Der Goldbulle bekommt Verstärkung: Den chinesischen Golddrachen. Historisch gesehen haben Einkommensanstiege in Asien immer zu höheren Goldpreisen geführt. Die physische Goldnachfrage der Asiaten ist weiterhin atemberaubend, während das globale Zentralbankwesen das seinige dazu tut, auch westliche Investoren in die sicheren Häfen zu locken
Frank Holmes, U.S. Global Investors, 06.02.2012
Nachdem der Goldpreis im Dezember um 10% einbrach, fragten sich zahlreiche Investoren, ob dem Goldbullenmarkt jetzt die Puste ausgeht. Das war, bevor der Chef der US-Notenbank Federal Reserve mit einem „roten Tuch“ die Arena betrat, um den Goldbullen wieder richtig anzustacheln.
Seitdem die Fed bekräftigte, sie würde die Zinssätze zwei Jahre länger auf „außerordentlich niedrigen Niveaus“ halten, hat sich Gold um 3% verteuert. UBS beschrieb die Situation mit den Worten:
„Wenn Investoren einen [weiteren] Grund gebraucht haben, warum sie Gold halten sollten, dann haben sie ihn gestern bekommen … eine stärkere Lockerungspolitik ist eine sehr gute Grundlage für den nächsten Aufwärtsschub von Gold.“
Für Gold-Bugs bedeuten zwei weitere Jahre mit nahe null liegenden kurzlaufenden Zinssätzen, dass es auch in Zukunft negative Realzinsen geben wird, was in der Vergangenheit immer ein bedeutender Goldpreistreiber gewesen ist.
Aber Bernanke und die Fed sind beileibe nicht die einzigen Zentralbanker in der fiskalischen und geldpolitischen Stierkampfarena. Brasilien hat den Leitzins gleich mehrfach abgesenkt und im Dezember senkte China die Reserveanforderungen seiner Banken. Laut der ISI Group wurden in den vergangenen fünf Monaten weltweit 78 geldpolitische „Lockerungsmaßnahmen“ verkündet, da die Länder zurzeit darum bemüht sind, die wirtschaftliche Aktivität zu erhöhen.
Eine der wichtigsten Waffen, die den Zentralbankern zur Verfügung steht, ist die Geldversorgung, mit der sie die das globale System mit riesigen Mengen an Liquidität fluten. Im Dezember stieg die weltweite Geldversorgung im Jahresvergleich um 8% (oder rund USD 8 Billionen), so die ISI Group.
Vor ein paar Wochen erwähnte ich ja bereits, dass es in China bei der Ausdehnung der Geldmenge M2 auf Quartalsbasis zu Rekordanstiegen gekommen ist, denen dann noch eine Absenkung der Reserveanforderungen chinesischer Banken folgte.
Wir haben also negative Realzinsen und eine weltweit wachsende Geldmenge – beides Triebkräfte, die den angstbasierten Goldhandel anheizen. Der Druck, der von diesen beiden Faktoren auf die Papierwährungen ausgeübt wird, animiert die Investoren von den Baby-Boomern bis hin zu den Zentralbankern, Gold als ultimative Währungsalternative zu halten.
Adrian Ash von Bullionvault sagt, dass sich die weltweiten Zentralbanken zurzeit buchstäblich im Kaufrausch befinden, eine Situation, die unverändert anhält, seit die US-Notenbank im Jahre 2007 den Leitzins um 25 Basispunkte abgesenkt hat. Dass sich die Zentralbanker plötzlich wieder dem gelben Metall zuwandten, war für den Goldmarkt von entscheidender Bedeutung.
In der nachfolgenden Grafik können Sie sehen, dass die Goldreserven der Zentralbanken in der Vergangenheit bedeutend höher gewesen sind als heute und im Schnitt bei 35.000 Tonnen lagen. In den 90er Jahren fingen die Zentralbanken dann damit an, ihre Goldreserven abzuverkaufen, die infolgedessen auf ein 30-Jahrestief absanken, und zwar genau zu jener Zeit, als die US-Notenbank mit ihren Zinssenkungen begann.
