Es gibt nur ein Monster, vor dem sich die Zentralbanker fürchten: Das Deflations-Monster. Verschiedene Finanzführer warnen davor, dass man jetzt nur noch drei Monate Zeit hat, um den Euro zu retten. Sollten die politischen Führer dabei scheitern, bewegen wir uns in die nächste katastrophale Deflationsphase

Julian D. W. Phillips, GoldForecaster.com, 25.06.2012

Die letzten paar Jahre konnten wir mitverfolgen, wie sich die Kreditkrise in eine europäische Staatsschuldenkrise verwandelt hat, eine Krise, die durchaus wieder auf der anderen Seite des Atlantiks aufschlagen und den US-Staatsanleihemarkt in Mitleidenschaft ziehen könnte.

Während dieser Phase kam es zu einer Reihe von Behelfsmaßnahmen, die aber lediglich dazu geführt haben, dass die Krise immer weiter verlängert wurde, ohne dass es zu irgendwelchen realen strukturellen Verbesserungen gekommen wäre.

Überdies konnten wir beobachten, dass den Zentralbanken der Schwarze Peter zugeschoben wurde, obwohl sie die Regierungsmaßnahmen eigentlich nur begleiten und nicht selbst Politik machen sollen. Und jetzt gehen den Zentralbankern die Mittel aus, um eine Aufgabe zu bewältigen, die ihnen nie hätte zugeschoben werden dürfen.

Die politischen Führer – die gewöhnlich nur dann handeln, wenn sie Angst um ihre politische Karriere haben – ergriffen lediglich homöopathische Maßnahmen, mit denen bisher keinerlei überzeugenden Erfolge erzielt werden konnten. Das grundlegende Problem ist in der Funktionsweise der westlichen Nationen zu suchen.

Genauso wie Aktienunternehmen im Interesse ihrer Anteilseigner agieren und Gewinne generieren müssen, arbeiten auch die Politiker im Rahmen eines demokratischen Gefüges, wo sie, die nächsten Wahlen im Hinterkopf, darauf aus sind, ihre Wählerbasis zu schützen. Diese verschiedenen Interessen und Ziele haben aber nichts mit den Zielen gemein, die verfolgt werden müssten, um weltweit auf allen Ebenen Wirtschaftswachstum zu erreichen – ein Wachstum, das so stark sein muss, dass man in der Lage ist, die Staatsverschuldung der Länder abzusenken und die Steuereinnahmen zur selben Zeit auszuweiten, um so die notwendigen Gelder zur Erreichung dieser Ziele generieren zu können.

Es ist nun fast schon fünf Jahre her, als die Zentralbanken die ersten Schritte einleiteten, um die Weltwirtschaft über Wasser zu halten, und die politischen Führer sehen sich bereits das dritte Jahr in Folge gezwungen, auf die schwindenden Hoffnungen bezüglich einer Lösung der europäischen Schuldenkrise zu reagieren, die jetzt auch noch droht, Spanien und Italien zu erfassen, während sich die US-Wirtschaft und die chinesische Wirtschaft abschwächen. Die Schätzung für das weltweite Wirtschaftswachstum wurde von 3,4% im Mai dieses Jahres auf aktuell 3,2% abgesenkt, und die Prognose fällt weiter.

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) erklärte in einem vergangene Woche veröffentlichten Bericht, dass die Industrieländer die Grenzen der Geldpolitik bereits ausgereizt haben. Die Zentralbankbilanzen enthalten jetzt Vermögenswerte im Gesamtwert von USD 18 Billionen, was rund 30% des weltweiten Bruttosozialprodukts entspricht und ein doppelt so hoher Wert ist wie noch vor zehn Jahren. Unterdessen befinden sich die Zinssätze, so die BIZ, auf dem absoluten Tiefststand.

Laut der BIZ sind die Zentralbanken von den Regierungen in die Ecke getrieben worden. Die Staaten haben die Zentralbanken dazu gezwungen, die geldpolitischen Belebungsmaßnahmen weiter fortzusetzen, anstatt ihre eigenen Laden fiskalisch wieder in Ordnung zu bringen. Mit der Geldpolitik würden sich die politischen Führer kurzfristig zwar etwas Zeit kaufen, um zu handeln, doch ginge dies mit einer anhaltenden Periode wirtschaftlicher Risiken einher.

Das anhaltende Versagen der Politiker – Oder sollten wir hier fairerweise vom Versagen des politischen Systems sprechen? – energische und entschiedene Maßnahmen einzuleiten, um die Ziele zu erreichen, hat dazu geführt, dass es bei den Finanz- und Geldsystemen der Industrieländer zu einem grundlegenden Vertrauensverlust gekommen ist. Unterdessen passen die Schwellenländer ihre neueren Systeme denen der Industrieländer auch noch an, wodurch das Scheitern nur noch verstärkt wird.

Erstaunlicherweise wird jetzt sogar davon gesprochen, dass die Schwellenländer zur treibenden Kraft der Weltwirtschaft werden sollten. Die gesamte asiatische Wirtschaftsentwicklung basierte ja darauf, die Fertigungsindustrie des Westens zu ersetzen. Darüber hinaus treibt China die Internationalisierung des Yuan voran – eine Strategie, die für den US-Dollar unvermeidlich genau dieselben Folgen haben wird wie die der chinesischen Produktion für den Westen.

Im Endeffekt kommt es dadurch zu einer Verschiebung der Macht und des Vermögens in Richtung Asien – eine Entwicklung, die unerbittlich anhält, was natürlich die Macht und die Zukunft der Industrieländer untergräbt.

