Die westlichen Ökonomien sind auf billige Energie angewiesen. Zurzeit sinkt die Nachfrage, während die Preise steigen – eine gefährliche Mixtur. Die ersten Analysten rechnen bereits mit einer erheblichen Verschärfung der Rezession in Europa, sollte der Ölpreis weiter steigen
Bruce Walker, The New American, 06.03.2012
Die europäische Wirtschaftsmaschinerie basierte von jeher auf der effizienten Nutzung der wirtschaftlichsten Energiequelle, die verfügbar ist. Im Mittelalter kam es dank der Nutzung von Wasser- und Windkraft zur ersten echten „industriellen Revolution“, da diese Energiequellen zu einem dramatischen Anstieg der Verfügbarkeit nichtmenschlicher und nichttierischer Energie führten.
In den Niederlanden pumpten Windmühlen das Wasser aus den Poldern ab und ermöglichten es einer sehr produktiven Nation buchstäblich aus der Nordsee emporzusteigen. Die Energieproduktion, so wie wir sie heute verstehen, hat tiefgreifende befreiende Effekte, da sie die Menschen von der Notwendigkeit entbindet, als Zugtiere zu arbeiten.
Als dann in England die industrielle Revolution zum Ausbruch kam, die kurze Zeit später auch auf Nordeuropa und Nordamerika übergriff, stand abermals die Energie im Zentrum des Wandels. Seit der griechische Erfinder Heron von Alexandria im antiken Ägypten ein erstes Modell entwickelt hatte, gab es Dampfmaschinen bereits in Spielzeugform, doch erst James Watt bescherte der Welt eine Dampfmaschine, mit der die durch Kohle oder Holz produzierte Hitze wirkungsvoll als Antrieb genutzt werden konnte.
Bald darauf traten auch die Amerikaner in Erscheinung. Robert Fulton gründete 1807 die erste erfolgreiche gewerbliche Dampfschifffahrtslinie. Sein Dampfschiff, das von Kritikern „Fulton´s Torheit“ genannt wurde, war im Grunde der Beginn einer windunabhängigen Ozeanschifffahrt, die es auf einmal möglich machte, bis dahin exotische Früchte wie Bananen und Grapefruits nach Boston oder New York zu transportieren.
Der interne Verbrennungsmotor war ein teures Spielzeug, bis veredelte, raffinierte Ölprodukte für eine billige und in Überfluss vorhandene Benzinversorgung sorgten. Die daraufhin einsetzende Suche nach Erdöl und dessen Förderung waren für das wirtschaftliche Wohlergehen der Amerikaner von herausragender Bedeutung.
Die Erfindungen und Risikobereitschaft der Energiebranche, besonders die der Öl- und Benzinindustrie, waren für den gesamten Planeten von Nutzen.
Heutzutage sind einige amerikanische Ölsucher der Auffassung, dass, würden sie von den radikalen Umweltschützern einfach nur in Ruhe gelassen, sich an Orten wie North Dakota mithilfe moderner Fördermethoden wie dem sogenannten „Fracking“ – also dem Aufbrechen von Schiefergestein tief unter der Erde, um so im Stein gefangenes Erdgas freizusetzen – so viele fossile Kraftstoffe produzieren ließen, dass mit den Gewinnen fast die gesamten Staatsschulden der USA beglichen werden könnten.
Fakt ist, dass billige fossile Kraftstoffe die Wirtschaft in den USA profitabler machen würden. Die Wirtschaft wäre dadurch in der Lage, mehr wirklich produktive Arbeitsplätze zu schaffen.
Ein weiterer Effekt, der zum Tragen käme, würde man die Energieproduktion in den USA wieder ausbauen – indem neue Bohrtürme, Kohleminen oder neue Atomkraftwerke errichtet würden – ist, dass die weltweiten Energiepreise dadurch stabilisiert und relativ billig würden. Geringe Kosten für fossile Kraftstoffe könnten sich als notwendig erweisen, will man verhindern, dass die Weltwirtschaft weiter in die Knie geht.
