Wolf Richter, Testosteronepit.com, 04.09.2012
In 2007 ist Slowenien der Eurozone beigetreten und startete umgehend eine Kreditorgie, die ihr dank blinder Anleihekäufer ermöglicht wurde und einigen der zwei Millionen Slowenen Reichtum bescherte, eine Immobilienblase schuf, die mittlerweile bereits wieder geplatzt ist, und die Auslandsverschuldung des Landes um 110% explodieren ließ. Im Oktober könnte Slowenien pleite gehen, so Janez Jansa, der Premierminister des Landes. Ganz einfach weil eine Kreditorgie nur eine bestimmte Zeit funktioniert, wenn man nicht in der Lage ist, sich sein eigenes Geld zu drucken.
Slowenien ist das sechste der 17 Euroländer, das ein Rettungspaket braucht. Und es ist winzig im Vergleich zu Spanien, das die Rettungsfonds bis aufs Äußerste belasten wird, und Italien, das viel zu groß ist, um überhaupt gerettet zu werden.
Die andere Option ist die Europäische Zentralbank, oder besser gesagt ihre Druckerpresse – also die, die sie eigentlich garnicht haben dürfte. Damit wäre es ein Leichtes, die einst vor sich hindösenden, mittlerweile jedoch aufgewachten Anleihehalter zu retten. Und wie es bei allen Rettungspaketen der Fall ist, müssten die Arbeitnehmer und die Steuerzahler die Zeche zahlen und für den Haircut aufkommen. Und in Deutschland könnte bereits die Debatte darüber ausreichen, um die Eurozone auseinanderzureißen – just in dem Moment, wo die Wirtschaft des Landes abschmiert.
Im Juni konnten sich die deutschen Neuwagen-Verkaufszahlen noch relativ gut halten, was angesichts des sich gerade in der Autobranche der Eurozone abspielenden Fiaskos ein Wunder ist. Im Juli brachen die Zahlen dann jedoch ein; und anstatt einer wundersamen Erholung, brachen die Neuzulassungen im August abermals ein, um 4,7% gegenüber dem Vorjahr. Besonders unheilvoll ist, dass die Verkäufe von mittelschweren und schweren Lastern – ein Gradmesser des Investitionsklimas – in den Keller rauschten: -18,8% bei LKWs über 12 Tonnen, -15,1% bei LKWs über 20 Tonnen und -9,4% bei Traktoren.
Die deutschen Einzelhandelsverkäufe, die bis Mai noch eine Glücksträhne hatten, gerieten im Juni ins Stocken und kamen im Juli sogar ins Rutschen. Und die Frühindikatoren für den August sind sogar noch schlechter: Die negative Stimmung unter den Einzelhändlern hat sich nun bereits den vierten Monat in Folge verstärkt. Sie leiden unter einem hässlichen Gewinnrückgang und werden zurzeit gleich von zwei Seiten – der Inflation bei den Großhändlern, die „drastisch zugelegt hat“, und der massiven Preisschlacht, da die Deutschen damit zu kämpfen haben, über die Runden zu kommen – in die Zange genommen.
Und auch die Fertigungsbranche, der viel gerühmte deutsche Wirtschaftsmotor, wurde nach einer ersten Schlappe im Juli im August von „sich verschlechternden wirtschaftlichen Bedingungen“ heimgesucht. Die deutsche Fertigungsbranche hat den fünften Monat in Folge Arbeitsplatzverluste zu verzeichnen, und bei den Exporten brachen die Auftragseingänge so stark ein wie seit April 2009 nicht mehr.
Leider ruft 2009 entsetzliche Erinnerungen wach. Im ersten Quartal 2009 brach das deutsche Bruttosozialprodukt gegenüber dem Vorquartal um 3,8% ein, und das obwohl es im vierten Quartal 2008 gegenüber dem dritten Quartal desselben Jahres bereits um 2,1% gefallen war. Aufs Jahr gerechnet stellten die Verluste dieser beiden Quartale einen BSP-Einbruch im zweistelligen Prozentbereich dar – es war der schlimmste Wirtschaftseinbruch in der Geschichte der BRD.
Die deutsche Wirtschaft, die mit ihren Exporten steht und fällt, wurde weder von den hart arbeitenden Deutschen, noch smarten Managern oder einem überlegenen System gerettet, sondern durch die Konjunkturorgie in den USA und China. Die deutschen Firmen und ihre Zulieferer saugten, was das Zeug hielt, an einer Vielzahl von Programmen, die von Öko-Energie-Geldverschwendungen bis hin zum Abwrackprämien-Fiasko reichten.
Doch heute, ohne diese ausländische Wunderrettung, ist es zweifelhafter denn je, ob Deutschland über die Fähigkeit verfügt, die Eurozone zu retten. Deswegen fielen die jüngsten Machenschaften der Europäischen Zentralbank auch auf so fruchtbaren Boden, als diese durchsickerten, nachdem der EZB-Präsident Mario Draghi sie am Montagabend dem Europäischen Parlament vorstellte.
Es geht um den Aufkauf spanischer und italienischer Staatsanleihen mit Laufzeiten von bis zu drei Jahren – also nicht mehr nur die sechs- bis zwölfmonatigen Schuldenpapiere, die Draghi noch auf seiner letzten Pressekonferenz vorgeschlagen hatte. Und der Plan ging auf. Die Renditen für italienische und spanische Staatsanleihen mit zweijähriger Laufzeit brachen unter die Marke von 2,8% ein, obwohl sie während der Sommermonate noch bei über 7,5% bzw. 6,9% lagen. Das ist Zentralbankmanipulation vom Feinsten. Die Krise ist gelöst. Im Lalaland. Bis sich die Realität einstellt.
Namentlich ein Zerwürfnis in Deutschland. Kanzlerin Angela Merkel und eine ganze Reihe weiterer Politiker nehmen das alles noch mehr oder minder stillschweigend hin, aber die Bundesbank bekommt bereits hysterische Anfälle: Das Gelddrucken zur Finanzierung der Haushaltsdefizite der Staaten verstoße gegen EU-Verträge, die die Befugnis der EZB auf ein einziges Mandat – die Preisstabilität – beschränken. Die Bundesbank kann nicht einmal zwischen den Zeilen ein verstecktes zweites Mandat wie die Finanzierung von Haushaltsdefiziten ausmachen.
Der Bundesbankpräsident Jens Weidmann – der im November erklärte: „Ich kann nicht erkennen, wie man die Stabilität der Währungsunion sichern soll, indem man die gesetzlichen Vorgaben verletzt.“ – hat seine Angriffe gegen das Anleiheaufkaufprogramm weiter verschärft. Und das mit breiter Unterstützung in Deutschland. Und Merkel, die sich nichts sehnlicher wünscht, als ihren Job zu behalten, wird hier ganz vorsichtig agieren. Sollte Deutschland aufgrund von Einbrüchen beim Export in eine tiefe Rezession abrutschen, ist alles möglich.