Niemand weiß, ob er überhaupt noch da ist: Der in den Tresoren der US-Notenbank verwahrte deutsche Goldschatz

Hans Heckel, Preußische Allgemeine Zeitung, 09.10.2012

Stellen Sie sich vor, Sie haben vor vielen Jahren zehn kleine Goldmünzen gekauft und diese zur Sicherheit in ein Bankschließfach gegeben. Nun hören Sie, dass die Bank Probleme hat, bekommen ein mulmiges Gefühl und suchen das Geldinstitut auf, um Ihre Münzen in Augenschein zu nehmen.

Doch der Bankangestellte weist Sie ab, eine Inaugenscheinnahme sei nicht möglich. Stattdessen händigt er Ihnen einen Zettel aus, auf dem Ihre Münzen aufgelistet sind. Das müsse ja wohl reichen. Würden Sie diesem Institut auch nur noch eine Sekunde lang vertrauen? Nie und nimmer: Umgehend würden Sie die nächstgelegene Polizeiwache aufsuchen.

Wie diese imaginäre Bank benimmt sich die New Yorker Notenbank hinsichtlich des dort gelagerten deutschen Goldes. Dass deutsche Politiker, die darin noch vor ganz kurzer Zeit einen inakzepablen Zustand sahen, nun plötzlich still werden, ist nur vor dem Hintergrund enormen politischen Drucks er­klärlich. Die „Buchinventur“ ist nicht mehr wert als der Zettel mit der Münzliste.

Die Frage ist nun: Was haben die Amerikaner zu verbergen? Was wäre so verheerend daran, dass offizielle Verteter der Bundesrepublik das deutsche Gold nachzählen? Der Rechnungshof hat Recht: Die Pflicht des Bundes und seiner Organe, die Interessen des deutschen Volkes zu wahren, verpflichtet sie dazu, den Goldschatz zu schützen, also mindestens genau im Auge zu behalten.

Angesichts des hochverdächtigen Verhaltens muss man sogar fragen: Ist unser Gold überhaupt noch vorhanden? Und nicht nur das Unsere: In den New Yorker Kellern lagern auch die Goldschätze anderer Länder sowie ein Großteil des amerikanischen. Doch selbst den eigenen Parlamentariern verweigern die Notenbänker vom Hudson River die Inaugenscheinnahme der Barren.

Sich derart verdächtig zu machen, kann kaum im Interesse der USA oder der betreffenden Notenbank liegen. Dass dies in Kauf genommen wird, solange nur niemand in die Tresore gelassen werden muss, lässt nur Übles ahnen. So übel, dass gestandene Politiker wie Erika Steinbach vor den weltpolitischen Konsequenzen des Skandals, der durch die Aufdeckung der Wahrheit offenbar droht, in die Knie gehen. Selbst Bundesbankchef Jens Weidmann, der ansonsten unerschrocken ganz Europa die Stirn bietet, macht um die Goldfrage einen weiten Bogen.

Ohne es zu ahnen, hat der Bundesrechungshof an einem ganz großen Rad gedreht. Es wird befürchtet, dass auch die Rechnungsprüfer im Hinblick auf gigantische diplomatische Verwerfungen einknicken. Das wäre schade, aber kein Grund für andere, weiter auf Aufklärung zu drängen.

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