Ash führt aus, dass die Goldbestände der Zentralbanken aktuell auf ein neues 6-Jahreshoch geklettert sind und sich auf knapp 31.000 Tonnen belaufen. Dabei treten kleine wie auch große Länder als Käufer auf. Im Dezember hatte Russland – das seine Goldbestände seit 2005 kontinuierlich ausbaut – fast 10 Tonnen Gold gekauft, Kasachstan kaufte 3,1 Tonnen und die Mongolei 1,2 Tonnen. UBS kommentierte die jüngsten Zahlen mit den Worten: „Obwohl die gemeldeten Volumen nicht sehr groß sind, stellen sie dennoch eine Verstärkung des Kauftrends des Staatssektors dar.“
Aber nicht alle Zentralbanken traten als Goldkäufer auf. Während der überschuldete Westen Gold verkaufte, konnten die Schwellenländer ihre Goldreserven seit 2008 um 25% ausbauen, so Ash, der überdies darauf hinweist, dass der von den Zentralbanken gehaltene prozentuale Anteil an der Gesamtmenge des weltweit jemals geförderten Goldes zurückgegangen ist und „eine bedeutend größere Menge Gold … ihren Weg in die Hände der Privateigentümer findet.“
Wie Sie anhand der roten Linie der oben stehenden Grafik unschwer erkennen können, geht der von den Zentralbanken gehaltene prozentuale Anteil an den weltweiten Goldbeständen seit 1979 immer schneller zurück, da Privatpersonen Gold immer stärker als einen Finanzvermögenswert erachten.
Als jüngstes Beispiel für diesen Trend führt Ash das chinesische Goldsparprogramm „Gold Accumulation Plan“ an, bei dem es sich um ein gemeinsames Unterfangen der Industrial & Commercial Bank of China (ICBC) und dem World Gold Council (WGC) handelt. Mithilfe dieses Goldansparplanes ist es den chinesischen Bürgern möglich, Gold in kleinen Mengen zu kaufen, um sich auf diese Art im Laufe der Zeit einen Goldbestand aufzubauen.
Der WGC meldete im September 2011, dass während der ersten paar Monate nach Einführung dieses Programms bereits zwei Millionen Konten eröffnet worden sind und die Zahl täglich weiter anwächst. Derartige Programme eröffnen dem Goldmarkt eine völlig neue Klasse chinesischer Anleger – aber das ist ja nur ein Teil der enormen chinesischen Goldnachfrage, die sich zurzeit beobachten lässt.
Neben den angstbasierten Goldkäufen gibt es ja auch noch die goldaffinen Käufe, die auf die starke kulturelle Gold-Affinität der Asiaten, besonders der Chinesen und Inder zurückzuführen sind. In 2010 stellten der indische Subkontinent und Ostasien fast 60% der weltweiten Goldnachfrage und 66% der weltweiten Goldschmucknachfrage, so die Daten des WGC.
Historisch gesehen, zieht die indische Goldschmucknachfrage während der Festtagsperiode des Hindu-Kalenders immer sprunghaft an, aber in 2011 hielten sich viele indische Goldkäufer aufgrund der hohen Preise und einer sehr schwankungsfreudigen Rupie zurück.
Falls Sie der Meinung gewesen sind, dass USD 1.900 für eine Unze Gold viel zu viel Geld ist, ja dann stellen Sie sich einmal vor, wie sich ein Inder gefühlt haben muss, als die Rupie gegenüber dem US-Dollar an Wert verlor, was in Indien einen heftigen Goldpreisanstieg zur Folge hatte. Während der Monate Juli und September 2011 stieg der auf Rupie lautende Goldpreis um mehr als 35% – das entspricht ungefähr Dreifachen des Goldpreisanstiegs, der auf Dollar-, Yuan- oder Yenbasis verzeichnet wurde.
Diese Währungs-Volatilität hatte bedeutende Auswirkungen auf die indischen Goldimporte, die im vierten Quartal 2011 um 56% einbrachen, wie die Bombay Bullion Association meldete.
