Was Viele für das neue Preisniveau von Gold halten, ist nichts weiter als eine vorübergehende Verschnaufpause. Die Wirtschaftserholung wird sich schon bald als reine Illusion herausstellen

Peter Schiff, Europacmetals.com, 05.04.2012

Seit Oktober 2011 schwankt der Goldpreis zwischen USD 1.600 pro Unze und USD 1.800 pro Unze. Man könnte das zwar durchaus der Konsolidierung zuschreiben, die das gelbe Metall nach seinem historischen Anstieg auf USD 1.895 pro Unze eingeleitet hat, ich gehe aber vielmehr davon aus, dass diese Zurückhaltung die aktuelle Stimmung gegenüber dem US-Dollar widerspiegelt.

Fakt ist, dass in den ersten Tagen des Monats April eine steile Dollar-Rally stattfand, während Gold im Preis fiel. Die Ursache dafür sind die gedämpften Erwartungen im Hinblick auf die dritte Runde der quantitativen Lockerung (QE3) nach dem jüngsten Treffen des Offenmarktausschusses der US-Notenbank. Die Märkte reagieren also wieder einmal ausschließlich auf aktuelle Schlagzeilen, während die entscheidenden Fundamentaldaten völlig aus dem Blick geraten.

Besonders merkwürdig wird das Ganze durch die Tatsache, dass die Fed QE3 nie ausdrücklich ausgeschlossen hat. Liest man sich das Protokoll des Offenmarktausschusses durch, ist es vielmehr so, dass die US-Notenbank aktuell sogar schon darauf vorbereitet ist, QE3 einzuleiten, sollte die Wirtschaftserholung schwächeln oder die Inflation zu gering ausfallen.

Und während kaum Aussicht darauf besteht, dass wir es künftig mit einer geringen Inflation zu tun haben werden, werde ich im Folgenden ausführen, warum die Wirtschaftserholung in den USA nicht nur schwächeln, sondern sich als die Illusion herausstellen wird, die sie in Wirklichkeit ist.

Das US-Außenhandelsdefizit

Die Obama-Regierung feiert gerade die jüngsten Zuwächse bei den Beschäftigungszahlen. Und obwohl es in der Tat eine wirklich tolle Geschichte ist, die wir hier in einer Ära der Massenarbeitslosigkeit aufgetischt bekommen, bricht sie im Kontext betrachtet umgehend in sich zusammen.

Die 227.000 Arbeitsplätze, die in der US-Wirtschaft jüngst hinzugekommen sind und die Arbeitslosenrate gerade einmal bei 8,3% halten können, stehen einem bedeutend schlechteren US-Außenhandelsdefizit gegenüber. Wir sprechen hier von einem monatlichen Handelsbilanzdefizit in Höhe von USD 52,4 Milliarden – das ist das höchste Niveau seit dem Crash in 2008.

Das Außenhandelsdefizit ist der wahre Gradmesser, der uns Auskunft darüber gibt, ob die Arbeitsplätze in den USA überhaupt genügend Vermögen produzieren, um den US-Konsum finanzieren zu können. Würden in den USA tatsächlich produktive Arbeitsplätze geschaffen, müsste das Außenhandelsdefizit zurückgehen.

Ein Blick auf die Daten zeigt, dass gerade einmal 16% des Beschäftigungszuwachses auf den primären und sekundären Wirtschaftssektor entfielen. Die Mehrzahl der neuen Arbeitsplätze wurde in immer noch völlig aufgeblähten Wirtschaftsbereichen wie dem Gesundheitswesen (26%), der Zeitarbeit (20%), dem Pflegebereich (19%) und dem Beratungsbereich (16%) geschaffen. Diese Arbeitsplätze werden nach dem Zusammenbruch der Blase genauso schnell verschwunden sein, wie sie gekommen sind – eine Entwicklung, die wir bereits 2008 in der Finanz- und Immobilienbranche mitverfolgen konnten, als die US-Eigenheimblase platzte.

Stellen wir uns einmal vor, dass das US-Außenhandelsdefizit wie eine Unternehmensbilanz ist. Sie stellen eine ganze Reihe neuer Mitarbeiter in Ihrer Firma ein, doch anstatt dass Sie nun höhere Gewinne machen, stellen Sie auf einmal fest, dass Sie immer mehr Geld verlieren. Wie lange werden Sie an diesen neuen Mitarbeitern wohl festhalten?

Der Bankenstresstest

Während sich US-Präsident Obama auf die Arbeitsplätze konzentriert, geht die US-Notenbank mit einem kürzlich durchgeführten Banken-„Stresstest“ hausieren, der zeigen soll, dass das Finanzsystem in guter Verfassung ist. Aber auch hier ist es bedauerlicherweise so, dass die Schlagzeilen in die Irre führen.

