Peter Schiff, Europac.net, 20.03.2012

Das US-Arbeitsministerium meldete zu Beginn dieses Monats, dass im Februar 227.000 neue Arbeitsplätze geschaffen wurden. Das ist der dritte Monat in Folge, wo es zu Beschäftigungszuwächsen kam. Viele Beobachter sehen diese Meldung als Beweis dafür an, dass die US-Wirtschaftserholung nun richtig an Fahrt aufnimmt, was den S&P 500 Index fast auf ein 5-Jahreshoch katapultierte.

Am selben Tag meldete das US-Handelsministerium, dass das Außenhandelsdefizit im Januar auf USD 52,6 Milliarden, das stärkste Defizit seit Oktober 2008 gestiegen sei, nachdem es bereits den überwiegenden Teil des vorangegangenen Jahres immer weiter zulegte. Diese Meldung hätte den Enthusiasmus normalerweise erst einmal dämpfen müssen.

Bevor die Finanzkrise diese Daten auf die hinteren Seiten der Tageszeitungen verwies, gehörte Amerikas fortwährend wachsendes Handelsbilanzdefizit gewöhnlich zu den Top-Meldungen. Von 2005 bis Mitte 2008 lagen die monatlichen Außenhandelsdefizite stets über USD 50 Milliarden bzw. USD 60 Milliarden. Der Höhepunkt wurde im August 2006 mit USD 67,3 Milliarden erzielt.

Dann brach der US-Eigenheimmarkt in sich zusammen, was die Aufmerksamkeit ablenkte. Und die einbrechende Wirtschaft trug dann auch tatsächlich dazu bei, dass ein bedeutender Teil der Importe einfach wegfiel, was zur Folge hatte, dass das Handelsbilanzdefizit in 2009 um 45% zurückging. Und selbst die wenigen Beobachter, die sich zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch für die Handelsdaten interessierten, gingen davon aus, dass sich das Problem nun von ganz alleine lösen werde.

Nachdem das Defizit im Mai 2009 mit USD 35,7 Milliarden ein neues Zwischentief erreichte, begann es wieder mit seinem Anstieg und wuchs im Jahre 2010 um 31% und in 2011 um 12%. Und obwohl das Defizit im Januar 2012 mit USD 52,6 Milliarden immer noch 10% unter dem monatlichen Durchschnitt der Jahre 2006 bis 2008 liegt, könnten die USA bei anhaltendem Wirtschaftswachstum – von dem viele Beobachter ausgehen – mit ihrem Handelsbilanzdefizit schon bald wieder dort sein, wo sie vor Ausbruch der Finanzkrise aufgehört haben.

Wenn die Arbeitsplätze, die die vergangenen Jahre in den USA geschaffen wurden, produktiv gewesen wären, würde das Außenhandelsdefizit aktuell absinken, anstatt zu steigen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Diese Arbeitsplätze werden mit geliehenem Geld geschaffen und tragen nicht dazu bei, eine neue und wettbewerbsfähigere Wirtschaft aufzubauen.

In den Jahren, die dem Immobilien-Crash vorausgingen, wurden in den USA in den Bereichen Bau, Hypothekenfinanzierung und Immobilienverkauf Millionen neuer Arbeitsplätze geschaffen. Doch sobald die Blase geplatzt war, waren diese Jobs auch wieder verschwunden. Heute werden die Arbeitsplätze aufgrund einer anderen Blase geschaffen – Staatsschulden. Und wenn diese Blase platzt, werden die neu geschaffenen Arbeitsplätze genauso schnell verschwunden sein.

Ich habe die vergangenen zehn Jahre ein ums andere Mal davor gewarnt, dass ein steigendes Außenbilanzdefizit ein unzweideutiger Warnhinweis ist, dass die USA einen Weg eingeschlagen haben, der überhaupt nicht durchgehalten werden kann. Die monatlichen Defizite in Höhe von USD 60 Milliarden bedeuteten für mich ganz einfach, dass sich die Amerikaner zunehmend stärker verschuldeten (jeder Bürger mit USD 2.400 jährlich), um sich Produkte zu kaufen, die in den USA nicht mehr länger auf produktive Art hergestellt werden konnten.

Ich wies darauf hin, dass Amerika im 19. und 20. Jahrhundert nur deshalb zu einer wirtschaftlichen Supermacht aufsteigen konnte, weil es über enorme Handelsbilanzüberschüsse verfügte. Diese Überschüsse machten die Vermögenszunahme, eine starke Währung und einen größeren wirtschaftlichen Einfluss im Ausland überhaupt erst möglich. Das ist übrigens genau das, was China zurzeit praktiziert. Durch Handelsbilanzdefizite werden diese Vorteile jedoch in ihr Gegenteil verkehrt.

Meine Kritiker verwarfen diese Sorgen mehr oder weniger einhellig und erklärten, dass das Außenhandelsdefizit das Ergebnis der wirtschaftlichen Stärke und eine natürliche Folge des Status der USA an der Spitze der weltweiten Nahrungskette sei. Ich wies darauf hin, dass selbst hochentwickelte und technologisch fortschrittliche Ökonomien ihre Importe mit gleichwertigen Exporten bezahlen müssten. In Wirklichkeit exportierten die USA jedoch nur Schulden und Inflation.

