Würde die Staatskrake auf die jahrhundertealte Allianz mit den Intellektuellen und Ideologen verzichten, lägen ihre Überlebenschancen bei null

Murray Rothbard, The Ethics of Liberty, 1982
(Auszug – Kapitel 22, S. 161)

Der deutsche Soziologe des 19. Jahrhunderts Franz Oppenheimer hat das Problem prägnant beschrieben, als er darauf hinwies, dass es zwei, und nur zwei Methoden gibt, wie man sich in einer Gesellschaft Vermögen aneignen kann: a) Mittels der Produktion und des freiwilligen Tauschs mit anderen – also der Methode des freien Markts; und b) durch die gewaltsame Enteignung des von anderen produzierten Vermögens.

Letzteres ist die Methode der Gewalt und des Diebstahls. Von der ersteren profitieren alle involvierten Parteien; von der letzteren profitiert die plündernde Gruppe oder Klasse parasitär auf Kosten der Geplünderten.

Oppenheimer bezeichnete die erstgenannte Methode der Vermögensaneignung treffend als „die wirtschaftlichen Mittel“ und letztere als „die politischen Mittel“. Dann führte Oppenheimer auf brillante Art weiter aus, dass der Staat als „die Organisation der politischen Mittel“ zu definieren sei.

Nirgends wird das Wesen des Staats als kriminelle Vereinigung so eindringlich oder brillant beschrieben wie in der nachfolgenden Passage von Lysander Spooner:

„Es ist wahr, dass die Theorie unserer Verfassung besagt, dass alle Steuern freiwillig bezahlt werden; dass unsere Regierung ein einvernehmliches Versicherungsgeschäft ist, das die Menschen freiwillig miteinander eingegangen sind …

Doch die Theorie über unsere Regierung und die praktische Wirklichkeit unterscheiden sich völlig. Tatsache ist, dass die Regierung den Menschen genauso wie ein Wegelagerer sagt: ´Geld oder Leben!` Und viele, wenn nicht gar die meisten Steuern werden unter dem Zwang dieser Bedrohung bezahlt.

Nun ist es nicht so, dass die Regierung einem Mann an einem einsamen Ort auflauert, plötzlich auf die Straße springt und ihm eine Pistole an den Kopf hält, um ihm seine Taschen zu leeren. Aber der Raub bleibt nichtsdestotrotz immer noch ein Raub; und er ist wesentlich niederträchtiger und schändlicher.

Der Wegelager nimmt die Verantwortung, die Gefahr und das Verbrechen seiner eigenen Handlung allein auf sich. Er gibt nicht vor, dass er irgendeinen rechtmäßigen Anspruch auf Ihr Geld hat oder beabsichtigt, es zu Ihrem Wohl einzusetzen. Er gibt nicht vor, irgendetwas anderes zu sein als ein Räuber. Er verfügt nicht über genügend Unverschämtheit zu behaupten, dass er lediglich ein ´Beschützer` sei und das Geld der Menschen nur deshalb gegen ihren Willen an sich nehmen würde, damit er in der Lage ist, die geblendeten Reisenden ´zu schützen`, die selbst vollkommen fähig sind, sich zu schützen, oder sein seltsames System des Schutzes nicht begrüßen. Er ist zu vernünftig, als dass er solche Behauptungen von sich gäbe.

Darüber hinaus verlässt er Sie wieder, nachdem er Ihr Geld gestohlen hat, so wie Sie es von ihm erwarten. Er besteht nicht darauf, Sie weiter gegen Ihren Willen auf der Straße zu begleiten; sich aufgrund des ´Schutzes`, den er Ihnen zukommen lässt, anzumaßen, Ihr rechtmäßiger ´Souverän` zu sein. Er ´schützt` Sie nicht mehr länger, indem er Ihnen befiehlt, auf die Knie zu fallen und ihm zu dienen, indem er dieses von Ihnen verlangt und jenes verbietet; indem er Ihnen noch mehr Geld raubt, so oft es in seinem Interesse liegt oder er Lust danach verspürt; und indem er Sie als Rebell, Verräter und Landesfeind abstempelt und Sie ohne Gnade erschießt, wenn Sie seine Autorität bestreiten oder seinen Forderungen widersprechen.

Er ist viel zu sehr Ehrenmann, um sich derartiger Hochstapelei, Ehrenkränkungen und Schurkereien schuldig zu machen. Kurzum: Nachdem er Sie ausgeraubt hat, versucht er nicht auch noch, Sie in sein Werkzeug oder seinen Sklaven zu verwandeln.“

Es ist aufschlussreich, der Frage nachzugehen, warum sich der Staat im Gegensatz zum Wegelagerer ausnahmslos in eine Legimitations-Ideologie hüllt, warum er all den von Spooner beschriebenen Heucheleien frönen muss.

