Der Silberexperte David Morgan im Gespräch mit The Gold Report

The Gold Report, 14.12.2011

The Gold Report: David, im August sagten Sie voraus, dass der Silberpreis auf bis zu USD 75 pro Unze klettern könnte. Jüngst lag er bei rund USD 32 pro Unze. Wo befinden wir uns gerade auf dem Weg zu Ihrem Preisziel?

David Morgan: Der Silberpreis wird in 2011 nicht über das Niveau von USD 50 pro Unze klettern. Mit anderen Worten: Wir haben den Preishöhepunkt dieses Jahr bereits vor geraumer Zeit erreicht. In 2012 rechne ich mit einem Silberpreis von über USD 50 pro Unze.

Bis Ende 2012 rechne ich mit einem Silberpreis zwischen USD 65 und USD 75 pro Unze. Ich gehe nicht davon aus, dass es bei Gold und Silber im ersten Quartal 2012 bedeutende Preisschübe geben wird, so wie es saisonal eigentlich der Fall sein müsste.

Typischerweise gibt es im ersten Quartal jeden Jahres einen starken Preisschub. Dieses Jahr bin ich da aufgrund der Ereignisse in der Eurozone und des Hin- und Herschiebens von Papierwerten unter den Zentralbanken aber etwas skeptisch. Mein Ausblick für die nächsten drei Monate ist daher eher etwas reserviert.

TGR: Was halten Sie von den jüngsten Maßnahmen der britischen und kanadischen Zentralbank, sich zusammenzutun und die Märkte mit Liquidität anzukurbeln? Es scheint, als hätte dies dem Goldpreis ein wenig Auftrieb gegeben.

DM: Ja das hat dann etwas von dem, was ich als „alte Schule“ bezeichne. Es verrät zwar mein Alter, aber früher haben wir die US-Geldversorgung immer genauestens im Auge behalten. Und immer wenn es einen bedeutenden Anstieg bei der Geldversorgung gab, spiegelte sich dies auch im Goldpreis wider, da es auf einmal mehr Dollars gibt, die einer begrenzten Menge an Gütern hinterherjagen.

Die aktuellen Ereignisse sind ein Hinweis darauf, dass es keine Lösung ist, die Probleme einfach mit Papiergeld zu übertünchen, und Gold macht auf diesen Umstand lautstark aufmerksam. Auf die Anstiege der Geldmengen M1, M2 oder M3 (letztere wird von der US-Notenbank nicht mehr ausgewiesen) wird heutzutage immer noch geachtet, aber nicht mehr so intensiv wie in den 70er Jahren.

TGR: In der Novemberausgabe des Silver Investor berichten Sie darüber, dass China zu einem bedeutenden Halter von europäischen Schulden avancieren könnte, und erklären, dass, obschon solch eine Umorientierung Chinas US-Staatsanleihebestände bedeutend schmälern würde, es ein weiterer Schritt im Rahmen der chinesischen Bemühungen sei, eine neue, teilweise goldgedeckte Weltwährung zu schaffen. Könnten Sie dies ein wenig erörtern?

DM: China als Nation ist mittlerweile zum Kreditgeber der letzten Instanz geworden, da es über Gelder verfügt, die wieder in Umlauf gebracht werden müssen. Umso mehr Schulden China besitzt, desto mehr Kontrolle übt es über die Schulden aus. Im Falle irgendwelcher Insolvenzverhandlungen würde China über jede Menge Einfluss verfügen.

Vor einem Jahrzehnt fand mal eine Konferenz statt, auf der es um einen goldgedeckten Yuan ging. Die dahinter stehende Idee ist, dass eine goldgedeckte Währung irgendwann in der Zukunft kommen wird. Zurzeit kauft China langsam und in aller Stille Gold auf. Es ist schwer zu sagen, wann China über genügend Gold verfügen wird, um aus dem Yuan eine funktionierende goldgedeckte Währung zu machen. Das ist der Punkt, wo die Insolvenzverhandlungen ins Spiel kommen.

TGR: Glauben Sie, dass es dafür noch Jahrzehnte brauchen wird?

DM: Also so, wie China gegenwärtig Gold kauft, würde es in der Tat Jahrzehnte brauchen, um genügend Metall für einen goldgedeckten Yuan anzuhäufen. Sollte China jedoch einen bedeutenden Teil seines Geldes, also US-Schulden, auf einen Schlag in Gold umwandeln, würde dies dazu führen, dass der Goldpreis über Nacht tausende von Dollars in die Höhe schnellt. Gold würde raketenartig in die Höhe schießen.

