Die EZB und die europäischen Finanzminister hoffen und beten, dass es in 2013 nicht zu einem erneuten Ausbruch der EU-Schuldenkrise kommt. Ohne vollumfängliche Reformen ist er Ausblick für Europa düster. Die Eurozone wird in 2013 die wachstumsschwächste Region der Welt sein und die reale Wirtschaftsschrumpfung könnte sogar bis 2021 anhalten

Martin Armstrong, Armstrongeconomics.com, 06.01.2013

Die Europäische Zentralbank atmet tief durch, während der EZB-Präsident Mario Draghi gerade händeringend versucht, Europa wieder etwas wirtschaftliche Stabilität zu verleihen. Die Krisenmaßnahmen der vergangenen drei Jahre sind vorerst wieder abgeklungen, und die erste Sitzung der EZB findet am 10.01.2013 statt.

Draghi hofft, dass er die Ruhe, die sich in den Märkten in 2012 durch sein Versprechen einstellte, alles in seiner Macht stehende zu tun, um die Krise zu beenden, weiter aufrecht erhalten kann. Zu seinem Versprechen gehört auch, zu versuchen, die Zinssätze weiter unten zu halten. Durch seine Drohung unbegrenzter Staatsanleiheaufkäufe konnten sie sich etwas Zeit erkaufen. Sie hoffen und beten, dass die drohende Rezession wieder verschwinden wird.

Doch die Anleihehalter sorgen sich nicht so sehr um die Behauptungen von Draghi, sondern haben stattdessen die politischen Geschicke der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel im Blick, die am Samstag, als sie den Wahlkampf für eine wichtige Landtagswahl einleitete, Deutschlands wirtschaftliche Stärke inmitten des Eurozonen-Chaos herausstrich. Merkel wischte alle Bedenken bezüglich möglicher Schwächen ihres Koalitionspartners vom Tisch.

Der Mensch neigt zu zwei Dingen: Erstens wehrt er sich gegen Veränderungen und zweitens will er glauben, dass auch morgen alles beim Alten ist. Das ist auch der Grund dafür, warum die Regierungen die Menschen die ganze Zeit für dumm verkaufen – weil es genau das ist, was die Leute hören wollen: „Sag mir einfach, dass du mich für den Rest meines Lebens lieben wirst, sich nichts jemals ändern wird und wir glücklich bis ans Ende unsere Tage sind!“

Hollywood bedient sich dieser Formel bereits seit Jahrzehnten, um seine Filme an den Mann zu bringen. Die meisten Menschen mögen keine Filme, die real sind. Sie wollen ein Happy End. Einige behaupten sogar, dass Hollywood für die hohe Scheidungsrate verantwortlich ist, weil die Filmemacher ein falsches Bild von der Ehe und dem Leben kreiert haben.

Und aufgrund dieser dem Menschen innewohnenden Sehnsucht nach einem Happy End hat Draghis Drohung bisher auch funktioniert. Die ausländischen Investoren sind sukzessive wieder zurückgekehrt und Spanien hat seine höheren Zinssätze erst einmal im Griff, da sich die Kreditkosten für 10-jährige Staatsanleihen zurzeit auf einem 10-Monatstief befinden.

Nichtsdestotrotz sind sich Draghi und seine Berater natürlich im Klaren darüber, dass es sich bei seiner Drohung nur um eine leere Drohung handelt. Sie haben Angst davor, dass das Chaos, das die europäischen Anleihemärkte bereits ausgemergelt hat, wieder zurückkehren könnte, da 2013 ein politisches Jahr ist. Deutschlands Politiker werden in 2013 im Grunde nichts tun, womit sie ihre Chancen auf Wiederwahl in Gefahr bringen würden.

Die EZB ist jetzt mit enormen Herausforderungen und Tücken konfrontiert, die sich aus dem steigenden Schuldenberg Spaniens, den Parlamentswahlen in Italien und dem beunruhigenden Aufstieg der Untergrundwirtschaft in Griechenland ergeben. Die europäischen Finanzminister stellen gerade ein Rettungspaket für Zypern zusammen, was dann im Rahmen der europäischen Staatsschuldenkrise die fünfte Rettung werden wird.

