Die Aktienmarktindizes sind zu reinen Performance-Indikatoren verkommen, die die erwarteten geldpolitischen Maßnahmen der Zentralbanken abbilden. Massive Fehlinvestments und Marktverzerrungen beherrschen das Bild. Die Rendite für die 10-jährige spanische Staatsanleihe ist zurzeit der aussagekräftigste Indikator für das chaotische Treiben bei der EU-Schuldenkrise
Steve Saville, The Speculative Investor, 07.08.2012
Wie zu erwarten war, kündigte die US-Notenbank Federal Reserve vergangene Wochen keine neuen geldpolitischen Maßnahmen an. Gegenwärtig hat sie bloß Worte zu bieten. Beispielsweise hieß es letzten Mittwoch in einer Presseerklärung des Offenmarktausschusses der Fed: „Der Ausschuss wird die eingehenden Informationen über die wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklungen genau überwachen und, wenn nötig, zusätzliche Stützungsmaßnahmen einleiten.“
Hier wird lediglich das Offenkundige wiedergekäut, da „der Ausschuss“ die eingehenden wirtschaftlichen Daten immer genau überwacht und stets bereit ist, zusätzliche Stützungsmaßnahmen einzuleiten, wenn dies notwendig erscheint. Schließlich gibt es für die sogenannten Stützungsmaßnahmen, die die Fed bereitstellen kann, nach oben hin keine Begrenzung.
Ja allein schon das Wort „Stützung“ ist derart miserabel gewählt, dass man hier fast schon von einer orwellianischen Wortwahl sprechen könnte. Wenn die Fed an den Zinssätzen und der Geldmenge herumfingert, um die Wirtschaft „zu stützen“, schadet sie ihr in Wirklichkeit. Umso mehr sie versucht, die Wirtschaft zu stützen, desto ungenauer werden die Marktsignale, die sich aus dem Zinssatz und anderen Preisen ergeben. Und das führt zu einer noch größeren Zahl an von den Unternehmern und Investoren getroffenen Fehlentscheidungen.
Wenn derartige Stützungsmaßnahmen in normalen Zeiten durchgeführt werden, führt das in den darauffolgenden Jahren lediglich zu dem „Preisinflations“-Problem – geschieht es jedoch während eines bedeutenden Schuldenabbauprozesses (also einer Periode, wo der Privatsektor versucht, die Bilanzen zu bereinigen), behindern diese Maßnahmen den Anpassungsprozess und verzögern somit den Beginn einer nachhaltigen Wirtschaftserholung.
Einen Tag, nachdem die US-Notenbank versprochen hatte, mehr zu tun, wenn dies notwendig scheint, gab die Europäische Zentralbank genau dieselbe Erklärung ab. Dass die EZB keine umgehenden „Stützungsmaßnahmen“ verkündete, war aber überraschender als im Falle der US-Notenbank, da der EZB-Präsident Mario Draghi die Märkte eine Woche zuvor mit der Erklärung verzückt hatte, dass die EZB bereit sei, alles Erforderliche zu tun, um die Kreditkosten der finanziell notleidenden Eurozonen-Regierungen abzusenken und den Euro zu stützen.
Gegenwärtig bedeutet „alles Erforderliche“ ganz offensichtlich, keine umgehenden Maßnahmen zu ergreifen.
Für die EZB ist die Lage aber auch bedeutend komplizierter als für die US-Notenbank. Die Fed kann im Grunde schalten und walten, wie es ihr gefällt, solange ihre Aktivitäten den kurzfristigen Zielen der US-Regierung nicht entgegenstehen. Im Gegensatz dazu ist die EZB nicht in der Lage, die Anleihen einer Eurozonen-Regierung zu stützen, ohne damit nicht gleichzeitig auch den Steuerzahlern der anderen Euroländer auf krasse Art zusätzliche Kosten aufzubürden. Sie wird daher in aller Regel im Interessen- und Zielkonflikt der verschiedenen EU-Regierungen zerrissen und aufgerieben.