Andererseits sitzt China bei den Schulden am längeren Hebel. China erklärt sozusagen: ´USA, ihr schuldet uns dieses Geld und wir werden euch Schulden erlassen. Ihr gebt uns eine bestimmte Menge an Gold und wir streichen einen Teil der von uns gehaltenen US-Schulden.`

Die Chinesen verfügen damit über jede Menge Macht. Wir sollten nicht vergessen, dass der Kreditnehmer immer der Knecht des Kreditgebers ist.

TGR: Sie hatten jüngst Ron Hera´s Bericht „23 Methoden, um die Profite bei Silber-Investments zu steigern“ aufgegriffen. Darin werden Risiken und Wachstumspotenziale gegeneinander abgewogen.

DM: Der beste Platz, wo man sich im Silbermarkt aufhalten kann – also nachdem man eine vernünftige Position physischen Silbers aufgebaut hat – ist im Minenbereich. Und hier muss man eine vernünftige Balance zwischen Risiko und Wachstum finden. Ich mag die mittelgroßen Silberproduzenten, weil sie die größten Wachstumspotenziale ausweisen und das Risiko etwas geringer ist.

TGR: Ron Hera empfiehlt den Investoren, einen Investmentzeitraum von 24 bis 36 Monaten ins Auge zu fassen.

DM: Alle Märkte durchleben ein Auf und Ab, das gilt auch für den Silbermarkt. Investoren müssen sich bezüglich des Silbermarkts eine langfristige Perspektive zu Eigen machen. Der Silbermarkt befindet sich immer noch in einem bedeutenden Aufwärtstrend, aber wir werden künftig noch mehr Volatilität sehen.

TGR: Ron Hera rät, die Investoren sollten gierig sein, wenn die anderen Angst haben, und vorsichtig agieren, wenn alle anderen gierig sind.

DM: Ich bekam es mit der Angst zu tun, als die anderen gierig wurden, als Silber bei rund USD 35 pro Unze zu seinem Aufstieg in Richtung USD 50 pro Unze ansetzte. Ich hatte die Investoren gewarnt und erklärt, dass, wenn sie schon Silber bei diesen Niveaus kaufen müssen, sie nur kleine Mengen kaufen sollen, da der Markt zwischenzeitlich überhitzt war.

Damit habe ich mir Kritik eingehandelt und den Vorwurf, ich sei übervorsichtig. Das war sogar seitens einiger der besseren Analysten zu vernehmen. Das Preishoch hatte ich mit USD 48 pro Unze prognostiziert, und ich bin ziemlich zufrieden mit dieser Prognose. Mit anderen Worten: Aus heutiger Sicht war meine Prognose richtig gut, aber Sie glauben nicht, was ich an Kritik aus der Branche einfuhr, als ich diese Voraussage machte.

TGR: Ron Hera sagt auch: „Keine Ausreden.“ Wenn eine Firma keine Fortschritte macht, fliegt sie raus.

DM: Man muss jede einzelne Firma knallhart rannehmen. Man muss fragen, was das Unternehmen im kommenden Jahr plant und ob die Zielsetzungen des vergangenen Jahres erfüllt worden sind. Die Idee dahinter ist, zu prüfen, ob sie sich darum bemühen, all die selbst gesteckten Ziele zu erreichen – doch wenn sie dazu nicht in der Lage sind, sollten sie dies ehrlich eingestehen und nach vorne schauen

Die Junior-Silbertitel mag ich nicht so richtig. Dort gibt es viele Firmen, die bereits zu Beginn des Minenzyklus einfach Schlapp gemacht haben. Es gibt dort zwar immer noch Schnäppchen, aber es ist heutzutage ziemlich schwer, diese ausfindig zu machen.

TGR: Ron Hera spricht darüber, welche Auswirkungen die Inflation auf das Vermögen hat. Angesichts der versteckten Inflation, so sein Argument, hätten die Investoren, wollten sie ihr Vermögen erhalten oder gar mehren, gar keine andere Wahl, als nach jährlichen Zugewinnen in Höhe von mindestens 25% Ausschau zu halten. Wie sehen Sie das?