Die Finanzkrise setzte dann einen schmerzlichen aber notwendigen Prozess in Gang, bei dem die Amerikaner weniger für Importe ausgaben und vermehrt Güter ins Ausland verkauften. Die unzähligen fiskalischen und geldpolitischen Konjunkturmaßnahmen der Regierung brachten diesen Heilungsprozess komplett zum Erliegen. Durch die Kreditaufnahmen und die Ausgaben der Regierung wurde das Kapital in unproduktive Bereiche der US-Wirtschaft gelenkt: Das Gesundheits- und Bildungswesen, die Regierung selbst und der Einzelhandel – das sind die Bereiche, die in den letzten paar Jahren Wachstum verzeichnen konnten. Die Fertigungsbranche ist hingegen nicht mit der Rate gewachsen, die notwendig wäre, um das Handelsbilanz-Problem zu lösen.

Die Arbeitsplatzschaffung in den USA lässt sich durchaus mit einer Vegetation vergleichen, die sich entlang der Geldströme der konjunkturbelebenden Maßnahmen erstreckt. Diese künstlichen Geldflüsse sind vielleicht in der Lage, kurzfristig Abhilfe zu schaffen, verhindern jedoch Wachstum an Orten, wo es viel dringender benötigt wird. Die US-Wirtschaft steht immer noch vor der Aufgabe, sich so umzugestalten, dass wieder von einer Gesundung gesprochen werden kann.

Normalerweise hätte uns die Rezession dazu gezwungen, das Problem der anhaltendenden und riesigen Außenhandelsdefizite anzugehen. Die USA sind dabei aber jämmerlich gescheitert. Die Arbeitsmarktzahlen sehen vorerst zwar recht gut aus, doch wird man sie letztlich überhaupt nicht aufrechterhalten können.

Das letzte Mal, als das monatliche Handelsbilanzdefizit bei über USD 50 Milliarden lag, lag die offizielle US-Arbeitslosenrate bei unter 6%, und das bei einer bedeutend größeren Arbeitnehmerschaft. Sollte diese künstliche Wirtschaftserholung tatsächlich zur Folge haben, dass Millionen arbeitsloser US-Bürger im Dienstleistungssektor Beschäftigung finden, ist es durchaus möglich, dass das Außenhandelsdefizit noch bedeutend stärker steigen wird, vielleicht sogar über die Rekorde des Jahres 2006. Es wäre dann durchaus denkbar, dass das Jahresdefizit die Marke von USD 1 Billion übersteigt, wodurch das Aushandelsdefizit auf einmal ebenso wie das Haushaltsdefizit der US-Regierung im 13-stelligen Bereich läge.

Vergangene Woche kamen auch Meldungen herein, dass sich das US-Außenhandelsdefizit im vierten Quartal 2011 um 15% auf über USD 124 Milliarden erhöhte. Die USD 500 Milliarden an Schulden, die die USA im Handel in 2011 auftürmten, wurden um USD 50 Milliarden an Investmenteinnahmen bereinigt. Diese Überschüsse gehen auf ausländische Investments in niedrig rentierende US-Staatsanleihen und hypothekarisch besicherte Wertpapiere zurück – wenn die Zinsen jedoch erst einmal steigen, dürfte sich dieser Überschuss schnell in ein riesiges Defizit verwandeln.

Sollten sich der Beschäftigungsstand und die Zinssätze auch nur leicht in Richtung ihres historischen Durchschnitts bewegen, könnte dies zur Folge haben, dass sich die aktuellen strukturellen Ungleichgewichte in den USA in ein Leistungsbilanzdefizit von jährlich über USD 1 Billion verwandeln.

Und da höhere Zinssätze auch das Haushaltsdefizit der US-Regierung anschwellen ließen, scheint die Frage durchaus berechtigt, wie lange die Welt überhaupt noch gewillt sein wird, die billionenschweren Defizite der Amerikaner zu tragen.

In der zweiten Hälfte der 80er Jahre, als das jährliche Außenhandelsdefizit und das Haushaltsdefizit der US-Regierung gerade einmal einen Bruchteil des heutigen Niveaus ausmachten, waren die Märkte im Hinblick auf die Fähigkeit Amerikas, diese beiden Defizite zu stemmen, zu Recht besorgt – eine Angst, die den Aktienmarkt-Crash des Jahre 1987 begünstigte.

In jüngerer Zeit waren die großen und anhaltenden Außenhandelsdefizite ein bedeutender Faktor, der zu dem Ungleichgewicht beitrug, das in 2008 dann zur Implosion der US-Wirtschaft führte. In den letzten paar Jahren scheinen die Sorgen bezüglich der enormen Handelsbilanzdefizite bei den meisten Amerikanern jedoch verflogen zu sein. Ich gehe davon aus, dass diese Sorgen bald wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken werden und sich dieser Leichtsinn schon bald rächen wird.

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