Die Finanzminister sind darum bemüht, die Märkte nicht wachzurütteln und nervös zu machen, während sie gleichzeitig mit einem möglichen Schuldenschnitt für Zypern zu kämpfen haben. Sie haben zwar versprochen, den Schuldenschnitt Griechenlands nicht noch einmal zu wiederholen, aber der Internationale Währungsfonds spricht sich im Gegensatz dazu für eine nachhaltigere Finanzierung des Landes aus. Zypern verhandelt mit EU-Vertretern und dem IWF bereits seit Juni bezüglich eines weiteren Rettungsplans.

Die zypriotischen Banken haben im Rahmen der Schuldenrestrukturierung Griechenlands über EUR 4 Milliarden verloren. Wie wir bereits berichtet hatten, hält Frankreich mehr griechische Schulden als alle anderen Länder zusammengenommen. Jean-Claude Juncker – der luxemburgische Premierminister und Eurogruppen-Chef – deutete an, dass die europäischen Politiker an ihrem Versprechen festhalten werden, ungeachtet der Warnungen der EZB, die erklärte, dass das Schuldenniveau Zyperns selbst nach einer Rettung immer noch nicht tragfähig wäre.

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Ohne einen Schuldenschnitt werden die europäischen Steuerzahler auch in Zukunft für Zypern und das Scheitern des Euros zahlen, und zwar direkt über höhere Kosten und indirekt durch ein geringeres Wirtschaftswachstum. Es gibt keine Möglichkeit, gegenüber Südeuropa hart zu bleiben und ihnen die Rechnung aufzuzwingen.

Was die europäischen Politiker nicht begreifen, ist, dass der Euro bei seiner Einführung von USD 0,80 auf USD 1,60 stieg. Und das bedeutet, dass sich die Schulden der südeuropäischen Länder – ungeachtet all der Kritik, dass sie ihre Haushalte nicht ausgleichen können – auf Dollarbasis real verdoppelt haben! Das sorgte für den Ausbruch der Krise in 2010. Der Rückgang des Euros hat diesen Ländern ein wenig Erleichterung verschafft, da die Schulden auf Dollarbasis abgewertet wurden und ihnen somit eine Verschnaufpause eingeräumt wurde.

Die Zinssätze für 10-jährige deutsche Staatsanleihen werden in 2013 ihre finales Tief ausbilden. Die Zinssätze für 10-jährige spanische Staatsanleihen fielen letzte Woche um knapp 5%, nachdem die Papiere in 2012 mit 5,27% aus dem Handel gingen. Sie rentierten in 2012 in der Spitze mit 7,62%.

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 Der Euro legte gegenüber dem Dollar zu und ging in 2012 mit USD 1,3187 aus dem Handel. In 2011 ging der Euro mit USD 1,2941 aus dem Handel. Im Juli 2012 fiel der Euro aber unter sein Tief von 2011 und sank bis auf USD 1,2045 ab. Er konnte sich dann jedoch über dem Tief von Juni 2010 von USD 1,1880 halten. Diese allgemeine Schwäche des Euros legt nahe, dass in 2013 weitere Tiefststände wahrscheinlich sind.

Diese Woche gibt es die größten Anleiheauktionen der Eurozone seit vier Monaten, wobei man betet, dass die Investoren wieder kräftig mitbieten werden. Deutschland, die Niederlande, Italien, Spanien, Österreich und Belgien verkaufen so viele Schulden, wie seit dem 03.09.2012 nicht mehr. Es ist unwahrscheinlich, dass der EZB-Rat auf seinem nächsten Treffen in Frankfurt weitere Zinssenkungen vornehmen wird. Die Zentralbank wird den Hauptrefinanzierungssatz bis mindestens Anfang 2014 weiter auf dem Tief von 0,75% halten. Es werden die Märkte sein, die die Zinsen anheben werden, nicht die EZB.

Die Mehrheit der EZB-Mitglieder hatte sich auf dem Treffen im Dezember 2012 für eine Senkung des Referenzzinssatzes ausgesprochen, nachdem für die Eurozone bei den Inflations- und Wachstumsprognosen ein Rückgang von 0,3% herauskam. Real wird das europäische Wirtschaftswachstum in 2013 bei 0% liegen, wenn nicht sogar in den negativen Bereich abrutschen! Es steht außer Frage, dass Europa die Weltregion mit dem geringsten Wirtschaftswachstum werden wird. Ohne ernsthafte und vollumfängliche Wirtschafreformen besteht kaum Aussicht auf eine Erholung der europäischen Wirtschaft.