Die Rendite für die 10-jährige spanische Staatsanleihe (sie Bloomberg-Chart unten) ist gegenwärtig der beste Indikator bezüglich des finanziellen Drucks innerhalb der Eurozone. Als vergangenen Donnerstag keine umgehenden Stützungsmaßnahmen verkündet wurden, stieg die Rendite für 10-jährige spanische Staatsanleihen über die Marke von 7%, was beim Euro und bei den meisten Aktienmärkten für Rückgänge sorgte.
Aus irgendeinem (uns) nicht bekannten Grund sank die Rendite am Freitag jedoch wieder unter die Marke von 7%, was beim Euro und bei den meisten Aktienmarktindizes für starken Auftrieb sorgte. Vielleicht hat die EZB ja doch einige Maßnahmen eingeleitet.
Der Aktienmarkt: Nur noch ein Anhängsel des Geldsozialismus
Die wirtschaftliche Abschwächung bzw. Schrumpfung in Europa, den USA, China und vielen anderen Regionen der Welt ist auf reale Probleme zurückzuführen. Diese Rückgänge sind nicht auf ein darniederliegendes Vertrauen oder eine gedrückte Markstimmung zurückzuführen, weshalb sich die Entwicklung auch nicht dadurch umkehren lässt, dass man versucht, den Märkten Vertrauen einzuimpfen.
Würde man das Vertrauen bis zu einem Punkt ankurbeln, wo die Probleme einfach ignoriert werden, würde dies lediglich dazu führen, dass unbesonnene unternehmerische Entscheidungen getroffen werden, wodurch nur noch mehr Vermögen vernichtet und die Wirtschaft noch stärker geschwächt würde. Mit anderen Worten: Die Probleme, die zurzeit auf dem Wirtschaftswachstum lasten, würden nicht auf wundersame Art verschwinden, nur weil jedem „Glückspillen“ verabreicht werden oder die „Glücksfee“ vorbeischneit.
Darüber hinaus ist es eine Tatsache, dass die Probleme durch die Geldschaffung der Zentralbanken nicht beseitigt werden können. Geld ist bloß das allgemeine Tauschmedium – eine Manipulation der Geldmenge kann daher nur dazu führen, dass die Preissignale, auf die die Wirtschaft angewiesen ist, verzerrt werden. Anstatt dass die Geldinflation eine Lösung darstellt, handelt es sich bei ihr in Wirklichkeit um die wichtigste Ursache der heutigen Probleme.
Das ist die wirtschaftliche Realität! Und die wirtschaftliche Realität diktiert, was an der politischen Entscheidungsfront passieren sollte. Aufgrund einer Kombination aus Ignoranz und machiavellistischer Politik besteht aber oftmals ein riesiger Unterschied zwischen dem, was eigentlich geschehen sollte, und dem, was dann tatsächlich passiert.
Die traurige Wahrheit ist, dass es in Zukunft noch jede Menge monetäre Inflation geben wird. Die einzige Frage ist, wann es soweit sein wird. Die beste Antwort, die wir diesbezüglich anbieten können, ist: Innerhalb der kommenden zwei Monate wird die Europäische Zentralbank die Inflation anheizen, und nachdem der Aktienmarkt eingebrochen ist oder sich die Wirtschaftsdaten noch bedeutend stärker verschlechtert haben, wird auch die Fed mit ihren Inflationsmaßnahmen beginnen.
In der Zwischenzeit bleiben die Erwartungen bezüglich der Machenschaften der Zentralbanken die mit Abstand wichtigsten Triebkräfte an den Aktienmärkten. Die Kursentwicklung einzelner Aktientitel mag zwar immer noch durch unternehmensspezifische Entwicklungen beeinflusst werden, doch der Gesamtmarkt steht und fällt in Reaktion auf die sich verändernden Erwartungen bezüglich dessen, was die Zentralbanken tun werden und wann sie es tun werden.
Man kann es auch anders formulieren: Der Aktienmarkt dient nicht mehr länger als Mittel der effizienten Verteilung von Kapital an die Unternehmen, sondern ist mittlerweile praktisch ausschließlich ein spekulatives Instrument, das auf die Entscheidungen einer kleinen Gruppe staatlicher Preismanipulanten reagiert. Und das ist auch einer der Gründe, warum der Goldbullenmarkt noch weit davon entfernt ist, vorbei zu sein.