Der Grund ist, dass es sich beim Wegelagerer nicht um ein sichtbares, permanentes, legales oder legitimes Mitglied der Gesellschaft handelt, von einem angesehenen gesellschaftlichem Status ganz zu schweigen. Er ist immer vor seinen Opfern oder dem Staat selbst auf der Flucht.

Im Gegensatz zu einer Bande von Wegelagerern wird der Staat aber nicht als kriminelle Vereinigung erachtet; ganz im Gegenteil, seine Lakaien haben in der Regel Positionen mit dem höchsten gesellschaftlichen Status inne. Es ist ein Status, der es dem Staat erlaubt, sich von seinen Opfern zu nähren, während er wenigstens die meisten von ihnen dazu bringt, diesen ausbeuterischen Prozess zu unterstützen oder zumindest zu resignieren.

Genau das ist in Wirklichkeit die Funktion der ideologischen Lakaien und Verbündeten des Staats – der Öffentlichkeit zu erklären, dass der Kaiser tatsächlich ganz wunderbare Kleider anhat. Kurz gesagt müssen die Ideologen erklären, dass – während Diebstahl durch eine oder mehrere Personen oder Gruppen schlecht und kriminell ist – es kein Diebstahl ist, wenn es der Staat tut, sondern ein legitimer, gar geheiligter Akt namens „Besteuerung“.

Die Ideologen müssen erklären, dass der von einer oder mehreren Personen oder Gruppen begangene Mord schlecht ist und bestraft werden muss, es aber kein Mord ist, wenn der Staat tötet, sondern ein würdevoller unter dem Namen „Krieg“ oder „Unterdrückung interner Subversion“ bekannter Akt. Sie müssen erklären, dass – während Entführung und Sklaverei schlecht ist und bei privaten Personen oder Gruppen verboten werden muss – es sich, wenn der Staat derlei Dinge tut, nicht um Sklaverei und Entführung, sondern um „Wehrpflicht“ handelt, um eine für das öffentliche Wohl notwendige Maßnahme und gar eine Erfordernis der Moralität an sich.

Die Aufgabe etatistischer Ideologen ist es, die falschen Kleider des Königs zu weben, um die Öffentlichkeit von einem massiven Doppelstandard zu überzeugen: Dass, wenn der Staat die schwersten Hochverbrechen begeht, er dies in Wirklichkeit garnicht tut, sondern etwas anderes macht, das notwendig, angemessen, unabdingbar ist und in früheren Zeiten sogar göttlicher Befehl war. Der jahrhundertelange Erfolg der Ideologen des Staats ist vielleicht der gigantischste Schwindel in der Geschichte der Menschheit.

Ideologie ist für die kontinuierliche Existenz des Staats immer von entscheidender Bedeutung gewesen, wie die systematische Nutzung von Ideologie seit den antiken orientalischen Imperien bezeugt. Der konkrete Inhalt der Ideologie hat sich natürlich im Laufe der Zeit und gemäß den sich wandelnden Rahmenbedingungen und Kulturen verändert. Im orientalischen Despotismus wurde der Herrscher selbst von der Kirche oftmals als heilig erachtet, in unserem modernen säkularen Zeitalter geht das Argument mehr in Richtung des „Gemeinwohls“ und der „allgemeinen Wohlfahrt“.

Der Zweck ist aber immer derselbe: Die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass das, was der Staat tut, kein, wie man vielleicht glauben könnte, Verbrechen gigantischen Ausmaßes ist, sondern etwas notwendiges und unabdingbares, das man unterstützen muss und dem man sich zu unterwerfen hat.

Diese Ideologie ist für den Staat von so entscheidender Bedeutung, weil der Staat im Grunde immer durch die Unterstützung der Mehrheit der Öffentlichkeit getragen wird. Diese Unterstützung ist notwendig, egal, ob es sich beim Staat um eine „Demokratie“, eine Diktatur oder eine absolute Monarchie handelt, da die Unterstützung auf der Bereitschaft der Mehrheit beruht (nicht einer jeden Person), bei dem System mitzumachen: Seine Steuern zu zahlen, ohne sich groß zu beschweren, in den Kriegen des Staats zu kämpfen, den Regeln und Dekreten des Staats zu gehorchen.

Diese Unterstützung muss keine aktive Begeisterung sein, um effektiv zu sein; genauso gut braucht es auch bloß passive Resignation zu sein. Aber die Unterstützung muss da sein. Denn wäre die Mehrheit der Öffentlichkeit von der Illegitimität des Staats wirklich überzeugt, wäre sie davon überzeugt, dass der Staat nichts mehr und nichts weniger als eine gigantische Räuberbande ist, dann würde der Staat zeitnah kollabieren und würde über genauso wenig Ansehen oder Bedeutung verfügen wie irgendeine andere Mafiabande.

Daher die Notwendigkeit, dass der Staat Ideologen beschäftigt; und daher die Notwendigkeit der jahrhundertealten Allianz des Staats mit den Hof-Intellektuellen, die die Apologie staatlicher Herrschaft weben.

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