Das gesamte Problem ist nach wie vor eine Erinnerungsschwäche. Als die EU-Vertreter vor der Einführung des Euros an meinem Seminar in London teilgenommen und die ganze letzte Sitzreihe in Beschlag genommen hatten, war ihr Hauptargument, dass eine europäische Schuldenunion politisch nicht durchsetzbar sei und man sich das für später aufheben würde. Als erstes wollten sie die Währungsunion hinbekommen.

Das Problem ist nur, dass im Laufe der Zeit neue Politiker ans Ruder kommen, für die der Ist-Zustand genau die Art ist, wie die Dinge laufen sollten, und die jedwede Diskussion über eine Schuldengemeinschaft für zu drastisch erachten. Tja, das ist das Problem mit den Halbheiten.

Die 17-Eurozonenländer werden sich von der Wirtschaftskrise aber nicht erholen, solange es keine vollumfängliche Restrukturierung gibt. Egal wie viele Rettungen sie noch durchführen werden, das Problem, dass die Schulden nicht vereinheitlicht sind, bleibt nach wie vor bestehen. Diesem Problem kann man nicht entrinnen. Die Staatschulden hätten von Anfang an vereinheitlicht und als die einzig akzeptierten Bankreserven klassifiziert werden müssen.

Durch das aktuelle System wird das gesamte europäische Bankwesen in Gefahr gebracht. Politiker und Ökonomen sind keine Trader! Sie haben überhaupt keine Ahnung davon, wie die Märkte funktionieren, da sie sich in ihrer eigenen Unwissenheit suhlen und allen Ernstes glauben, dass sie – und nicht die freien Märkte – die Macht hätten, die Markttrends aufzudiktieren. Das von Keynes propagierte Konzept der „Neuen Ökonomie“ ist aber tot!

Die europäische Dienstleistungs- und Fertigungsbranche ging ebenfalls weiter zurück, während die reale Steuerlast zunahm. Es ist offenkundig, dass die Rezession in 2013 weiter anhalten wird. Es besteht die ernste Gefahr, dass sich der wirtschaftliche Rückgang in Europa bis 2021 fortsetzen wird. Bleiben ernstzunehmende und bedeutende Reformen aus, liegt das erste mögliche Tief in 2017.

Die einzige Kraft, die die Weltwirtschaft zurzeit stabilisiert, ist Asien. Deutschland – die größte Wirtschaft Europas – ist für sein Wachstum auf den Export angewiesen ist, und auch dieser Trend ist rückläufig. Städte wie Berlin sind auf Veranstaltungen und den Tourismus angewiesen, während der Hauptteil der Fertigungsbranche wie die Autoindustrie im Süden Deutschlands angesiedelt ist. Die Fertigungsbranche in den USA konnte im Dezember wieder etwas zulegen, nachdem die Produktion auf ein 3-Jahrestief gefallen war.

Asien kann aber nach wie auf starke Wachstumszahlen verweisen. Die chinesische Dienstleistungsbranche wächst aktuell so schnell, wie seit 4 Monaten nicht mehr. Das sind fantastische Neuigkeiten für China, da es zeigt, dass das Land Erfolg dabei hatte, sich eine auf inländischen Konsum basierende Wirtschaft aufzubauen. Die Unabhängigkeit gegenüber dem Ausland wird für China von entscheidender Bedeutung sein, wenn es die USA als weltgrößten Wirtschaftsraum ablöst, was vielleicht schon 2016 der Fall sein könnte.

Die Daten von letzter Woche zeigen, dass die Arbeitslosigkeit in Deutschland immer noch steigt, obwohl in geringerem Umfang, als im Dezember prognostiziert wurde. Die Stimmung der deutschen Wirtschaft ist den zweiten Monat in Folge gestiegen, nachdem die Nachfrage des außereuropäischen Auslands wieder anzog und die Exporte Hoffnungen weckten, dass es Deutschland gelingen könnte, die zurückgehende EU-Nachfrage durch die asiatische Nachfrage zu ersetzen. Dieses Ziel zu erreichen, wird aber sehr schwer werden.

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