Kein physischer Markt kann sich diesen Gewalten widersetzen – auch nicht der Goldmarkt

Eric Sprott & David Baker, 27.04.2012

Es ist vielleicht nicht sonderlich überraschend, aber wir können immer noch keine US-Wirtschaftserholung erkennen.

Wir befinden uns bereits mitten in 2012 und der US-Eigenheimmarkt ist immer noch in der Krise. Im US-Eigenheimmarkt findet schlicht keine Erholung statt. Im März dieses Jahres fielen die Verkäufe von neuen Eigenheimen bereits den vierten Monat in Folge auf saisonal bereinigte 328.000. Im Februar wurden 353.000 Einheiten verkauft. Wissen Sie, wo die durchschnittliche monatliche Verkaufsrate in 2006 lag? Bei rund 1,21 Millionen. Hier gibt es also keine Erholung.

Dasselbe lässt sich über den Verkauf von älteren US-Eigenheimen sagen. Im März dieses Jahres fielen die Verkaufszahlen überraschend auf eine Jahresrate von 4,48 Millionen. Falls Sie wissen möchten, wo diese Zahl in 2006 lag, bevor das Finanzsystem zusammengebrochen ist: Bei rund 6,92 Millionen. Auch hier ist keine Erholung in Sicht.

Kommen wir zur Arbeitslosigkeit in den USA. Während die jüngsten Daten zur Einkommensentwicklung bejubelt wurden, scheint man die Arbeitslosigkeit völlig aus den Augen verloren zu haben – und das obwohl die Daten äußerst schwach waren. Das US-Arbeitsministerium erklärte, dass im März dieses Jahres lediglich 120.000 neue Arbeitsplätze geschaffen worden, was unter den Erwartungen von 200.000 Arbeitsplätzen lag. Das hat nichts mit einer Erholung zu tun, sondern das sind einfach nur schwache Daten.

Dasselbe gilt für die Neuanmeldungen für Arbeitslosengeldzahlungen, die in den letzten zwei Wochen jeweils über 380.000 lagen – also über der Marke von 375.000, was angeblich eine steigende Arbeitslosigkeit nahelegt. Noch einmal: Das hat nichts mit positiven Wirtschaftsdaten zu tun, das sind schlicht schwache Daten. Wie stark müssen die Neuanmeldungen noch steigen, bevor die Ökonomen einräumen, dass die Daten schwach sind? 400.000? 425.000? Es wäre schon interessant, das zu erfahren.

Und auch die Steuereinnahmen weisen in dieselbe Richtung. Würde die US-Wirtschaft aktuell tatsächlich eine so starke Erholung durchmachen, ja warum steigen die Steuereinnahmen dann nur um 2%? Von Januar bis März 2012 lagen sie bei USD 484 Milliarden. Im entsprechenden Vorjahreszeitraum waren es USD 475 Milliarden. Ein 2%iger Anstieg bei den Steuereinnahmen lässt sich schon alleine durch die Inflation erklären, die von der US-Behörde für Arbeitsmarktstatistik jüngst mit 2,7% veranschlagt wurde. Müssten die Steuereinnahmen nicht höher ausfallen? Ist die Arbeitslosigkeit dieses Jahr doch nicht so stark gesunken? Associated Press kommentiert:

„Die Arbeitslosenrate ist von 9,1% im August [2011] auf 8,2% im März [2012] gefallen. Ein Teil dieses Rückgangs ist darauf zurückzuführen, dass Menschen die Suche nach Arbeit aufgaben. Die Leute haben zwar keine Arbeit, doch wenn sie nicht nach Arbeit suchen, zählt das nicht als arbeitslos.“

Oh Sorry … jetzt machen die Daten ja viel mehr Sinn. Real gab es also überhaupt keine Beschäftigungszunahme. Frage: Wenn jeder nächste Woche „aufgibt“, nach Arbeitsplätzen zu suchen, sinkt die US-Arbeitslosenrate dann auf null?

Es gibt auch noch andere Indikatoren, die auf genau das Abwärtsmomentum der US-Wirtschaft hindeuten, das von den Wirtschaftsexperten bestritten wird. Nehmen wir beispielsweise den ECRI Weekly Leading Indicator Index, der sich dieses Jahr zwar von seinen Tiefstständen in 2011 erholen konnte, seinen Abwärtstrend im April jedoch wieder fortsetzte. Vor kurzem wurde gemeldet, dass die Bestellung von langlebigen Wirtschaftsgütern in den USA im März um 4,2% zurückging. Das ist der größte Rückgang seit Januar 2009.

