Wolf Richter, Testosteronepit.com, 20.09.2012
„Japans Erfahrungen sind eine ernüchternde und reale Warnung, warum energische und frühzeitige Maßnahmen angebracht sind“, so Eric Rosengren, der Präsident der Bostoner Fed, in einem hoffnungslosen Versuch, die QE3-Entscheidung der Fed zu rechtfertigen. Sie wollen die Druckpressen hochfahren. Und damit würde eine Flut neuen Geldes geschaffen – ganz im Gegensatz zu den „verhaltenen“ Reaktionen Japans im Hinblick auf die dort seit zwei Jahrzehnten anhaltende wirtschaftlichen Stagnation.
Und es hat sich sogar schon als Erfolg herausgestellt, so Rosengren: „Ich würde sagen, dass, alles in allem und unabhängig vom gewählten Zeitfenster, die Aktienpreise bedeutend gestiegen sind, die Hypothekenraten gefallen sind und die Wechselkurse gefallen sind.“ Damit hat er dann auch gleich die drei Ziele von QE3 benannt: Die Aktienpreise in die Stratosphäre zu manipulieren, die Zinsen bei den Hypotheken zu drücken (und die von Sparbüchern, Unternehmensanleihen usw.) und den Dollar zu vernichten.
Und dann behauptete er noch, dass die „entsprechenden finanzpolitischen Strategien“ – also noch höhere Haushaltsdefizite – „für außerordentlich positive Effekte“ sorgen könnten, um die Stagnation im Stile Japans zu bekämpfen.
Bedauerlicherweise gibt es aber schon ein Land, das dies über einen längeren Zeitraum hinweg und in einem größeren Umfang getan hat … Japan. Zwei Jahrzehnte an Haushaltsdefiziten haben bezüglich der Belebung der japanischen Wirtschaft praktisch überhaupt nichts gebracht, obwohl dadurch natürlich verschiedene Branchen befeuert wurden. Und es hinterließ eine politische Kultur, wo Defizite und ein unvorstellbarer Schuldenberg überhaupt keine Rolle mehr spielen.
Japan hatte die Kunst der „Nullzinspolitik“ bereits zur Vollendung gebracht, als an das Wort noch garnicht zu denken war. Die 10-jährige japanische Staatsanleihe notierte über viele, viele Jahre hinweg unter 2%. Aktuell liegt sie bei 0,81% – also 50% unter dem Zinssatz für 10-jährige US-Staatsanleihen, die zurzeit mit 1,78% notieren. Die Zinssätze für kurzlaufende japanische Staatsschulden, Sparbücher, Festgelder usw. lagen all die Jahre über ebenfalls nahe null.
Und Japan hat natürlich auch „quantitative Lockerung“ betrieben, bevor dieser Euphemismus überhaupt erfunden war. Die Bilanz der Bank von Japan ist mit 10-jährigen japanischen Staatsanleihen im Wert von über JPY 80 Billionen (weit über USD 1 Billion) aufgebläht worden, während die japanischen Zentralbanker auch noch andere Vermögenswerte aufkauften. Das entspricht rund 25% des japanischen Bruttosozialprodukts, während sich die in der Bilanz der Fed ausgewiesenen Vermögenswerte auf gerade einmal 22% des US-BSPs belaufen.
Rosengren, der den Eigenheimmarkt im Blick hat, muss die jüngste „Erholung“ wohl mit Spannung erwartet haben. Ja gut, es gab bereits frühere „Erholungen“, die dann wieder zusammenbrachen, aber die jetzige ist anders. Japan hatte auch seine Immobilienblase. Nachdem sie 1990 platzte, kam es dort ebenfalls zu mehreren „Erholungen“. Dennoch geht der japanische Immobilienmarkt nun bereits seit 21 Jahren in Folge zurück.
Die Japaner konzentrieren sich aus kulturellen Gründen mehr auf Boden als auf Eigenheime. Ein Eigenheim ist dort gewöhnlich ein Bauwerk, das nur eine Generation lang genutzt und danach abgerissen wird, damit die nächste Generation ihr Haus errichten kann. Deswegen handelt es sich bei den vom japanischen Ministerium für Land, Infrastruktur, Transport und Tourismus gemeldeten Daten auch um Bodenpreise. Am 01.07.2012 waren die Preise für Land, das als Wohnraum ausgewiesen ist, gegenüber dem Vorjahr um 2,5% gesunken … nachdem sie in 2011 bereits um 3,4% und in 2010 um 3,7% gefallen waren. Die Preise für Böden für Gewerbeimmobilien gingen um 3,1% zurück.
Aber es gibt auch zwei Bürden, die Japan seiner Bevölkerung nicht auferlegt hat: Eine hohe Arbeitslosigkeit und Inflation. Nach US-amerikanischen Standards ist die japanische Arbeitslosigkeit phänomenal niedrig: Sie lag im Juli dieses Jahres bei 4,3%. Die japanische Gesellschaft geht aber anders an das Thema Arbeit heran als die Amerikaner, und die Arbeitslosenzahlen Japans dürften mit denen der USA wahrscheinlich überhaupt nicht vergleichbar sein. Für die jungen Japaner ist es jedenfalls bedeutend schwieriger geworden, in den Arbeitsmarkt einzutreten, da die Arbeitsplätze immer rarer gesät sind, und sie werden auch nicht mehr so gut vergütet. Mehr Arbeit für weniger Gehalt. Dasselbe wie in den USA.
Und Japan kommt bereits seit 15 Jahren in den Genuss von Preisstabilität. Phasen leichter Inflation wechselten sich mit Phasen leichter Deflation ab – obwohl diese Zahlen natürlich die schmerzlichen Preissteigerungen bei einer ganzen Reihe von Waren wie Benzin, Autos, Arzt-Zuzahlungen oder Dienstleistungen wie der Wasserversorgung verschleiern.
Also ich frage mich schon, was sich Rosengren eigentlich dabei gedacht hat, als er erklärte: „Japans Erfahrungen sind eine ernüchternde und reale Warnung, warum energische und frühzeitige Maßnahmen angebracht sind.“
Der seit vier Jahren anhaltende Rausch „energischer und frühzeitiger Maßnahmen“ der Fed ging mit der größten Konjunkturbelebungs-Sause des US-Kongresses einher, wo Jahresdefizite von über USD 1 Billion zur Norm wurden. Dennoch ist dadurch im Hinblick auf die Realwirtschaft kaum etwas erreicht worden. Dasselbe gilt für Japan – doch wurde Japan dadurch in ein Schlamassel manövriert, aus dem es nicht mehr unbeschadet herauskommen wird.