Die Industrieländer verfügen lediglich über eine Handvoll von Maßnahmen, um sich aus der Schuldenkrise zu befreien, wobei ihnen realistisch betrachtet zurzeit nur noch der Zahlungsausfall oder die Inflation in Verbindung mit finanzpolitischen Zwangsmaßnahmen bleiben. Und da der Zahlungsausfall aus politischen Gründen als unakzeptabel erachtet wird, werden die Zentralplaner versuchen, den Bürgern die Staatsschulden mit finanzpolitischen Mitteln aufzuzwingen und ihren Wert mithilfe der Inflation zu vernichten

Eric Sprott & Etienne Bordeleau, Sprott Asset Management, 10.08.2012

Als wir im Juni 2009 den ersten Teil dieses Artikels schrieben, lag die Gesamtverschuldung der US-Regierung gerade einmal bei rund USD 10 Billionen. Seit diesem Zeitpunkt ist diese Zahl dank beispielloser staatlicher Interventionen um über 50% auf fast USD 16 Billionen angestiegen.

Abkürzungen wie QE, LTRO, SMP, TWIST, TARP und TALF, die einst ausschließlich von Zentralbankern und Politikern genutzt wurden, fanden ihren Weg in den Mainstream. Das Ziel vor Augen, die Wirtschaft anzukurbeln, erhöhten die Zentralplaner aller Couleur die Staatsausgaben und senkten die Steuern. Doch sorgen diese finanz- und geldpolitischen Maßnahmen tatsächlich für eine Zunahme der Wirtschaftsaktivität oder haben sie nicht eher gegenteilige Auswirkungen?

In der heutigen überschuldeten Welt sind immer größere Haushaltsdefizite und zusehends steigende Staatsausgaben, die durch eine Ausweitung der Staatsverschuldung und der Geldbasis („die Druckerpresse“) finanziert werden, mit Sicherheit nicht die Antwort auf die wirtschaftlichen Probleme, mit denen wir konfrontiert sind. Vielmehr hat sich bereits gezeigt, dass sich derlei Maßnahmen sogar negativ auf das Wirtschaftswachstum auswirken.

Und obwohl sie in den letzten Jahren kaum öffentliche Aufmerksamkeit erfuhren, gibt es zahlreiche wirtschaftliche Theorien, die nahelegen, dass staatliche Interventionsmaßnahmen und ihr prozentuales Verhältnis an der Gesamtwirtschaft maßgebliche negative Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum haben können.

Das Stockholm Research Institute of Industrial Economics veröffentlichte jüngst eine Untersuchung, in der zahlreiche empirische Studien zusammengefasst wurden. Im Hinblick auf die reichen Länder kam man zu dem Ergebnis, dass es eine überwältigende Beweislast für eine negative Beziehung zwischen einer überbordenden Regierung (aufgrund der Besteuerung und/oder den Ausgaben als Anteil des BSP) und dem Wirtschaftswachstum gibt.

Wenn alle anderen Faktoren gleich bleiben, lässt sich also sagen, dass das BSP-Wachstum immer dort, wo der Regierung eine bedeutende wirtschaftliche Rolle zukommt, die Tendenz aufweist, geringer auszufallen.

Obwohl die Studie im Hinblick auf die Ursachen nicht eindeutig ist, liefert sie dennoch starke Hinweise darauf, dass steigende Steuern und steigende Regierungsausgaben (außer produktive Investments wie Bildung) mit geringerem Wachstum in Zusammenhang stehen.

Eine Ausnahme sind die skandinavischen Länder. Dort gibt es hohe Steuern und hohe Staatsausgaben, dennoch konnten sie in den letzten 20 Jahren ein relativ starkes Wirtschaftswachstum vorweisen. Ein bedeutender Teil ihrer Staatsausgaben fließt aber in Bildung, was, wie man herausfand, das Wirtschaftswachstum stärkt. Darüber hinaus wurde der bedeutenden Rolle des Staats mit sehr liberalen, marktfreundlichen Reformen und geringen staatlichen Verschuldungsniveaus entgegengewirkt.

Schuldenüberhang und Wirtschaftswachstum

Selbst wenn man glaubt, dass vorübergehende keynesianische finanzpolitische Konjunkturmaßnahmen in Form von Steuersenkungen und erhöhten Staatsausgaben in der Lage sind, das Wachstum kurzfristig anzuheizen, führen diese Maßnahmen langfristig ganz zwangsläufig zu immer größeren Haushaltsdefiziten und einer Zunahme der Staatsverschuldung.

Wie aus den nachfolgenden zwei Charts hervorgeht, liegt die Verschuldung der US-Regierung bereits auf dem höchsten Niveau seit Ende des Zweiten Weltkriegs, während die positiven Folgen weiterer Konjunkturmaßnahmen eher gering zu sein scheinen.