Und um das alles noch zu toppen, legen die jüngsten Daten des chinesischen Einkaufsmanagerindexes (EMI) nahe, dass die Aktivität der chinesischen Hersteller nun bereits den sechsten Monat in Folge rückläufig ist.

Unterdessen wird die Krise in Europa immer schlimmer. Es gibt keinen Grund, hier ein Blatt vor den Mund zu nehmen: Spanien ist eine einzige Katastrophe. Zwar gelang es der spanischen Regierung letzte Woche, zwei Anleiheauktionen über die Bühne zu bringen, aber nur um dann mit ansehen zu müssen, wie die Rendite für 10-jährige Staatsanleihen direkt nach dem Ende der zweiten Auktion wieder in die Höhe schoss.

Alle sind nervös, da das spanische Bankensystem gegenwärtig in faulen Krediten in Höhe von EUR 143,8 Milliarden versinkt, während der Privatsektor nicht bereit ist, spanischen Banken Geld zu leihen, das sie benötigen, um die potenziellen Abschreibungen zu bewältigen.

Wie aus der nachfolgenden Grafik hervorgeht, leiden die spanischen Banken in Wirklichkeit unter der Kapitalflucht ihrer Kunden. Es wird davon ausgegangen, dass alleine im März dieses Jahres EUR 65 Milliarden aus den spanischen Banken abgezogen wurden. Die Menschen ziehen ihr Geld aus dem spanischen Bankensystem ab, und ohne die großzügige Hilfe der Europäischen Zentralbank befänden sich die spanischen Banken wahrscheinlich bereits im vollständigen Zusammenbruch.

Bisher haben sich die spanischen Banken bereits die enorme Summe von EUR 316,3 Milliarden von der EZB geliehen, um die Abhebungen ihrer Kunden bewältigen zu können und die Illusion der Zahlungsfähigkeit aufrecht zu erhalten.

Vielleicht ist es eine Art von Euro-Krisen-Müdigkeit oder einfach nur die Leugnung der Realität – aber die Aktienmärkte scheinen nicht wahrhaben zu wollen, wie nahe Europa vor der nächsten Runde wirtschaftlicher Verwerfungen steht.

Die spanische Wirtschaft ist fast viermal so groß wie die Griechenlands. Darüber hinaus verfügt Spanien über mehr als das Vierfache an ausstehenden vom Ausland gehaltenen Schulden. Sollten die Anleihe-Spekulanten sich auf Spanien einschießen und beschließen, die 10-jährige spanische Staatsanleihe – deren Rendite zurzeit gefährlich nahe der Marke von 6% liegt – zu attackieren, könnten wir schon bald wieder genau dort sein, wo wir uns im September letzten Jahres befanden, nur das das Problem dieses Mal viermal größer wäre.

Und auch im Rest Europas sieht es nicht besonders gut aus. Der italienische Anleihemarkt befindet sich aktuell in einer ähnlichen Situation wie der Spaniens. Die Rendite für die 10-jährige italienische Staatsanleihe liegt gefährlich nahe der Marke von 6%. Der europäische Einkaufsmanagerindex weist für März 47,4 Punkte aus und liegt somit deutlich unter der 50-Punkte-Marke, die auf ein Wachstum in der Industriebranche hindeutet. Der deutsche EMI bestätigt diesen Trend und fiel von 48,4 Punkten im März auf 46,3 Punkte im April. Das ist der schnellste Rückgang seit Juli 2009.

Dank dieser Rückgänge bei der Wirtschaftsaktivität und den Austeritätsmaßnahmen, die die meisten Euroländer zurzeit umsetzen wollen, steht praktisch fest, dass noch vor Ende dieses Jahres weitere frisch gedruckte Gelder in die europäischen Anleihemärkte gepumpt werden. Es ist lediglich eine Frage des Wann.

Und wie zu erwarten war, sind die Mächtigen jetzt voll und ganz damit beschäftigt, sich auf eine neue Runde der Eurozonen-Panik vorzubereiten. Der Internationale Währungsfonds nutzte die Sorgen, um seine Bedeutung als Bereitsteller finanzieller Brandmauern zu bekräftigen, und sicherte sich jüngst von verschiedenen G20-Ländern USD 430 Milliarden an neuen „Finanzzusagen“, um seine Kreditvergabekapazität auf USD 700 Milliarden auszuweiten, falls es in der Eurozone doch zu weiteren Problemen kommen sollte.

