Wenn es eine Lehre gibt, die sich aus Japans Schuldenabbau der vergangenen Jahrzehnte ziehen lässt, dann ist es die, dass die Zyklen dieses Schuldenabbaus über ihren ganz eigenen Rhythmus reflationärer und deflationärer Zwischenphasen verfügen. Das hängt ganz einfach damit zusammen, dass der Schuldenabbau in den Bilanzen schon per Definition kein kurzfristiger Prozess sein kann, da es ja auch Jahrzehnte braucht, bis irgendein Wirtschafts- oder Finanzsystem diese Schulden überhaupt erst einmal aufgetürmt hat.
Wäre der Schuldenabbau ein kurzfristiger Prozess, dann müsste er sich in Form einer massiven und kurzen Depression abspielen, und es ist völlig klar, dass jede Zentralbank der Welt mit ihren Maßnahmen darauf abzielen würde, einen solchen Ausgang zu verhindern – genauso wie wir es in Japan die vergangenen Jahrzehnte beobachten konnten und nun auch in den USA und der Eurozone. Im Verlauf des größeren über Generationen hinweg stattfindenden Zyklus des Schuldenabbaus kommt es also immer wieder zu einem Auf und Ab. Und genauso wie die Verschuldung kein linearer Prozess gewesen ist, verläuft auch der der Schuldenabbau nicht linear.
Aber warum führen wir dieses Beispiel hier überhaupt an? Die Preisschwankungen, die wir bei den Vermögenswerten in jüngster Zeit beobachten konnten, besonders jene bei Gold, können vor dem Hintergrund der Maßnahmen des weltweiten Zentralbankwesens, das die Währungsentwertung zurzeit als bevorzugte Reflationsmethode erachtet, als günstige Gelegenheiten erachtet werden, um die eigene Kaufkraft zu schützen.
Es ist an der Zeit, einen Schritt zurück zu treten und sich den „Rhythmus“ von Gold während der vergangenen zehn Jahre anzuschauen. Hoffentlich erhalten wir dadurch nicht nur Einblicke in die Goldpreisentwicklung, sondern erfahren auch mehr über den wahren Charakter des Schuldenabbau-Zyklus.
Gold hat jüngst tatsächlich eine ziemlich hässliche Preiskorrektur durchmachen müssen. Aber stecken hier wirklich nur europäische Banken dahinter, die ihre Goldbestände liquidiert oder den Verleih von Gold intensiviert haben, um so an das dringend benötigte Kapital zu gelangen? Ja, könnte sein.
Darüber hinaus sind natürlich auch jede Menge neuer Gold-Fans in den Markt gekommen, die durch die Goldpreisrally im Sommer 2011, wo sich das Metall innerhalb von zwei Monaten um 25% verteuerte, angelockt worden sind. Und wie es in den allermeisten Fällen so ist, müssen die Marktgötter diesen Leuten erst einmal eine Lektion erteilen, mit der die Trader von den echten Investoren wie die Spreu vom Weizen getrennt werden, eine Phase, die zurzeit immer noch voll im Gang ist.
Wir haben immer wieder darauf hingewiesen, dass es – speziell in der heutigen technologisch aufgeladenen Multimediawelt – von entscheidender Bedeutung ist, zwischen dem ganzen alltäglichen Informationsmüll und den wirklich wichtigen Nachrichten zu unterscheiden. Müssten wir eine Schätzung abgeben, würden wir tippen, dass 90% der täglich auf uns einströmenden Wall Street „Kommentare und Analysen“, wenn nicht gar noch mehr, nichts weiter als Müll und heiße Luft sind.
Zu diesen Meldungen gehört seit kurzem auch wieder folgende: „Für Gold ist es aus und vorbei, nun, wo der technisch so wichtige 200-Tage-Durchschnitt nach unten hin durchbrochen wurde“. Fakt ist, dass Gold seine 200-Tage-Linie in sieben der letzten neun Jahre (2011 eingeschlossen) nach unten hin durchbrochen hat. Wir können hier also kaum von einem seltenen Ereignis sprechen.
