Wolf Richter, Testosteronepit.com, 12.03.2013

Die Anti-Euro-Bewegungen sind vom politischen Establishment der Eurozone an den Rand gedrängt oder zermalmt worden. Da haben wir beispielsweise Marine Le Pen vom rechtsgerichteten Franc National in Frankreich – „Lasst den Euro einen natürlichen Tod sterben“, ist ihr Mantra.

Und obwohl sie bei den Präsidentschaftswahlen den dritten Platz errang, hat ihre Partei im Parlament praktisch null Einfluss. In Österreich versuchte Frank Stronach eine Anti-Euro-Partei aus der Taufe zu heben – ohne sonderlich großen Erfolg. Und in Deutschland gibt es die Freien Wähler, eine Anti-Rettungspartei, die in Bayern erfolgreich gewesen ist, deutschlandweit aber keine Rolle spielt.

Ja und dann geschah Italien. Zwei Antiausteritätsparteien, die nichts vom Euro halten – die eine angeführt von Silvio Berlusconi, die andere von Beppe Grillo –, errangen gemeinsam über die Hälfte aller Stimmen und brachten das politische System zum Stillstand. Der Newcomer Grillo hat den Status Quo im Chaos versenkt, mag man dazu stehen, wie man will. Plötzlich sah jeder, dass man mit Wut und Frustration letztlich doch etwas erreicht.

In Deutschland sorgte die Italienwahl für einen Aufschrei. Merkels Eurorettungspolitik – „Es gibt keine Alternative“, ist ihr Mantra – triff nun zunehmend auf Widerstand, speziell innerhalb ihrer eigenen Koalition, doch wurde diesen abtrünnigen Stimmen bereits ein Maulkorb verpasst.

„Die Zeit ist reif“, begrüßte Konrad Adam am Montagabend die Menge und erhielt dafür begeisterten Applaus. Trotz des verschneiten Wetters haben sich in der Stadthalle von Oberursel, einer kleinen Stadt in der Nähe von Frankfurt, 1.200 Menschen zum ersten öffentlichen Treffen der kürzlich gegründeten „Alternative für Deutschland“ (AfD) eingefunden. Bisher ist es noch nicht einmal eine richtige Partei, dennoch wollen sie bei den Bundestagswahlen am 22.09.2013 auf dem Wahlzettel stehen.

Adam, einer der Gründer der AfD und pensionierter Redakteur der Welt und der FAZ, sagte, es sei falsch zu behaupten, es gebe zu den Euro-Rettungen keine Alternativen. „Politik lebt von Alternativen.“ Er stellte seine Forderungen vor:

  • Auflösung des „Euro-Zwangsverbandes“. Ein geordnetes Ende der Währungsunion. Die Länder sollten in der Lage sein, den Euro legal zu verlassen, wenn sie „nicht bleiben können oder wollen.“ Der Euro würde parallel durch nationale Währungen oder kleinere und stabilere Währungsunionen ersetzt.
  • Die Verträge müssen eingehalten werden, speziell die Regeln des mittlerweile völlig missachteten Maastricht-Vertrags, beispielsweise, dass kein Euroland für die Schulden anderer Mitgliedsländer haftet.
  • Eine Volksabstimmung, sollte „das Grundgesetz, die beste Verfassung, die Deutschland je hatte“, so verändert werden, dass die Souveränität an einen zentralisierten europäischen Staat abgetreten wird.

Die Veranstaltung wurde von dem Mitgründer Bernd Lucke eröffnet, einem Wirtschaftsprofessor, der 33 Jahre lang Mitglied in Merkels CDU war, 2011 dann jedoch aufgrund ihrer Rettungspolitik austrat. Und so schlug er dann auch auf sie ein: „Wir haben eine Regierung, die sich nicht an Recht und Gesetz und die Verträge gehalten hat und die einen eklatanten Wortbruch gegenüber der deutschen Bevölkerung begangen hat“, so Lucke unter tosendem Applaus.

Aber das war keine radikale deutsche Randgruppe. Die Stimmung war enthusiastisch und ernst. Und so jung waren die Leute auch nicht mehr. Bei den Unterstützern, bisher 13.000, handelt es sich um einen gebildeten Haufen mit einer höheren Doktorendichte als in irgendeiner anderen Partei.

Zu den frühen Unterstützern gehören auch prominente Wirtschaftsprofessoren, ehemalige CDU-Mitglieder und sogar Hans-Olaf Henkel, der frühere Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), einer Lobbygruppe, die 100.000 Unternehmen vertritt. Und so war die Veranstaltung dann auch gesittet – ein Bild des „deutschen Bürgertums“, so die WirtschaftsWoche.

Viele Unterstützer kommen aus dem Mitte-Rechts-Lager der CDU und der FDP, aber die AfD will nicht in das klassische Rechts-Links-Schema eingeordnet werden. „Wir vertreten unideologische Werte, die Menschen verschiedener Auffassungen teilen können“, so Lucke.

Eine Behauptung, die vor wenigen Tagen bestätigt wurde: 26% aller Deutschen könnten sich vorstellen, eine Partei zu wählen, die das Land aus dem Euro steuert. Und diese 26% kommen aus allen politischen Lagern: Auf der Rechten sind es 17% aller CDU-Wähler und ein Drittel der FDP-Wähler; auf der Linken 15% aller SPD-Wähler, 27% der Grünen-Wähler und 57% der Linken-Wähler.

Die Herausforderungen sind gewaltig. Eine davon ist die Zersplitterung. Es sei schwierig, die Menschen eines so breiten politischen Spektrums dazu zu bringen, sich überhaupt auf irgendetwas zu einigen.

Der Gründungsparteitag soll am 13.04.2013 in Berlin stattfinden. Bis zum 17.06.2013 müssen sich die Partei und ihre Landesverbände beim Wahlleiter registrieren. Bis zum 15.07.2013 müssen sie in jedem Bundesland 0,1% aller Wählerstimmen oder 2.000 Unterschriften (je nachdem, was weniger ist) einsammeln, um auf den Wahlzettel zu kommen. Lucke war optimistisch: „Mit Ihnen bekommen wir die Unterschriften ohne weiteres zusammen“, sagte er der Menge.

Und es wird schwer werden. Merkel ist unglaublich beliebt. Die großen deutschen Parteien sind gutgeölte politische Maschinen. Der AfD fehlen wirklich prominente Persönlichkeiten, erfahrene Politiker, wirtschaftlich einflussreiche Unterstützer, Finanzquellen und Struktur … und ihr Wahlprogramm ist noch dürftig.

Aber sie muss ja nicht regieren. Das Parlament ließ sich von der Bundesregierung durch die „Behauptung der Alternativlosigkeit“ einschüchtern, sagte Lucke. Wenn die AfD in den Bundestag einzieht, „wird der Effekt sein, dass die großen Parteien anfangen umzudenken.“ Das würde dazu führen, „dass man auch die Währungsunion einmal kritisch hinterfragt“ … und sich genau die Alternativen anschaut, die laut Merkel gar nicht existieren.

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