Jährliches US-Haushaltsdefizit als prozentualer Anteil des BSP

Gemäß unserer Prognosen – die davon ausgehen, dass das sogenannte „finanzpolitische Kliff“ ausbleiben wird – werden die Schulden der US-Regierung noch bedeutend ansteigen, da das Haushaltsdefizit weiterhin auf hohem Niveau verharren dürfte. Und in vielen europäischen Ländern ist die Lage sogar noch schlimmer als in den USA.

Hohe Schuldenniveaus oder Schuldenüberhänge sorgen für mehr Probleme. In einer aktuellen Arbeit von Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff (Harvard University) wird demonstriert, dass Bankenkrisen mit einer hohen Staatsverschuldung, langen Phasen hoher Arbeitslosigkeit und letztlich irgendeiner Art von Zahlungsausfall in Verbindung stehen. Die Autoren sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Schuldenkrise ab einer Verschuldung von 90% des BSP einsetzt. Wie aus Grafik 2 hervorgeht, haben die USA diese Marke bereits überschritten.

US-Staatsverschuldung als prozentualer Anteil des BSP

Die historischen Beweise zeigen, dass Länder mit größeren Regierungen und hohen Schuldenniveaus in der Regel geringere Wachstumsraten ausweisen. Angesichts der Tatsache, dass die Mehrzahl der Industrieländer zurzeit über hohe Schuldenniveaus und Defizite verfügt, ist es zweifelhaft, ob größere finanzpolitische Konjunkturmaßnahmen für die Wirtschaftserholung tatsächlich von Vorteil sein können.

Es ist klar, dass die Schulden das Problem sind – die Lösung kann daher nicht darin bestehen, einfach noch mehr Schulden aufzutürmen. Die aktuelle Schuldensituation lässt in Verbindung mit dem Mangel an Transparenz bei den politisch motivierten Verordnungen und Interventionen nur wenig Raum für einen gesunden Schuldenabbau unserer Wirtschaften. Im Folgenden finden Sie, was die Zentralplaner vorhaben.

Der Schuldenüberhang und die Folgen

Im Laufe der Geschichte sind hohe Schulden/BSP-Verhältnisse auf fünf verschiedene Arten kanalisiert worden:

1. Wirtschaftswachstum
2. Austerität
3. Zahlungsausfälle
4. Plötzliche Inflationsausbrüche
5. Anhaltende Finanzrepression und Inflation

Es ist völlig offenkundig, dass Nummer 1 und 2 gegenwärtig nicht funktionieren – und in einigen europäischen Ländern ist es sogar so, dass sich die negativen Folgen dieser beiden Maßnahmen noch gegenseitig verstärken. Die USA sind nun mit einem hausgemachten „finanzpolitischem Kliff“ und einer politischen Polarisierung konfrontiert, was eine Lösung recht zweifelhaft erscheinen lässt.

Lösung Nummer 3 scheint für die reichen Industrieländer, die der Meinung sind, dass der Zahlungsausfall eher den Entwicklungsländern vorbehalten bleiben sollte, völlig unakzeptabel zu sein. Plötzliche Inflationsausbrüche sind nur schwer einzudämmen und funktionieren auch nur eine gewisse Zeit, da die Investoren – wenn wir hier mal von einem normalen Anleihemarkt ausgehen – im Laufe der Zeit höhere Zinsen verlangen, um für das Inflationsrisiko entschädigt zu werden.

Und dank der Tatsache, dass die Zinssätze bereits bei null liegen, scheint es so, als würde jetzt nur noch Nummer 5 übrig bleiben: Eine anhaltende Finanzrepression und Inflation. Der Begriff Finanzrepression wurde Anfang der 70er Jahre von Edward Shaw und Ronald McKinnon von der Stanford University in die Diskussion eingeführt.

Sie definieren Finanzrepression als:

  • Direkte oder indirekte Beschneidung oder Deckelung der Zinsen.
  • Die Schaffung und Aufrechterhaltung einer gefangenen Inlandsbevölkerung (beispielsweise werden Finanzinstitutionen oder Pensionsfonds gesetzlich dazu gezwungen, Staatsschulden zu halten).
  • Die direkte staatliche Eigentümerschaft von Finanzinstitutionen und/oder gesetzliche Restriktionen in der Finanzbranche (wie in China oder Indien).

Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass wir zurzeit eine Phase der Finanzrepression durchlaufen. Zu den Symptomen gehören:

  • Die künstlich niedrigen Zinssätze in den meisten G20-Ländern, die Versprechungen, die Zinsen über lange Zeiträume hinweg unten zu halten, und die Inflation sorgen für negative Realzinsen.
  • Die Zentralbanken weiten ihre Bilanzen durch Staatsanleihekäufe bedeutend aus.
  • Die Liquiditätsanforderungen unter Basel III zwingen die Banken dazu, mehr Staatsschulden zu halten.
  • In zahlreichen Ländern kam es in jüngster Zeit zur Verstaatlichung von Banken (Großbritannien, Irland, Spanien usw.), wodurch die Staatsverschuldung drastisch anstieg.
  • Und es wird alles noch schlimmer werden.