In Wirklichkeit ist es vielmehr so, dass Gold diese technische Marke lediglich in zwei dieser neun Jahre nicht durchbrochen hat – und zwar in 2009 und 2010, also den beiden Jahren, wo wir Zeugen der umfänglichsten Gelddruckmaßnahmen in der Geschichte der US-Notenbank Federal Reserve wurden. Die Auffassung, dass ein Unterschreiten der 200-Tage-Linie ein sicherer Hinweis auf das Ende des säkularen Goldbullenmarkts sei, kann, zumindest fürs Erste, als Unsinn abgehakt werden.
Es ist zwar nur unsere ganz persönliche Einschätzung, aber in den vergangenen drei Jahren hat der Goldpreis nicht bloß auf die großzügigen Geldgeschenke der Zentralbanken reagiert, nein, er hat auch ganz großartige Arbeit dabei geleistet, die geldpolitische Lockerungsmaßnahmen korrekt zu antizipieren.
In der nachfolgenden Grafik sehen Sie den Goldpreis seit 2009. Die Phasen, wo die Fed in 2009 und 2010 mit ihren quantitativen Lockerungsprogrammen (QE) begann, sind von uns entsprechend gekennzeichnet worden. Jedes Mal, bevor ein derartiges Lockerungsprogramm einsetzte, kam es zu einer Goldpreisrally, und jedes Mal ging diese Rally dem eigentlichen QE-Programm ein paar Monate voraus. Nachdem der Prozess dann tatsächlich einsetzte, korrigierte sich der Goldpreis wieder ein wenig. Ist das vielleicht eine Art von „Buy the rumor, sell the fact“? Da können Sie sich aber sicher sein!
Wir fragen uns, ob die bedeutende Goldpreisrally im Juni und August 2011 die Antizipation von bisher einfach nur ausgebliebenen EZB-Gelddruckmaßnahmen gewesen ist. Überdies fragen wir uns, ob der darauf folgende Preisanstieg im Oktober, nachdem Gold im September auf neue Tiefststände absank, auf die Annahme der Marktteilnehmer zurückzuführen ist, dass sich EZB aufgrund des Euro-„Gipfels“ Ende Oktober sowie der Verkündung einer „Lösung“ der Krise zu weiteren Lockerungsmaßnahmen bereit erklären würde.
Wie dem auch sei, die Investoren sind jedenfalls ziemlich enttäuscht darüber, dass aktuell keine direkten Gelddruck- und Geldentwertungsmaßnahmen stattfinden. Wir befinden uns nun halt wieder in einem Korrekturmodus. Wir hoffen, dass sich dies im Hinblick auf die kurzfristige Preisrhythmen nachvollziehbar anhört und es Sinn macht, die Dinge so einfach als möglich zu halten.
Wenn wir auf den Tageshandel von August bis Ende Dezember blicken, stellen wir fest, dass das gelbe Metall bisher eine Preiskorrektur in Höhe von USD 360 pro Unze hingelegt hat. Das ist die größte nominelle Goldpreiskorrektur seit Beginn des Goldbullenmarkts im Jahre 2001!
Diese nominelle Preiskorrektur übersteigt sogar die Goldpreiskorrektur der Jahre 2008/2009, bei der es sich ebenfalls um einen hässlichen Preisrückgang handelte. Völlig verständlich, dass sich das mies anfühlt und ohne Weiteres auch emotionale Reaktionen zur Folge haben kann. Andererseits kam diese Korrektur nicht allzu überraschend, nachdem Gold auf seiner Reise auf immer höhere Preisniveaus kletterte. Und das Wort „Reise“ würden wir gerne herausstreichen, da wir es bezüglich der bisherigen Goldpreisentwicklung für bezeichnend halten.