DM: Die Märkte sind schwankungsfreudig, da geht es hoch und wieder runter. Gegenwärtig befindet sich der Markt in einer Konsolidierungsphase und es gibt nur sehr wenige Silberminenaktien, die ihren tatsächlichen Wert widerspiegeln. Es ist eine gute Zeit, sukzessive bei diesen Titeln einzusteigen. Natürlich können sie in den kommenden Monaten weiter fallen, aber es ist immer noch der beste Ort, wo man zurzeit investiert sein kann.

Bezüglich meines Zukunftsausblicks möchte ich zunächst einmal festhalten, dass ich mit der Auffassung von John Williams, dem Herausgebers von Shadowstats.com, konform gehe. Williams sagt, dass wir aktuell eine Inflation in Höhe von 10% haben.

Es hat immer einige Aktien gegeben, die auf der Stelle treten, aber im Edelmetallsektor dürften trotzdem auch echte Gewinne zu machen sein. Sollte die Inflation tatsächlich bei 10% liegen, dann könnte es auch bei den Minenaktien zu Zugewinnen in Höhe von 25% kommen, was ein 15%iger Gewinn wäre, zieht man die reale Inflationsrate ab. Wenn der Sektor erst einmal wieder richtig an Fahrt gewinnt, könnten die Zugewinne riesig ausfallen.

Aktuell sind die Aktien unterbewertet, was bedeutet, dass man gierig sein sollte, wenn alle anderen Angst haben. Das ist die Zeit, wo Investoren kaufen sollten.

TGR: Einige Experten sagen, dass der Markt zunächst einmal weiter fallen wird, bevor es zu erneuten Anstiegen kommt. Glauben Sie auch, dass dies der Fall ist?

DM: Ja, das tue ich, aber hier den exakten Tiefpunkt bestimmen zu wollen, bleibt den Amateuren vorbehalten. Ein Profi versucht, in den Markt zu kommen und die Werte einzusammeln, während man noch günstig an sie herankommt. Ich sage das im Hinblick auf das Zeitfenster Dezember 2011 bis April 2012.

TGR: Wenn ein Investor versucht, pro Jahr 25% Gewinn zu machen, muss er sich zwangsläufig gering kapitalisierten Unternehmen zuwenden.

DM: Das ist nicht notwendigerweise der Fall. Zunächst einmal ist es nicht vernünftig, jedes Jahr mit solchen Zuwächsen zu rechnen. Ein Investor kann aber einen 17%igen Gewinn einfahren, alleine indem er eine gute Firma hält und darauf dann Optionen verkauft. Der Optionsverkäufer gewinnt in 85% aller Fälle, während der Optionskäufer in 85% aller Fälle verliert. Ein Investor kann seine Aktien auch an Leute weiterverleihen, die sich dem Spiel mit den Optionen hingeben wollen. Da kann er sich dann richtig ins Fäustchen lachen, selbst wenn sich der Markt in einem Abwärtstrend befindet.

TGR: Nichtsdestotrotz gibt es auch bei Ihnen einige spekulative Käufe bei einer Handvoll kleiner Silberfirmen.

DM: Natürlich – es gibt nichts aufregenderes, als bei Spekulationen richtig zu liegen. Wenn man bei einem Wert 4.000% Gewinn macht, kommt man nicht umhin, sich darüber zu freuen. Wir mögen niedrig kapitalisierte Firmen. Manchmal lohnt es sich, bei Aktien beharrlich zu sein.

TGR: Sie antworteten auf eine Frage eines Lesers, die dieser im Hinblick auf die erschreckenden Aussichten einer Deflation stellte, mit den Worten:

„Ich kann mir einen Deflationsschock vorstellen und würde vorschlagen, dass Sie die ganze Phase über – drei bis sechs Monate – weiter zukaufen. Diese Minentitel sind billig, könnten aber auch noch billiger werden. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es noch einmal so schlimm werden wird wie in 2008.“

Wie schlimm wird es denn nun werden?

DM: Die Silberminentitel könnten um weitere 10% einbrechen. Aber genau so ist es möglich, dass wir bereits den Tiefststand erreicht haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die Finanzkrise von 2008 in 2012 wiederholen wird. Aber natürlich muss jetzt auf weltweiter Ebene etwas getan werden, um die Finanzmärkte nachhaltig zu stärken und das Vertrauen in das System wiederherzustellen. Passiert das nicht, rechne ich mit einer Wiederholung von 2008 oder gar schlimmerem. Aber noch einmal: Ich glaube nicht, dass das in den nächsten paar Jahren passieren wird.

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