Peter Schiff, Euro Pacific Capital, 05.01.2012

War das Jahr 2011 anfänglich ein in der Tat wundervolles Jahr für Edelmetallinvestoren, gab es dank des letzten Quartals am Ende dann aber doch nicht allzu viel Grund zum Feiern. Genauso wie die Leute erwarten, dass ihr Telefon Bilder schießt, Musik abspielt und internetfähig ist, haben viele Investoren erwartet, dass Gold und Silber schnurstracks in die Höhe schießen würden.

Vor kurzem behauptete ein Analyst während eines CNBC-Interviews sogar, die jüngste Goldkorrektur würde beweisen, dass Gold in Wirklichkeit kein sicherer Hafen sei. Das Einzige, was durch diese Aussage bewiesen wird, ist, dass dieser Analyst von den Märkten überhaupt keine Ahnung hat.

Aber selbst wenn man als Anleger die Fundamentaldaten auf der eigenen Seite hat, gibt es immer noch andere Preisfaktoren, die die Kursbewegung beeinflussen. Im Falle von Gold und Silber ist das vorübergehende Erstarken des US-Dollars gegenüber anderen Fiatwährungen der maßgebliche Faktor – aber das ist ja nicht die ganze Geschichte.

Flucht aus dem Euro

Der entscheidende Aspekt der letzten paar Monate war, dass die europäische Schuldenkrise gerade in eine kritische Phase übergeht. Und obwohl ich die ganze Zeit über gesagt habe, dass sich die USA in Wirklichkeit in einer bedeutend schlechteren Verfassungen befinden als die Europäische Union, verfügt die EU über weniger Willen und Fähigkeiten, ihre Probleme zu lösen oder wenigstens vorübergehend zu übertünchen.

Und während in den USA weitere massive Belebungsmaßnahmen ausgeblieben sind, sahen sich die Europäer als erste dazu genötigt, sich ihren Staatsschuldenproblemen anzunehmen.

Seit der Kreditkrise des Jahres 2008 sind die Investoren äußerst verängstigt, was heißt, dass es heutzutage noch viel wahrscheinlicher ist, dass sie dem Herdentrieb folgen, anstatt ihre Entscheidungen emotionslos an Fundamentaldaten auszurichten. Man muss schon eine gewisse Charakterfestigkeit aufweisen, um dabei zuschauen zu können, wie die eigenen Investments Verluste im zweistelligen Prozentbereich einfahren, ohne dass dabei Selbstzweifel aufkommen.

Gegenwärtig lässt sich beobachten, dass es in verschiedenen Vermögensklassen zu großen Verschiebungen kommt, doch ist bei diesen Bewegungen nicht etwa das Ausmaß als solches von Bedeutung, sondern vielmehr die Richtung, welche die zu Grunde liegenden Trends aufweisen.

So wertet der US-Dollar aktuell zwar auf, liegt aber im 10-Jahresvergleich – gemessen am für den US-Dollar sehr vorteilhaften US-Dollarindex – immer noch 30% im Minus. Im Gegensatz dazu hat sich Gold während desselben Zeitraums um 350% verteuert. Und obwohl die Zugewinne der Vergangenheit natürlich nicht garantieren, dass sich diese Entwicklung auch in Zukunft fortsetzen wird, ist es eine Tatsache, dass sich die Fundamentaldaten nicht verändert haben.

Es macht Sinn, sich an dieser Stelle noch einmal in Erinnerung zu rufen, dass die Analysten in den Massenmedien dem US-Dollar in fast jedem Bericht der letzten zehn Jahre gegenüber Gold den Vorzug gaben, was schlicht auf den blinden Glauben zurückzuführen ist, dass die US-Regierung über die Macht verfügt, die amerikanische Wirtschaft zentral steuern zu können. Der Markt hat aber bereits bewiesen, dass sie mit dieser Einschätzung daneben liegen.

Und auch jetzt wird in den Massenmedien wieder einmal behauptet, dass die wirkliche Gefahr in Europa zu finden sei und die USA daher einen sicheren Hafen böten. Das hat eine Flucht aus dem Euro in Richtung US-Dollar ausgelöst. Wir haben aber bereits die letzten paar Jahre beobachten können, dass der US-Dollar und der Euro in Wirklichkeit simultan abwerten – und das wird in Zukunft auch weiterhin der Fall sein, da immer mehr Investoren begreifen, dass Gold der wirklich sichere Hafen ist.

Gold und Silber schießen schnurstracks durch die Decke?

Es gibt einen Grund dafür, warum die Preise von Vermögenswerten nicht direkt in die Höhe schießen. Neben dem variierenden Liquiditätsbedarf und der unterschiedlich stark ausgeprägten Risikobereitschaft der Investoren gibt es weitere systemimmanente Mechanismen, die dafür sorgen, dass Spekulanten aus explodierenden Märkten hinausgeworfen werden.