Wenig überraschend war, dass sich die BRICS-Länder im Hinblick auf die unausgewogene Stimmverteilung im IWF zugunsten der westlichen Länder irritiert zeigten. Auf einer IWF-Pressekonferenz kritisierte der brasilianische Finanzminister die unausgewogenen Stimmquoten, die den Ausgang der IWF-Beschlüsse bestimmen:

„Der kalkulierte Quotenanteil von Luxembourg ist größer als der von Argentinien oder Südafrika … Der Quotenanteil von Belgien ist größer als der von Indonesien und ungefähr dreimal so groß wie der von Nigeria. Und die Quote Spaniens, so erstaunlich dies auch anmuten mag, ist größer als die Summe der Quoten aller 44 südafrikanischen Länder zusammengenommen.“

Dieses Ungleichgewicht machte früher ja noch Sinn, da der IWF ins Leben gerufen wurde, um scheiternde Dritte-Welt- und Schwellenländer bei Wirtschaftskrisen finanziell zu unterstützen, doch es ist offenkundig, dass das heutzutage nicht mehr die Hauptaufgabe des IWF ist.

Für die BRICS-Länder muss die Lage zurzeit recht schwierig sein: Einerseits versuchen sie weiterhin bei den westlichen Mächten Respekt zu erheischen und bestehen darauf, an quasi europäischen Rettungsfonds wie dem IWF zu partizipieren, andererseits sind sie sich natürlich völlig im Klaren darüber, dass die westlichen Länder zurzeit still und leise versuchen, ihre nationalen Währungen zu entwerten, was für sie als Exporteure und Geldgeber sehr nachteilige Auswirkungen hat.

Vor diesem Hintergrund war es dann auch interessant, zu sehen, dass eines der Hauptthemen der letzten BRICS-Konferenz in Neu-Delhi die Schaffung der ersten offiziellen Institution dieser Gruppe war. Es ging um eine sogenannte „BRICS-Bank“, die Entwicklungs- und Infrastrukturprojekte in Entwicklungsländern finanzieren soll.

Und obwohl es nicht öffentlich diskutiert wurde, legen die Meldungen nahe, dass die BRICS-Länder sogar über die Schaffung einer Art von BRICS-Zentralbank sprachen – also einer Institution, die ihre Fähigkeit verbessert, „mehr Geschäfte in ihren lokalen Währungen abzuwickeln und dabei helfen soll, sich vor US-Dollar-Schwankungen zu schützen.“

Wir können uns angesichts des unglaublichen Ausmaßes an westlichen Zentralbankinterventionen der vergangenen sechs Monate sicher sein, dass die BRICS-Länder bezüglich all dieser Gelddruckmaßnahmen außerordentlich frustriert sind. Die Frage lautet daher, was die BRICS-Länder dagegen unternehmen und welche Vermögenswerte sie akkumulieren werden, um sich vor dem Unvermeidlichen zu schützen. Womit wir auch schon beim Thema Gold wären.

Obwohl der Papiergoldpreis im April heftigen Kursbewegungen ausgesetzt war, durchläuft der physische Goldmarkt zurzeit atemberaubende Veränderungen. Zu Beginn dieses Monats wurde bekannt, dass die chinesischen Goldimporte über Hongkong im Februar 2012 bei knapp 40 Tonnen lagen – was einen 13-fachen Anstieg gegenüber dem Vorjahresmonat darstellt, wie aus der nachfolgenden Grafik hervorgeht. 40 Tonnen pro Monat entsprechen einer jährlichen Goldeinfuhr von 480 Tonnen. Das ist eine riesige Menge an Gold, wenn man bedenkt, dass es hier um einen Markt geht, der im Jahre 2011 gerade einmal 2.810 Tonnen produzierte.

Wenn es etwas gibt, worüber wir uns sicher sein können, dann ist es die Tatsache, dass sich der Markt über die Bedeutung der Veränderungen auf der Nachfrageseite, die zurzeit im physischen Goldmarkt zu beobachten sind, überhaupt noch nicht im Klaren ist.

China hat alleine innerhalb der vergangenen acht Monate 436 Tonnen Gold über Hongkong eingeführt. Im Vorjahreszeitraum (Juli 2010 bis Februar 2011) lagen die chinesischen Goldeinführen über Hongkong gerade einmal bei 57 Tonnen. Die Nettonachfrage aus China ist also um 379 Tonnen angestiegen. Rechnet man das aufs Jahr hoch, kommt man auf 568 Tonnen an zusätzlicher Goldnachfrage – und das in einem Markt, wo die Jahresproduktion der Minen bei 2.810 Tonnen liegt. Das sind erstaunliche Zahlen.