Wenn wir uns die Goldpreiskorrekturen auf Prozentbasis anschauen, dann fällt auf, dass die jüngste Korrekturphase vom Umfang her bisher mehr oder weniger in der Mitte aller seit 2001 stattgefundenen Preiskorrekturen liegt, wie auch aus der nächsten Grafik hervorgeht. Und, handelt es sich nun um das Ende des Goldbullenmarkts? Nein, bei dem Gerede darüber dürfte es sich, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt, wohl eher um die eingangs erwähnten Desinformationen handeln.
Würde es bei Gold zu einem prozentualen Preisrückgang kommen, der vom Umfang her dem der Jahre 2008 und 2009 entspricht, läge das Preisziel bei rund USD 1.350 pro Unze. Und in diesem Fall wäre all das Gerede über „das Ende des Bullenmarkts“ in der Tat ohrenbetäubend und wohl kaum noch auszuhalten.
Wir wissen, dass wir hier im Grunde ausschließlich für Goldbugs schreiben – dennoch sollte man sich jederzeit unvoreingenommen mit einer Vielzahl potenzieller Entwicklungsszenarien auseinander setzen. Man muss sich einen kühlen Kopf bewahren, um emotionslos zukunftsweisende Entscheidungen treffen zu können.
Wir erklären unseren Kunden immer, sie sollen das Beste hoffen und sich aufs Schlimmste einstellen, schließlich geht es in dieser wundervollen Welt ja um nichts anderes als um Risikomanagement. Aus dieser Perspektive heraus gibt es ein paar Tatsachen, die zwar nicht besonders angenehm erscheinen, im Rahmen der Entscheidungsfindung aber mit berücksichtigt werden müssen.
Wir halten es für wichtig, uns einige Daten früherer Korrekturzyklen des Goldbullenmarkts noch einmal genauer anzuschauen. Ein besonderes Augenmerk wollen wir dabei den Hinweisen schenken, die uns die Bollinger-Bänder liefern. Wie Sie in der nächsten Grafik sehen können, steigt Gold nicht gleich nach seinem ersten Kontakt mit dem unteren Bollinger-Band wieder nach oben, sondern tendiert eher dazu, sich erst einmal eine ganze Weile auf diesem Band entlang zu bewegen, bevor es nach einer notwendigen Verschnaufpause wieder an Fahrt aufnimmt.
In den letzten paar Wochen kam es nun wieder zum Erstkontakt mit dem unteren Bollinger-Band. Und obwohl es letztlich natürlich für nichts eine Garantie gibt, deutet zumindest die Historie des Goldbullenmarkts darauf hin, dass man sich besser auf einige weitere Tests des unteren Bollinger-Bands einstellen sollte. Das würde höchstwahrscheinlich auch bedeuten, dass weitere Preistiefs getestet werden, bevor Gold seine Reise wieder fortsetzt.
Für Goldanleger fühlt sich das Ganze in der Tat recht komisch an, was darauf zurückzuführen ist, dass sie eine derartige Erfahrung die vergangenen zweieinhalb Jahre nicht mehr machen mussten – da diese zweieinhalb Jahre bisher die längste Phase gewesen sind, wo es dem gelben Metall gelang, den Kontakt mit dem unteren wöchentlichen Bollinger-Band zu vermeiden.
Und, wie tief könnte der Goldpreis nun eigentlich fallen, wenn wir ein absolutes Worst-Case-Szenario zu Grunde legen? Oh, wenn wir jetzt in die Tiefe blicken, dann könnte das durchaus schockierend sein. Im Folgenden werden wir einen Aspekt betrachten, der für die Preisentwicklung von Bullenmärkten von entscheidender Bedeutung ist … Na, schon geschockt?
Sollte Gold auf das untere Niveau in Höhe von USD 1.050 pro Unze fallen, wären wir mehr als überrascht, würde sich danach überhaupt noch irgendein Goldbulle auf dem Planeten finden – und trotzdem wäre auch das immer noch im Bereich statistischer Ausreißer.
Glauben wir, dass das passiert? Nein, aber was wir glauben ist unerheblich. Wichtig ist, dass man für jedes mögliche Marktszenario einen entsprechenden Plan entwickelt, obschon ein Absinken auf dieses Preisniveau tatsächlich eine extreme Entwicklung wäre.