Mit dem jüngsten Stresstest wollte man herausfinden, inwiefern US-amerikanische Großbanken in der Lage sind, einen weiteren bedeutenden Einbruch des Eigenheim- und Aktienmarkts zu überleben. Das Problem ist nur, dass diese Blasen bereits zu weiten Teilen geplatzt sind. Stattdessen wird das nach meinem Dafürhalten wahrscheinlichste Szenario in dem Stresstest überhaupt nicht berücksichtigt: Schnell steigende Zinsen inmitten einer Dollar-Krise.

Die Zinssätze sind die wirkliche Gefahr. Ich bin der Auffassung, dass die US-Notenbank ganz genau wusste, dass die Banken diesen Test nicht bestanden hätten, weshalb das Szenario steigender Zinsen einfach ignoriert wurde. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass die Fed bei einer Blasenbildung in den Märkten ein Auge zudrücken würde. Jahrelang bestritten der Fed-Vorsitzende Ben Bernanke und andere Vertreter der US-Notenbank, dass sich der US-Eigenheimmarkt in einer Blase befindet. 2008 – lange nachdem diese Blase geplatzt war – versicherten sie der Öffentlichkeit, dass der Schaden eingedämmt würde.

Verteidiger des Stresstests erklärten, dass die Fed steigende Zinsen nicht berücksichtigt habe, weil sie als Zentralbank ja die volle Kontrolle über die Zinsen hat. Viele in Washington und an Wall Street glauben ernstlich, dass die Fed auch in Zukunft unbegrenzt Geld drucken kann, um US-Staatsanleihen zu kaufen, ohne dass dies mit Inflationsanstiegen einhergehen würde. Der Gedanke, dass die Fed an irgendeinem Punkt gezwungen sein wird, sich zwischen der Zahlungsunfähigkeit der US-Regierung und dem Zusammenbruch des US-Dollars zu entscheiden, scheint ihnen unvorstellbar.

Fakt ist aber, dass höhere Zinsen nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich sind. Beim Stresstest wurde zu Grunde gelegt, dass die Rendite für 10-jährige US-Staatsanleihen unter 1,8% bleiben wird. Diese 1,8% sind aber das aktuelle 6-Monatstief für Papiere, deren Zinsen ohnehin bereits auf ihren historischen Tiefstständen notieren. Während ich diese Zeilen schreibe, rentieren diese Papiere bereits wieder mit über 2,2%. Die durchschnittliche Rendite für 10-jährige US-Staatsanleihen liegt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bei 5,2% – genug, um das heutige Bankensystem in Schutt und Asche zu legen.

Überdies dürfen wir nicht vergessen, dass es im Jahre 1981 eines Leitzinses von atemberaubenden 20% bedurfte, um der Inflation den Gar auszumachen. Würde der Leitzins heute auf dieses Niveau klettern, bliebe der US-Regierung für ihre Militär-, Gesundheits-, Sozial-, Sicherheits-, ja selbst Polizeiausgaben überhaupt kein Geld mehr übrig, da die gesamten Steuereinnahmen für Zinszahlungen benötigt würden.

Selbst zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind die Zinssätze eine absolute Farce. Die US-Notenbank hat in 2011 61% aller vom US-Finanzministerium neu ausgegebenen Schulden gekauft, während dieser Prozentsatz vor dem Ausbruch der Finanzkrise praktisch bei null lag. Dies zeigt deutlich, dass die Nachfrage nach US-Schulden bei den aktuellen Zinsniveaus bereits wegbricht.

Das Versprechen, die Zinsen bei null zu halten

Es sollte sich daher auch niemand darüber wundern, dass die FED seltsamerweise eine Wirtschaftserholung feiert, während sie zur selben Zeit verspricht, die Zinssätze bis Ende 2014 nahe null zu halten.

1. Diese niedrigen Zinssätze würden bei Edelmetallen selbst während einer wirtschaftlichen Erholung anhaltende Preissteigerungen zur Folge haben. Jeder, der behauptet, dass diese „Erholung“ den Goldmarkt zu Fall bringt, hat nicht begriffen, was der maßgebliche Goldpreistreiber ist: Die Inflation.

2. Die Fed würde die Zinssätze überhaupt nicht so weit unten halten, wenn es in den USA eine echte Wirtschaftserholung gäbe. Wenn ich Ihnen erkläre: „Ja, Sie können jetzt Fahrradfahren!“, die Stützräder aber nach wie vor dran lasse, würden Sie mir ja auch nicht glauben, oder?