Wenn man sich Tabelle 3 anschaut, erkennt man, dass sich die Finanzrepression auch an den Vermögensbeständen von US-Finanzinstitutionen und Pensionsfonds ablesen lässt, deren Bestände an US-Staatsanleihen seit 2009 fortwährend gestiegen sind.

Es ist völlig offenkundig, dass die Regierungen gegenwärtig weitere Maßnahmen vorbereiten. Eine wichtige Komponente, die bei Auslöschung der Staatsschulden mittels der Inflation zum Tragen kommt, ist, die Laufzeit (Fälligkeit) der ausstehenden Anleihen zu verlängern. In einem gewöhnlichen Anleihemarkt sorgen negative Realzinsen dafür, dass es außerordentlich schwierig ist, kurzlaufende Schulden zu niedrigen Kreditkosten überzurollen – obschon die Finanzrepression und die gefangen gehaltenen Finanzinstitutionen mit Sicherheit ihren Beitrag dazu leisten, die Zinsen niedriger zu halten, als dies normalerweise der Fall wäre.

Da die Zinsen für kurzlaufende Schulden jedoch die Tendenz aufweisen, gemeinsam mit der Inflation zu steigen, ist es im besten Interesse hochverschuldeter Länder, die Mehrzahl ihrer Anleihen am langen Ende der Renditekurve zu platzieren. Die nachfolgende Grafik zeigt, dass das US-Finanzministerium plant, die Laufzeit der ausstehenden Schulden zu erhöhen (grüne Linie), um die sich aus der Wertvernichtung durch die Inflation ergebenden Vorteile in größtmöglichem Umfang auszunutzen.

Mit anderen Worten: Die aktuelle Flucht in Richtung Sicherheit wird ausgeschlachtet, um künftigen finanziellen Repressionsmaßnahmen die Bühne zu bereiten. Dasselbe gilt für Großbritannien, das davon profitiert, dass es das Industrieland ist, das über die Staatsanleihen mit die längsten Laufzeiten verfügt.

Wenn sich die Euroländer ihrer Schuldenüberhänge entledigen wollen, müssen sie entweder die Zahlungsunfähigkeit ausrufen – die aus politischen Gründen am wenigsten präferierte Lösung – oder die gute alte Kombination aus fortwährender Inflation und Finanzrepression einsetzen (die von den Deutschen und den EZB-Zentralplanern gefürchtet wird).

Schlussfolgerung

Auf beiden Seiten des Atlantiks sind die exzessive Staatsverschuldung und die Staatsausgaben die zwei maßgeblichen Haupttreiber der Krise. Wir befinden uns jetzt an einem Punkt, wo weitere staatliche Belebungsmaßnahmen kaum noch positive Effekte entfalten können bzw. bereits wirtschaftsschädliche Auswirkungen haben und langfristig das Wachstum senken. Die Schulden müssen reduziert werden, anstatt sie durch weitere Defizite zu erhöhen.

Die Zentralbanker haben bereits unter Beweis gestellt, dass sie nicht über die Disziplin verfügen, das keynesianische Modell zu praktizieren, wo in wirtschaftlich guten Zeiten Überschüsse angehäuft werden, um damit dann in schlechten Zeiten die Defizite zu finanzieren. Wir haben die Grenze der Verschuldung erreicht und müssen uns jetzt durch einen schmerzlichen aber notwendigen Entschuldungsprozess durchwurschteln.

Die politisch bevorzugte Variante – die Finanzrepression mit negativen Realzinsen – hat bedeutende Folgen. Negative Realzinsen sind im Grunde nichts weiter als eine den Sparern auferlegte Steuer und eine Subvention für verschwenderische Kreditnehmer.

Wie eingangs erwähnt, verzerren Steuern die Marktanreize und entmutigen die Sparer, Kapital zu akkumulieren. Darüber hinaus werden Finanzinstitutionen von ihrer traditionellen Rolle – die darin besteht, die Ersparnisse in Richtung produktiver Investments zu kanalisieren – abgehalten, da nun ein bedeutender Teil ihrer Bilanzen von Staatsschulden nach unten gezogen wird. Dasselbe gilt für die Rentenkassen und Pensionsfonds, die, anstatt Unternehmensanleihen oder Aktien zu halten, nun immer größere Mengen an Staatsschulden in ihren Bilanzen haben. Rentner, die auch Sparer sind, werden dadurch in Mitleidenschaft gezogen.

Die zurzeit vorherrschende irrige Vorstellung, dass das ökonomische Heil der westlichen Welt in weiteren Konjunkturprogrammen zu suchen sei, ist trügerisch und sinnlos. Solange wir weiterhin diesen Weg beschreiten, wird die vermeintliche „Lösung“ in Wirklichkeit das Problem sein. Es gibt kein Allheilmittel, mit dem unsere aktuellen Probleme auf wundersame Weise angegangen werden könnten, und mit den jüngsten Vorschlägen der Zentralplaner riskieren wir, den Wirtschaftsausblick auf Jahrzehnte hinaus zu verschlimmern.

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