Vor kurzem veröffentlichte IWF-Daten zeigen, dass es alleine im März dieses Jahres wenigstens zwölf Länder gegeben hat, die ihre physischen Goldreserven um insgesamt 58 Tonnen aufstockten. Zu diesen Ländern gehören Mexiko, die Türkei, Russland und Kasachstan. 58 Tonnen pro Monat entsprechen einer Jahresrate von 696 Tonnen. Wir wissen, dass die Zentralbanken in 2011 439,7 Tonnen Gold gekauft haben, und sollte die aktuelle Rate der Zentralbankkäufe weiter anhalten, würde das 256 Tonnen an zusätzlicher Goldnachfrage für den physischen Goldmarkt bedeuten.

Das ist eine erhebliche Veränderung auf der Nachfrageseite. Rechnen wir den Nachfrageanstieg Chinas (568 Tonnen pro Jahr) und den der Zentralbanken (256 Tonne) zusammen, kommen wir auf 824 Tonnen an zusätzlicher Nachfrage, denen eine jährlichen Minenversorgung von 2.810 Tonnen Gold gegenübersteht. Das entspricht einer fast 30%igen Veränderung des Goldmarkts in 2012.

Und wenn wir hier noch die Goldproduktion Chinas und anderer Nicht-G6-Ländern wie Russland und Mexiko herausrechnen – da wir wissen, dass das dort geförderte Gold garnicht erst auf den Markt gelangt – stehen unsere 824 Tonnen an zusätzlicher Goldnachfrage einer jährliche Minenversorgung von gerade einmal 2.170 Tonnen Gold gegenüber, was einer Veränderung von 38% entspräche.

Und obschon wir fortwährend daran erinnert werden, dass die Fundamentaldaten in den heutigen Märkten angeblich überhaupt keine Rolle mehr spielen, gibt es keinen physischen Markt auf dem Planeten, der sich einem derartigen Nachfrageanstieg widersetzen könnte, ohne dass es langfristig zu höheren Preisen kommt. Der Goldmarkt ist hiervon natürlich nicht ausgenommen.

Unseres Wissens gibt es keine Verkäufer von physischem Gold, die in der Lage sind, dieses Ausmaß an neuer Nachfrage zu befriedigen, und die weltweite Goldminenversorgung ist die vergangenen zehn Jahre im Grunde auf der Stelle getreten. Ja selbst wenn wir noch die 1.600 Tonnen an recyceltem Altgold hinzunehmen, auf die der World Gold Council bei seinen Schätzungen zur jährlichen Goldversorgung hinweist, würde dies immer noch auf eine Nachfrageveränderung von 19% hindeuten.

Und wer soll sich nun bei seinen Goldkäufen zurückhalten, um dieser neuen Nachfrage Raum zu verschaffen? Wo soll das Gold herkommen? Wir können Ihnen diese Frage jedenfalls nicht beantworten.

Wir haben ja bereits in aller Ausführlichkeit darüber geschrieben, dass zwischen dem Papiergoldpreis mit dem physischen Goldmarkt eine erhebliche Diskrepanz besteht. Sollte sich die Nachfrage so verändern, wie es von uns hier beschrieben wurde, würde die investierende Öffentlichkeit in jedem anderen Markt den Verstand verlieren.

Stellen Sie sich beispielsweise vor, die oben beschriebenen Nachfrageveränderungen kämen beim weltweiten Rohölmarkt zum Tragen. Was würde passieren, wenn ein einziges Land seine Ölkäufe urplötzlich auf 30% der weltweiten Jahresversorgung ausweitet? Wir schauen immer erst auf den physischen Markt – und die Zahlen sprechen für sich.

Im Hinblick auf Gold sind wir zuversichtlich und zwar aus dem einfachen Grund, weil die Nachfrage nach physischem Gold, die sich zurzeit beobachten lässt, ohne höhere Preise nicht zu bewältigen ist – und wir gehen in diesem Zusammenhang nicht davon aus, dass die Nachfrage in den kommenden Monaten nachlassen wird.

Die US-Erholung findet überhaupt nicht statt. Europa steht vor einer neuen und massiven Wirtschafkrise. Und die BRICS-Länder gehen unterdessen aggressiv in harte Vermögenswerte wie Gold, um sich vor der Währungsentwertung zu schützen.

Der Goldpapiermarkt kann mit seinem Affentheater ja gerne weitermachen, aber die Nachfrage auf dem physischen Goldmarkt wird den Papiermarkt schon bald alleine aufgrund ihres Momentums überwältigen. Man kann nur eine begrenzte Menge physisches Gold aus dem Boden holen – und es sieht ganz danach aus, als gäbe es ein paar sehr große Käufer, die darauf aus sind, dieses Gold in ihre Finger zu bekommen.

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