Wolf Richter, Testosteronepit.com, 20.04.2013

Die deutschen Industrieunternehmen halten Auslandsinvestitionen – also den Aufbau neuer Operationen und den Ausbau bereits bestehender – zurzeit für attraktiver als Inlandsinvestitionen. China bleibt dabei das dritte Jahr in Folge auf Rang 1. Die Eurozone, die von China 2011 überholt wurde, setzt ihren Rückgang fort. Und die Attraktivität anderer Auslandsmärkte ging ebenfalls zurück. Aber es gibt einen Markt, dessen Attraktivität in die Höhe schnellte: Die USA!

Laut der alljährlichen Erhebung der quasi-staatlichen Deutschen Industrie- und Handelskammer erachten 43% aller Firmen mit Auslandsinvestitionen China für das wichtigste Importland in 2013, genauso wie es bereits in 2012 und 2011 der Fall war.

Aber die Produktion in China ist nicht mehr länger billig; das Kostenmotiv ist von 25% in 2006 auf 14% in 2013 zurückgegangen. Heute ist es die wachsende chinesische Mittelschicht, die China zu einem heißen Markt für deutsche Produkte macht. Das Hauptmotiv der deutschen Industrieinvestitionen in China ist also der Ausbau der Märkte und der Produktion in China, um den dortigen Markt zu bedienen: 38% der Unternehmen waren dieser Auffassung, und 73% aller Unternehmen in der Autobranche sahen das so – für sie ist China der Ort, wo die Musik spielt.

Den zweiten Rang nimmt die Eurozone ein, aber sie ist von 41% auf 40% zurückgegangen. Jahrelang galt der Eurozone aufgrund der geographischen Nähe, des einfachen Transports und der gemeinsamen Währung die höchste Priorität, und der Höhepunkt wurde in 2008 mit 45% erreicht. Damit lagen die geplanten Auslandsinvestitionen noch weit vor denen in China.

Aber das war, bevor die Auswirkungen der Schuldenkrise offenkundig wurden. Jetzt kann sich die Eurozone nur noch halten. Trotz der schwierigen Lage und der lausigen Nachfrage, wollen die Unternehmen ihre Präsenz in den europäischen Ländern aufrecht halten, um davon profitieren zu können, sollte es zu einer wirtschaftlichen Erholung kommen.

Die Unternehmen haben jetzt mitbekommen, dass die Reformen – also die berühmten Austeritätsmaßnahmen – die Kosten in einigen Euroländern gesenkt haben, wodurch die Nachteile, die diese Standorte gegenüber Deutschland hatten, zurückgegangen sind. Sollte dieser Trend weiter anhalten und sollte die Nachfrage jemals wieder steigen, könnte hier vermehrt investiert werden.

Aber es gab auch andere Regionen, die auf der Prioritätenliste der deutschen Industrie an Boden verloren haben: Südamerika ist von 24% auf 23% gesunken, Asien ohne China sank von 28% auf 27% und Osteuropa und Russland fielen von 26% auf 25%. Die einzige Region, die wirklich an Bedeutung gewann, waren die USA. In 2005 wollten gerade einmal 20% der deutschen Industrieunternehmen dort investieren. 2012 stieg die Zahl auf 26%, und in 2013 schoss sie um 4 Prozentpunkte auf 30% nach oben – das ist der höchste Stand aller Zeiten.

Die Unternehmen führten hierfür das Wirtschaftswachstum an – also „Wachstum“ im Vergleich zur Eurozone –, den sich verbessernden Arbeitsmarktausblick und die steigenden Unternehmensgewinne … Für Unternehmen mit energieintensiven Produktionsprozessen und für Chemiefirmen, die Erdgas als Rohmaterial verwenden, wirken die USA wie ein wahres Nirwana.

Deutschland lässt seine Atomkraftwerke auslaufen und ein bedeutender Teil der deutschen Erdgasversorgung ist von dem nicht immer spürbaren guten Willen des russischen Unternehmens Gazprom abhängig, das den Gaspreis an den Rohölpreis gekoppelt hat, bei dem es sich heutzutage ja um Abzug handelt. Den deutschen Industrieunternehmen, die zuhause mit hohen Energiekosten zu kämpfen haben, sind die Schiefergas-Revolution in den USA und die damit einhergehenden niedrigen Erdgas- und Strompreise mittlerweile zu Ohren gekommen.

Und so planen jetzt auch 33% aller metallurgischen Unternehmen, 39% aller chemischen und pharmazeutischen Unternehmen und 45% aller Unternehmen aus der Autobranche Investitionen in den USA. Sie hoffen, dass die niedrigen Energiekosten die amerikanische Industriebasis wiederbeleben werden, was den deutschen Zulieferern wiederum gute Möglichkeiten bieten würde.

Als riesiger, einheitlicher Markt sind die USA noch interessanter. „Die Unternehmen erhoffen sich dort noch bessere Marktchancen. Die Nachfrage nach Produkten ´Made in Germany` steigt in Nordamerika“, heißt es in dem Bericht. Angesichts dieser Trends und ihres Potenzials kommt man in dem Bericht überschwänglich zu der Schlussfolgerung, dass, während bei anderen Ländern Zurückhaltung herrscht, die USA der „Rising Star“ seien.

Im Hinblick auf Deutschland ist das Bild aber nicht so rosig. Der Index für die Inlandsinvestitionen ist nun bereits das dritte Jahr in Folge eingebrochen. Er lag in 2011 noch bei 28% und ist in 2013 fast auf null gesunken – das Wachstum bei den Inlandsinvestments ist zum Stillstand gekommen!

Unternehmen, die im Ausland investieren, um neue Märkte zu erobern, planen auch, in Deutschland zu investieren – aber Firmen, die aus Kostengründen im Ausland investieren, fahren ihre Investments im Inland zurück. Die Arbeitsplätze werden ins Ausland verlagert. Für diese Unternehmen hat Deutschland seine Wettbewerbsvorteile verloren. Im Bericht heißt es dazu:

„Es ist aber auch Warnsignal für den Wirtschaftsstandort Deutschland, dass die Verbesserung der Standortfaktoren in puncto Arbeitskosten, Steuern und Energiekosten hierzulande nicht mehr vorankommt.“

Hier bahnen sich also weitere Probleme für das bereits ins Wanken geratene deutsche Wirtschaftswunder an.

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