Was uns jedoch dazu zwingt, auch diese extreme Entwicklung zu berücksichtigen, sind die zwei wichtigen langfristigen Trendlinien des aktuellen Bullenmarkts. Noch einmal: Die Goldgemeinde wäre wahrscheinlich komplett gelähmt, sollte der Goldpreis jemals eine dieser Trendlinien berühren, und wir hoffen, dass wir diese Lähmungsphase vermieden werden kann.
Überdies möchten wir an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es noch einen weiteren Indikator im Edelmetallbereich gibt, den man besser im Auge behalten sollte: Die monatliche Stochastik von Gold. Seit die monatliche Stochastik über der Marke von 50 liegt, befindet sich Gold in seinem säkularen Bullenmarkt. Selbst während der bedeutsamen Kurskorrektur der Jahre 2008 und 2009 kam es nur zu einem kurzzeitigen Unterschreiten dieser Marke, ein Ereignis, das im Verlauf des bisherigen Bullenmarkts nur ein einziges Mal beobachtet werden konnte.
Abschließend sollten wir uns noch einmal den Fundamentaldaten des Goldmarkts zuwenden. Es ist außerordentlich schwer, sich eine Welt vorzustellen, in der es auf einmal keine Gelddruckmaßnahmen mehr gibt. Unseres Erachtens wird die Währungsentwertung des aktuellen Schuldenabbau-Zyklus zurzeit durch zwei außerordentlich bedeutende Phänomene vorangetrieben.
Zunächst einmal wird die Währungsentwertung seitens der Zentralbanken natürlich als periodischer Ausgleichsmechanismus eingesetzt, um dem globalen makroökonomischen Zyklus des Schuldenabbaus, den wir tagtäglich miterleben, entgegenzuwirken.
Zweitens werden Sie sich vielleicht daran erinnern, dass die Länder auf dem ganzen Planeten während des Schuldenabbaus der 30er Jahre Handelsbarrieren errichteten, um die deflationären Auswirkungen dieses globalen Schuldenabbaus zu bekämpfen. Wir gehen davon aus, dass die Währungsentwertung heutzutage der Ersatz der einstigen Handelsbarrieren ist, da Handelsbeschränkungen vor dem Hintergrund einer globalisierten Wirtschaft – wo die Kooperation unter den Regierungen und, viel wichtiger noch, den Zentralbanken eine so entscheidende Bedeutung gewonnen hat – mittlerweile als politisch unkorrekt erachtet werden.
Uns stellt sich daher folgende Frage: Sind die weltweiten Entwertungsmaßnahmen im aktuellen Schuldenabbau-Zyklus bereits vorüber? Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Zyklus bereits abgeschlossen ist, und wir wissen ja alle, dass dem nicht so ist.
Europa wird gar keine andere Wahl haben, außer verdeckt Geld zu drucken. Die einzige Frage ist doch, ob das vor oder nach einer harten Pleite passiert. Insgeheim führen sie ja bereits Gelddruckmaßnahmen durch. Wenn die Europäer nicht drucken, heißt das lediglich, dass der Schuldenabbau-Zyklus rasch vonstatten geht, was natürlich mit einem deflationären Höllenfeuer historischen Ausmaßes einherginge, das die gesamte Weltwirtschaft in Mitleidenschaft zöge. Ja wie wahrscheinlich ist das denn!
Das Ende des Schuldenabbau-Zyklus ist immer noch so weit weg, dass es noch nicht einmal abzusehen ist – aber trotzdem soll auf einmal der Goldbullenmarkt am Ende sein? Nun ja, wir sehen das anders. Bullenmärkte, ganz egal in welcher Vermögensklasse, atmen ein und atmen auch wieder aus. Es geht hier lediglich um den Rhythmus, und der Goldbulle atmet halt gerade aus, vorbei ist der säkulare Goldbullenmarkt deswegen noch lange nicht.