fiskalischen Ziele zu erreichen. Des Weiteren legt das, was wir als eine zögernde politische Reaktion der italienischen Regierung auf den jüngsten Druck seitens des Marktes erachten, nahe, dass es im Hinblick auf die Mittel, wie die wirtschaftlichen Herausforderungen Italiens anzugehen sind, auch in Zukunft politische Unsicherheiten geben wird.“

Die Finanzanalysten hatten zwar mit einer Herabstufung der italienischen Kreditwürdigkeit gerechnet, doch ist man eigentlich davon ausgegangen, dass diese durch die Kreditratingagentur Moody´s durchgeführt würde, die Italien bereits im Juni auf ihre „Prüfungs-“-Liste setzte. Paola Biraschi, eine Bankanalystin der Royal Bank of Scotland aus London, sagte:

„Die Herabstufung des Ratings kam nicht völlig unerwartet, obwohl sie von einer Agentur kam, mit der wir nicht gerechnet hatten. Es scheint mir wie ein Wettbewerb unter den Ratingagenturen zu sein, die Herabstufung als erstes zu veröffentlichen.“

Obwohl die neue Bonitätsnote Italiens immer noch fünf Stufen über dem Junk-Status liegt, dürfte das jene, die besorgt auf die Situation der Eurozone schauen, nur wenig beruhigen.

Gary Jenkins von Evolution Securities bezeichnete die Herabstufung als „sehr schädlich“. Die Absenkung des Ratings bedeutet, dass das Land auf seine kurz-, mittel- und langfristigen Staatsanleihen in Zukunft höhere Zinsen zu entrichten hat. Nicholas Spiro von Spiro Souvereign Strategie in London stimmte dem zu:

„Das sind nicht mehr nur schlechte Meldungen, die aus der Eurozone kommen, vielmehr ist es die Bestätigung, dass der drittgrößte Anleihemarkt der Welt und die drittgrößte Wirtschaft der Eurozone der Gefahr ausgesetzt sind, einem sich selbsterfüllenden Vertrauensverlust zum Opfer zu fallen.“

Sony Kapoor von der internationalen Denkfabrik Re-Define stellt fest:

„Italien ist jetzt in einer sich selbsterfüllenden Abwärtsspirale gefangen, aus der es sich ohne externe Hilfe wahrscheinlich nicht wird befreien können. Ohne das volle Vertrauen in die Kreditwürdigkeit Italiens ist es nicht möglich, volles Vertrauen in die Solvenz des europäischen Bankensystems zu haben.“

Italiens Premierminister Silvio Berlusconi ging die Kreditratingagenturen an und sagte: „Die Einschätzung von Standard & Poor´s scheint mehr von Zeitungsmeldungen als von Realitäten geleitet zu sein.“ Der französische Außenminister Alain Juppé scheint diese Haltung zu unterstützen und sagte: „Wir sollten uns dieser Diktatur der Ratingagenturen nicht beugen, deren Transparenz dringend verbessert werden muss.“

Da die Banken der Eurozone – speziell die in Frankreich – einen erheblichen prozentualen Anteil der italienischen Staatsschulden in ihren Portfolien halten, führt eine Abwertung italienischer Staatsanleihen europaweit zu einer Wertminderung der von den Banken gehaltenen Vermögenswerte, was in Mitgliedsstaaten wie Frankreich zu Welleneffekten führt und die Krise zu ihnen trägt. Es könnte also sein, dass Euromitgliedsländer, die heute noch in der Lage sind, sich über Wasser zu halten, aufgrund der Abwertung italienischer Anleihen nach unten gezogen werden.

Auch erhöht die Abwertung italienischer Staatsanleihen die Wahrscheinlichkeit einer Staatspleite. Die Rendite auf 10-jährige italienische Staatsanleihen ist auf über 5,6% gestiegen, während die Kreditausfallversicherungen für diese Anleihen ebenfalls steil nach oben kletterten.

Künftig wird die italienische Regierung mehr Steuereinnahmen aufwenden müssen, um die weiter steigenden Anleihezinsen zu bedienen. Es kann sein, dass sich Moody´s der Standard & Poor´s Herabstufung anschließt, was die Schuldenbedienung noch teurer machen würde. Standard & Poor´s hat angedeutet, dass die italienischen Anleihen sogar noch weiter heruntergestuft werden könnte.

Die italienische Schuldenkrise hat eine Schwerpunktverlagerung der europäischen Rettungsmaßnahmen zur Folge. Dadurch, dass Italien nun mit zu den PIIGS-Staaten gehört, ist auf einmal ein bedeutender prozentualer Anteil der gesamten Eurozone der Gefahr des Staatsbankrotts ausgesetzt.

Die noch verbliebenen, sich wirtschaftlich über Wasser haltenden Eurozonenländer fangen gerade damit an, sich verstärkt mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Vorteile ihnen die Europäische Union und die europäische Einheitswährung eigentlich noch bieten. Und wer soll sie eigentlich retten, wenn das Kartenhaus schlussendlich zusammenbricht?

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