„Die indischen Käufer werden wieder kommen“, nachdem sie sich mit den höheren Preisen abgefunden hätten, so Fred Hickey, der in einer seiner jüngsten Ausgaben des „The High Tech Strategist“ Ende 2007 als Beispiel heranzieht, wo es am indischen Goldmarkt zu einem ähnlich heftigen Nachfrageeinbruch kam.
2007 brach die indische Goldnachfrage ein, nachdem der Goldpreis in der Spitze mit über USD 1.000 pro Unze notierte, was die Liebesbeziehung der Inder zu Gold für eine „kurze Zeit“ abkühlte. Hickey geht davon aus, dass die kulturelle Gold-Affinität der Inder, die das gelbe Metall als wichtigen Vermögensspeicher und Inflationsschutz erachten, für einen erneuten Markteintritt der indischen Käufer sorgen werde.
In 2012 konnte bereits eine erste Trendumkehr beobachtet werden. Hickey führt unter Verweis auf UBS aus, dass die physischen Goldkäufe in Indien am ersten Handelstag dieses Jahres doppelt so hoch ausfielen als üblich. Und obschon das natürlich nicht aussagekräftig ist, bin ich dennoch der Auffassung, dass sich dieser Trend im goldaffinen Indien weiter fortsetzen wird.
In China wird „Gold genauso wie in Indien als Vermögensspeicher und Inflationsschutz gesehen“, so Hickey, der darauf hinweist, dass die chinesische Goldnachfrage weiterhin steigt und speziell im dritten Quartal 2011, als sie sogar die Goldkäufe Indiens überflügelte, bedeutende Zuwächse verbuchen konnte. „Die Goldnachfrage der Chinesen ist das ganze Jahr über buchstäblich unersättlich gewesen.“
Das World Gold Council geht davon aus, dass China bis zum dritten Quartal 2011 bereits 612 Tonnen Gold eingeführt und somit schon im Herbst die chinesische Goldnachfrage des Jahres 2010 überflügelt hatte.
Laut dem „Hands-On China Report“ von J.P. Morgan war die Nachfrage nach Gold, Silber und Schmuck in 2011 der am stärksten wachsendende Einzelhandelsbereich in China. Das Wachstum in diesem Segment konnte alle anderen Einzelhandelsbereiche wie Bekleidung, Schuhe, Haushaltsgeräte, ja sogar Nahrungsmittel, Getränke, Tabak und Spirituosen spielend ausstechen – obwohl in diesen Segmenten ebenfalls moderate Zuwachsraten verzeichnet werden konnten.
J.P. Morgan sagt, dass der überwiegende Teil dieser Nachfrage aus mittelgroßen Städten kommt, „wo die Einkommensniveaus am schnellsten steigen und Verbesserungen bei der Einzelhandels-Infrastruktur eine rasche Expansion der Einzelhandelsgeschäfte ermöglichten.“
Steigende Einkommen und eine wachstumsfreundliche Regierungspolitik sind die Haupttreiber des Goldpreisanstiegs gewesen. In der nachfolgenden Grafik sehen Sie die enge Wechselbeziehung zwischen der chinesischen und indischen Einkommensentwicklung und dem Goldpreis.
Immer wenn Inder und Chinesen Einkommensanstiege verzeichnen konnten, haben sie, historisch gesehen, auch mehr Gold gekauft und den Goldpreis dadurch in die Höhe getrieben.
Wir haben ja bereits in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass das chinesische Jahr des Drachen unseres Erachtens die Käufe von traditionellen Geschenken wie Golddrachen und Drachen-Goldmünzen anheizen würde. Mineweb erklärte unter Verweis auf die Pekinger Handelskommission, dass die Goldkäufe auf neue Höchststände kletterten und im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 50% in die Höhe schnellten.
Das sollte allen Gold-Pessimisten eine ernste Warnung sein. Und auch all jene, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, den Goldbullen zu bekämpfen, sei gesagt, dass sie nun nicht mehr nur gegen den Goldbullen antreten, sondern unterdessen auch noch einen chinesischen Golddrachen abwehren müssen.