Bernanke weiß natürlich, dass die Wirtschaftserholung nicht echt ist, und nutzt die Inflation, um diese Tatsache zu verschleiern. Beides spricht für Gold.

Der Verbraucherpreisindex – welche Inflation?

Eine weitere fieberhaft vertretene Auffassung ist, dass die Inflation in Wirklichkeit keine Gefahr darstellt, ganz egal welche Maßnahmen seitens der US-Notenbank auch ergriffen würden. Diese Auffassung fußt auf dem Glauben, dass die „deflationären Kräfte“ so stark seien, dass keine Gelddruckmaßnahme der Welt sie überwältigen könnte. Als Beweis dafür wird die Kerninflation des US-Verbraucherpreisindexes herangezogen.

Im Februar (den aktuellsten Daten) ist die staatlich ausgewiesene Kerninflation lediglich um 0,1% gestiegen. Das klingt wenig, zumindest bis man die Kostensteigerungen bei Nahrungsmitteln und Benzin mit hinzurechnet. Die Inflation springt dann auf 0,4%, was einer jährlichen Teuerungsrate von über 5% entspricht. Diese 5% liegen jedoch weit über der von der Fed verkündeten jährlichen Zielinflation von 2% – aber wir hören dafür weder eine Erklärung noch eine Entschuldigung.

In Wahrheit ist die Situation aber noch schlimmer, da die wirkliche Inflationsrate, wie sie von unabhängigen Beobachtern ermittelt wird, eher im Bereich von 10% liegt. Das bedeutet, dass man mit einem jährlichen Goldpreisanstieg von 10% rechnen kann, nur damit das gelbe Metall seine Kaufkraft bewahrt.

Nehmen wir beispielsweise Benzin. Der Benzinpreis ist mittlerweile auf fast USD 4 pro Gallone gestiegen. Präsident Obama hat versprochen, einen Teil der strategischen Ölreserven zu verkaufen, um den Preis unten zu halten – doch wir haben überhaupt kein Versorgungsproblem. Die strategischen Ölreserven der USA sind für Krisen gedacht, wo die Ölversorgung kurzfristig unterbrochen ist, aber wir haben überhaupt keine Versorgungsausfälle. Das Öl fließt.

Die US-amerikanische Ölproduktion ist auf dem höchsten Stand seit 1993, während der Verbrauch aufgrund der Rezession unter das Niveau des Jahres 1997 gefallen ist. Es gibt ja auch keinen Grund, Benzin zu kaufen, um auf Arbeit zu fahren, wenn man ohnehin arbeitslos ist. Das Problem ist die Inflation, die das Geld, das wir zum Benzinkauf nutzen, wertlos macht.

Der Beweis? Für ein paar Zehn-Cent-Stücke aus Silber, so wie sie vor 1965 im Umlauf waren, bekommen Sie heute immer noch eine Gallone Benzin, während Sie für ein paar Zehn-Cent-Stücke aus Kupfer, die nach 1965 in Umlauf gebracht wurden, heutzutage nicht einmal mehr ein Päckchen Kaugummis erhalten.

Der Dollar hat so stark an Wert verloren, dass die US-Regierung sogar Verluste einfährt, wenn sie Ein-Cent-Münzen prägt. Nicht etwa, weil diese aus Kupfer sind, nein – Kupfer ist bereits seit langem viel zu teuer. Die Ein-Cent-Münzen werden mittlerweile aus Zink gefertigt, ein Metall, das so billig ist, das sein Preis pro Tonne angegeben wird. Und trotzdem ist selbst Zink immer noch viel zu teuer, als dass es sich rechnen würde!

Also, wo ist die Inflation? Überall!

Die Erholungs-Euphorie wird verfliegen

Für skeptische Beobachter ist es extrem einfach geworden, die angebliche Wirtschaftserholung zu entlarven. Bedauerlicherweise scheinen die meisten Marktteilnehmer aber noch jede Meldung von Vater Staat für bare Münze zu nehmen. Für die Wirtschaft ist das natürlich extrem gefährlich, für clevere Investoren hingegen eine großartige Gelegenheit.

Wenn ein Vermögenswert wie Gold über einen gewissen Zeitraum hinweg eine Seitwärtsbewegung hinlegt, dann werden selbst diejenigen, die eigentlich über einen guten Riecher verfügen, denkfaul. Sie fangen damit an, das als das neue „Preisniveau“ zu erachten anstatt als verlängerten Kursrücksetzer, bei dem der Preis unter dem wahren Wert liegt.

Die Erholungs-Euphorie wird schon bald wieder abklingen. Washington wird dann gezwungen sein, Propaganda zu veröffentlichen, die noch stärker von der Realität abweicht. Gold wird dann wieder richtig an Fahrt aufnehmen.

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