Überdies gibt es ein schlüssiges Argument, dass, sollten die Energiekosten weiter so schwankungsfreudig bleiben und in die Höhe schießen, Europa – ein wichtiger Abnehmer von US-amerikanischen Produkten und Dienstleistungen und ein Kontinent, dessen wirtschaftliche Stabilität auch amerikanische Unternehmen betrifft – in eine Rezession abtauchen könnte.
Neil Dutta, ein Ökonom der Bank of America, erklärte, dass der hohe Rohölpreis für die Weltwirtschaft „ein unzweideutiger Nachteil“ sei, und warnte, dass die Rezession in Europa sogar noch schlimmer ausfallen könnte, sollten der Ölpreis weiter steigen.
Die Union Bank of Switzerland, eines der größten europäischen Bankhäuser, geht davon aus, dass für jeden Preisanstieg in Höhe von USD 10 pro Barrel beim europäischen Bruttosozialprodukt zwischen 0,2% und 0,3% verloren gingen. Eine weitere Großbank, die Deutsche Bank, rechnet vor, dass, sollte der Rohölpreis um 50% steigen – was angesichts des aktuellen globalen Energiemarkts nicht auszuschließen ist – das Bruttosozialprodukt der Eurozone um 0,4% zurückgehen würde.
Bei einigen Ökonomen hat der steigende Ölpreis die griechische Staatsschuldenkrise als Hauptsorge im Hinblick auf die europäische Wirtschaftsentwicklung bereits verdrängt. Obwohl die Energienachfrage aufgrund der schwachen Wirtschaft zurzeit zurückgeht, bereiten ihnen die Energiekosten weiter Kopfschmerzen. Rob Dobson von Markit, ein Unternehmen, das Wirtschaftsdaten sammelt und analysiert, sagt:
„Sollte diese Kombination aus steigenden Kosten und schwacher Nachfrage weiter anhalten, wird es zunehmend schwieriger werden, wirtschaftliches Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen aufrechtzuerhalten.“
Carsten Fritsch von der Commerzbank erklärte, dass eine reduzierte Energienachfrage durchaus einen sinkenden Ölpreis zur Folge haben könnte, schränkte jedoch ein:
„Wir würden einen umfänglichen Nachfrageeinbruch wie in 2008 benötigen, um einen drastischen Preisrückgang zu sehen, speziell angesichts der preisstützenden Faktoren wie Versorgungsrisiken und reichliche [Geld-]Liquidität.“
Einige europäische Ökonomen setzen auch auf Verbesserungen der amerikanischen Wirtschaft, was der europäischen Wirtschaft trotz steigender Energiekosten einen Auftrieb verleihen soll. Jaques Cailloux, der Chefökonom der Royal Bank of Scotland, formulierte das folgendermaßen:
„Bisher gibt es keinen Hinweis darauf, dass diese höheren [Energie-]Preise einem sich aufhellenden Trend in den Vereinigten Staaten in die Quere kommen, wo das Verbrauchervertrauen zurzeit durch einen besseren Arbeitsmarkt gestützt wird.“
Amerikaner, die genötigt sind, die Obama-Rezession zu durchleben, dürften sich mit der Analyse von Cailloux jedoch kaum anfreunden, da die US-Bürger gegenwärtig immer noch von der Arbeitslosigkeit, Unterbeschäftigung und Inflation zermürbt werden.
Genau wie Europa braucht auch Amerika geringe Energiekosten, um irgendeine Art von wirtschaftlicher Erholung zu bewerkstelligen und aufrechtzuerhalten.
Die Versorgung mit billigen fossilen Kraftstoffen – eine Aufgabe, die von amerikanischen Unternehmern, die bereit sind zu investieren, wenn sie die Regierung nur ließe, ohne Weiteres realisiert werden könnte – wäre mit Sicherheit ein maßgeblicher Beitrag, um das Verbrauchervertrauen der Amerikaner wiederherzustellen, auf das Cailloux so viele Hoffnungen setzt. Wie wird das Verbrauchervertrauen der Amerikaner erst aussehen, wenn der Benzinpreis die Marke von USD 5 pro Gallone [EUR 1,00 pro Liter] knackt!