Die Euro-Krise verfügt über das Potenzial, das globale Bankensystem und die europäische Einheitswährung in Schutt und Asche zu legen. Der drohende Staatsbankrott Griechenlands erinnert doch sehr an das Derivate-Desaster von AIG im Jahre 2008, wo das Bankensystem am Rande des Abgrunds stand und das US-Finanzministerium sich gezwungen sah, mit Steuerzahlergeldern einzuspringen

David Chapman, MGI Securities, 03.11.2011

Es ist wenig überraschend, dass der Euro ein Spiegelbild des US-Dollars ist. Der Wert des Euros fließt mit einer Gewichtung von 57% in den US-Dollarindex ein. Daher ist es ganz einfach so, dass der Euro immer dann steigt, wenn der US-Dollar fällt, und wenn der Euro fällt, steigt der US-Dollar.

Nach dem US-Dollar ist der Euro die am meisten gehandelte Währung der Welt. Der Euro ist auch die zweitgrößte Reservewährung, und während alle Zentralbanken auf dem Planeten US-Dollarbestände als Weltreservewährung halten, verfügen die meisten, wenn nicht gar alle von ihnen auch über Euros. Es wird davon ausgegangen, dass 27% der weltweiten Zentralbankreserven Euros sind. Zu den anderen Reservewährungen zählen der japanische Yen, das britische Pfund und der Schweizer Franken.

Der Euro ist die offizielle Währung der Eurozone. Er wird in 17 der 27 Mitgliedsländer der Europäischen Union und den Institutionen der Europäischen Union verwendet. Der Euro wird darüber hinaus noch in fünf weiteren europäischen Ländern genutzt, auch im umstrittenen Kosovo, wobei all diese Länder keine Mitglieder der Europäischen Union sind.

Es gibt noch 23 weitere Länder und Territorien, die ihre Währungen an den Euro gekoppelt haben. Hierzu gehören 14 afrikanische Länder, zwei afrikanische Inselstaaten, drei französische Territorien im Pazifik und ein portugiesisches Territorium im Atlantik.

Einige EU-Mitgliedsländer, die nicht in der Eurozone sind, haben ihre Währungen ebenfalls an den Euro gekoppelt. Hierzu gehören Bulgarien, Dänemark, Litauen und Lettland. Jüngst hat auch die Schweiz ihren Franken an den Euro gekoppelt.

Der Euro wird von der Europäischen Zentralbank und dem Eurosystem – das sich aus den Zentralbanken der Eurozonenländer zusammensetzt – verwaltet und ausgegeben. Die Eurozonenländer sind dazu verpflichtet, bestimmte geldpolitische und haushaltspolitische Kriterien zu erfüllen – und genau hier liegt auch das Problem. Nicht alle Staaten halten sich an diese Kriterien, die bekanntesten unter ihnen sind Griechenland, Italien, Portugal, Irland und Spanien.

Euro-Chart (2006 - 2011) - Zum Vergrößern anklicken.

Das Problem besteht darin, dass, obwohl die EZB eigentlich die Zentralbank der Eurozone sein soll, die Eurozonenländer zum Zwecke der Aufrechterhaltung ihrer nationalen Souveränität ebenfalls alle noch über eine eigene Zentralbank verfügen. Das ist ungefähr so, als hätten alle kanadischen Provinzen ihre eigene Zentralbank, obwohl die kanadische Bundesregierung mit der Bank of Canada ja bereits über eine eigene Zentralbank verfügt.

Diese Tatsache hatte in der Vergangenheit einen Mangel an Kontrolle zur Folge, da die einzelnen Eurozonenländer oftmals ihren eigenen Weg gegangen sind, wenn es um geldpolitische Maßnahmen in ihren Ländern ging.

Wirtschaftlich schwächere Länder wie Italien oder Griechenland versuchten über ihre Zugehörigkeit zur europäischen Währungsunion ihren Lebensstandard (Renten, Gehälter usw.) schnell dem Lebensstandard der wirtschaftlich stärkeren Länder wie Deutschland und Frankreich anzugleichen. Es handelt sich hierbei um einen entscheidenden Konstruktionsfehler, der die europäische Währungsunion von Beginn an begleitet hat.

Die europäischen und die großen nordamerikanischen Banken zögerten keine Sekunde, den einzelnen Mitgliedsländern aufgrund ihrer Einbettung in die Eurozone Kredite zu geben, da sie glaubten, ihre Kreditwürdigkeit sei irgendwie an die Kreditwürdigkeit der stärksten Eurozonenländer wie Deutschland und Frankreich gekoppelt.

Nun steht die Eurozone kurz vor einem möglichen Staatsbankrott Griechenlands, was in anderen Ländern, besonders in Italien und Spanien zu wesentlich größeren Problemen führen könnte. Griechenland selbst ist nur ein kleiner Bestandteil der Eurozone – Italien und Spanien gehören hingegen zu den großen Wirtschaften. Beide Wirtschaften haben ein BSP von jeweils mehr als USD 1 Billion.