Christine Lagarde vom Internationalen Währungsfonds und drei weitere realistische Finanzführer warnen, dass man jetzt nur noch drei Monate Zeit hat, um den Euro zu retten. Sollten sie dabei scheitern, bewegen wir uns in die nächste katastrophale Deflationsphase – das schwarze Loch der Deflation. Diese Entwicklung ließ sich bereits in der Vergangenheit beobachten, und es ist die größte Angst der Zentralbanker.

Gold als alternative Währung

Viele Verfechter von Gold sind der Auffassung, dass das gelbe Metall in der Lage ist, die Fiatwährungen zu ersetzen. Wir gehören nicht dazu. Hier geht es nicht darum, Recht zu haben – im gegenwärtigen Machtgefüge geht es einzig darum, ob die Verwendung von Gold als Geld überhaupt akzeptiert würde. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass die Machthaber die Idee, Gold als Geld zu verwenden, unterstützen würden. Nichtsdestotrotz weisen sie Gold eine gewichtige Aufgabe zu.

Die Ängste der Zentralbanken

Einige Beobachter erklären uns nun schon seit Jahren, dass die große „schwarze Bestie“, vor der sich die Finanzwelt fürchtet, die Inflation sei. Die Zentralbanker fürchten die Deflation aber weit mehr als die Inflation und hatten die letzten fünf Jahre auch dementsprechend Angst davor. Die Inflation war während dieses Zeitraums extrem gedämpft.

Und auch die jüngsten Maßnahmen der Zentralbanker deuten darauf hin, dass sie sich immer noch darauf konzentrieren, die Deflation im Zaum zu halten. Hierbei handelt es sich aber um eine Strategie, bei der die Zentralbanken, speziell die US-Notenbank, niemals zur Ruhe kommen und immer auf Zack sein müssen … Doch warum ist das so?

Der Deflationsprozess

Was ist Deflation wirklich? Praktisch gesehen handelt es sich bei der Deflation um einen Prozess. In den vergangenen fünf Jahren durften wir mitverfolgen, wie dieser Prozess im Eigenheimmarkt begann, auf hypothekarisch besicherte Wertpapiere (MBSs) und dann auf die Bilanzen der Banken sowie ihre Kreditvergabefähigkeit übersprang. In Europa fand dasselbe statt, aber dort traf es die Banken am schwersten, gefolgt von den Staatsschulden.

Und als die Wertpapiere an Wert verloren, sahen wir, wie es bei den Vermögenswerten zu einem Domino-Effekt kam, was bis zum Zusammenbruch der Institutionen reichte, die diese Giftmüllpapiere hielten, wodurch natürlich ihre Solvenz vernichtet wurde.

Als dieser Prozess einsetzte, kam es zur Panik und der Kreditmarkt brach zusammen, weil die Banken nun auf einmal Angst davor hatten, sich untereinander Geld zu leihen, da es ja unschöne und überraschende Pleiten geben könnte.

Diese Ängste verwandelten sich in einen Vertrauensverlust. Auf einmal zog Verantwortungsbewusstsein ein, um an die Stelle exzessiver Ausgaben zu treten, wodurch die Geldumlaufgeschwindigkeit gemeinsam mit dem Vermögenswerten fiel. Aber nicht nur das Vertrauen wurde zerstört, sondern das Wachstum und das Unternehmertum gleich mit, was die Deflation nur noch verstärkte.

Die Zentralbanken versuchten diesem Prozess Einhalt zu gebieten, indem sie dem System Liquidität zuführten, in der Hoffnung, die Kreditvergabe und die Kreditaufnahme auf diese Art wiederbeleben zu können.

Da es in den Vereinigten Staaten jedoch zu einem politischen Stillstand gekommen war und man in Europa dabei scheiterte, entschieden und rasch zu handeln, und nichts getan wurde, um die quantitativen Lockerungsmaßnahmen der Zentralbanken zu stützen, landeten diese neuen Gelder schließlich wieder bei den Staatsanleihen, weil die Banken Angst davor hatten, noch mehr Giftmüllwerte zu schaffen, die sie am Ende wieder einholen würden.

Unterdessen konnten die Wirtschaften der Industrieländer kaum Wachstum vorweisen, was zu einem noch stärkeren Vertrauensverlust führte. Und da die Zinssätze bereits auf neuen Tiefstständen liegen und zu einem mittelfristigen Phänomen geworden sind, befinden wir uns jetzt kurz davor, dass der Motor der westlichen Wirtschaften ein weiteres Mal abgewürgt wird.

Dieses Mal beginnt aber auch das bisher fieberhafte Wirtschaftswachstum der Schwellenmärkte zurückzugehen, was ein Hinweis darauf ist, wie stark die Wirtschaftsabschwächung der Industrieländer ausfällt. Die Abschwächung in den Schwellenländern ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass sie ihre Waren und Dienstleistungen exportieren müssen, um ihre Wachstumsraten auf hohem Niveau zu halten, nun aber gezwungen sind, sich nach innen zu wenden.

Das Entsetzliche an der Deflation ist, dass sie nicht genau erfasst und gemessen werden kann, da es sich bei ihr um einen subjektiven bzw. emotionalen Aspekt handelt. Die Deflation bewegt sich nicht gleichförmig mit fixer Rate, sondern ihr muss frühzeitig der Garaus gemacht werden, bevor sie eine wirtschaftliche Erfolgsphase in eine Wirtschaftskatastrophe verwandelt, wo geldpolitische Belebungsmaßnahmen überhaupt keine Wirkung mehr entfalten. Die Deflation ist in der Tat eine Bestie – und dieser wirtschaftliche Trend, in dem wir uns nun wiederfinden, ist es, den die Zentralbanken am meisten fürchten.

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