Als Silber im April 2011 in den Bereich von USD 50 pro Unze kletterte, hob die Rohstoffbörse COMEX die Hinterlegungspflichten für Silber-Futures an, wodurch zahlreiche Spekulanten aus dem Markt gedrängt wurden. Und während diese Praxis angeblich verhindern soll, dass die Spekulanten mit zu viel Fremdkapital arbeiten, haben derartige Maßnahmen natürlich auch zur Folge, dass der Preis des Metalls kurzfristig nach unten gehämmert wird.

In 2011 sind die Hinterlegungspflichten für Gold und Silber erhöht worden. Und obwohl wir uns nun zumindest sicher sein können, dass künftige Preisanstiege eher auf langfristige Investments zurückzuführen sind als auf kurzfristige Spekulationen, ist dafür natürlich auch ein Preis zu zahlen.

Spekulanten sorgen in den Märkten gewöhnlich für eine verringerte Volatilität, da sie in Antizipation künftiger Angebotsverknappungen kaufen und umgekehrt, bei einem sich abzeichnenden Nachfrageeinbruch abverkaufen. Das Herausdrängen der Spekulanten könnte somit dazu führen, dass die Schwankungsfreudigkeit in Zukunft zunehmen wird.

Auch bin ich der Meinung, dass in Wirklichkeit keinerlei Zugewinne verloren gingen, sondern lediglich in die Zukunft verlagert wurden.

Haben wir das Kurshoch bereits erreicht?

Um herauszufinden, ob die jüngsten Seitwärtsbewegungen bei Gold und Silber ein Grund zur Sorge sind, dürfte es hilfreich sein, wenn wir einen Blick auf die uns in 2012 bevorstehenden Ereignisse werfen.

In 2011 hat sich bereits herauskristallisiert, dass die neuen Tea-Party-Mitglieder im US-Kongress nicht stark genug sind, um das finanzielle Ausbluten der USA zu verhindern. Darüber hinaus ist die Occupy-Wall-Street-Bewegung zurzeit immer noch im Höhenflug, weshalb Präsident Obama kaum über Spielräume verfügt, sich auf politische Kompromisse einzulassen. Washington kann sich zurzeit also nur auf kurzfristige Maßnahmen zurückziehen, um die Rechnungen „zu zahlen“ – Rechnungen, die sich schneller auftürmen als je zuvor.

Unterdessen scheint Ben Bernanke, der Präsident der US-Notenbank Federal Reserve, gewillt zu sein, alle Beschränkungen der Geldpolitik über Bord zu werfen. Im Rahmen seiner jüngsten Aktion hatte sich die US-Notenbank in Form von US-Dollar-Swapgeschäften an der Rettung Europas beteiligt.

Aus Investmentperspektive zeigt dies natürlich nur, welchen Illusionen die Dollarinvestoren hier erliegen. Sie kaufen sich in eine Währung ein, die für wirklich alles und jeden gedruckt wird. Diese Meldung hätte eigentlich zur Folge haben müssen, dass der Dollar einbricht, während der Euro und Gold steigen. Aber noch einmal: Der angstgetriebene Handel überflügelt zurzeit alle anderen Erwägungen.

2012 dürfte für Europa noch problematischer werden, weshalb es wahrscheinlich auch zu weiteren Dollarkäufen kommen wird. 2012 könnte sogar das Jahr sein, wo wir erleben, dass ein paar Euroländer aus der Einheitswährung austreten – aber niemand kann mit Sicherheit sagen, wie die kurzfristige Reaktion des Euros ausfallen würde, sollte dies passieren, da durchaus denkbar ist, dass derartige Szenarien vom Markt bereits mit eingepreist wurden.

Wie dem auch sei, langfristig gesehen, wird die Eurozone ohne die schwachen Euroländer stärker sein. Wenn sie ihre verschwenderische Ausgabenpolitik nicht zurückfahren können, sollte man sie besser jetzt aus dem Währungsraum zwingen, anstatt bezüglich der Solvenz der stärkeren Mitglieder irgendwelche Kompromisse einzugehen.

Für den cleveren Investor stellt die durch Euro-Ängste getriebene Dollarstärke ganz einfach eine Möglichkeit dar, bestimmte Vermögenswerte billig einzukaufen. Ja ich glaube, dass Silber unter USD 30 pro Unze und Gold unter USD 1.600 pro Unze vor dem Hintergrund der uns bevorstehenden Ereignisse immer noch billig sind. Die Goldpreisprognose für 2012 liegt bei Morgan Stanley bei USD 2.200 pro Unze, bei UBS bei 2.050 pro Unze und bei Barclays bei USD 2.000 pro Unze – ich bin also anscheinend nicht der Einzige, der diese Auffassung vertritt.

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