Hier kommt auch noch hinzu, dass die Banken Kreditausfallversicherungen (CDSs) verkauft haben, diese aber nur dann fällig werden, wenn Griechenland auch wirklich zahlungsunfähig ist. Die Frage ist dann, wer diese Kreditausfallversicherungen besitzt und ob sie auch bedient werden können, wenn sie fällig werden. Diese Frage ist bisher völlig ungeklärt.

Einige Experten haben darauf hingewiesen, dass man weder in der Lage ist, zu sagen, wie hoch das CDS-Risiko genau ist, noch weiß man, wer sich eigentlich im Besitz dieser Kreditausfallversicherungen befindet. Nun ja, irgendwer – vielleicht die Regulierungsbehörden? – wird es schon wissen, aber verraten wird es uns zumindest von niemanden.

Laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIS) beliefen sich die ausstehenden Kreditausfallversicherungen mit Stand Dezember 2010 nominell auf USD 29,9 Billionen. Diese Papiere hatten zu jener Zeit einen Bruttomarktwert von USD 1,4 Billionen. Die BIS meldete, dass der Nominalwert nicht regulierter (OTC-)Derivate mit Stand Dezember 2010 bei USD 601 Billionen lag. Das weltweite Bruttosozialprodukt beläuft sich auf rund USD 52 Billionen.

Die USA hatten ja bereits während der Finanzkrise des Jahres 2008 herausgefunden, dass AIG ein großer CDS-Emittent gewesen ist. Als dann von AIG verlangt wurde, die fälligen Kreditausfallversicherungen auszuzahlen, hatte dies die Auslöschung ihres Eigenkapitals zur Folge. Das brachte wiederum das Bankensystem an den Rand des Abgrunds, und das US-Finanzministerium sah sich gezwungen, die Banken mit Steuerzahlergeldern zu retten.

Die aktuelle Situation ähnelt in hohem Maße der Phase, wo Lehman Brothers zusammenbrach, nur dass eine Staatspleite Griechenlands dieses Mal das gesamte weltweite Bankensystem zum Einsturz bringen könnte, was für alle großen Wirtschaftsräume negative Auswirkungen mit sich bringen würde.

Die nun noch verbliebenen Möglichkeiten sind krass: Da haben wir zunächst einmal die Zinssenkung – die Europäische Zentralbank hat den Leitzins gerade erst auf 1,25% abgesenkt – und weitere quantitativen Lockerungsmaßnahmen (QE), was der offizielle Begriff für „Gelddrucken“ ist.

Einige Beobachter erklärten, dass QE die einzige Lösung sei. Das könnte sich für den Aktienmarkt in der Tat als ziemlich positiv herausstellen, und Gold würde in diesem Falle natürlich bedeutende Preisanstiege verzeichnen. Darüber hinaus würde QE aber auch eine Geldinflation vom Zaum reißen, von der einige behaupten, dass sie am Ende in die Hyperinflation führen würde.

Und genauso, wie die Eurokrise ständig zwischen einer möglichen Lösung und keiner Lösung hin und her schwankt, gehen auch die Märkte immer wieder hoch und runter. Dasselbe gilt für den Euro. Wenn der Eindruck entsteht, es würde sich eine Lösung abzeichnen, steigt der Euro, falls nicht, fällt er wieder im Wert.

In Wirklichkeit ist die Situation jedoch noch schlimmer, wie man jüngst sehen konnte, als die Japaner vergangene Woche versuchten, den Wert des Yen zu drücken. Die Maßnahmen der Japaner waren nichts weiter als ein kurzes Aufflackern in den Charts, und sie sahen sich dazu genötigt, ihre Idee schnell wieder aufzugeben.

Zurzeit befinden sich alle Fiatwährungen in einem Abwärtswettlauf, da jedes Land den Wert seiner Währung drücken muss, um keine Wettbewerbsnachteile zu erleiden. Darüber hinaus stecken alle großen Wirtschaften (USA, Eurozone, Japan) gegenwärtig inmitten einer Finanzkrise, bei der es nur wenige Optionen gibt und die am Ende in die Zahlungsunfähigkeit oder den Bankrott führen könnte.

Alle jetzigen Maßnahmen sind lediglich darauf ausgerichtet, die Probleme weiter in die Zukunft verlagern, vorübergehende Maßnahmen, mit denen man sich bis zum nächsten Tag retten will. Der Tag der Entscheidung rückt aber immer schneller heran.

Der Euro verfügt im Bereich von USD 1,33 über eine wichtige Stützungslinie. Die langfristige Stützungslinie liegt zwischen USD 1,15 und USD 1,20. Sollte Griechenland die Zahlungsunfähigkeit erklären und aus dem Euro austreten, könnte dies den Anfang des Endes des Euros bedeuten.

Die Europäer suchen weiter nach einem Rettungsplan, doch ist es eher so wie beim Titelbild des Magazins The Economist vom 29.10., wo zu sehen ist, wie die EU-Führer in einem Sieb sitzend zu Wasser gelassen werden. Das globale Bankensystem steht auf dem Spiel.

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