Die zypriotischen Sparer werden ein paar Milliarden Euro verlieren – die Eurozone wird ihr gesamtes Bankensystem verlieren

Harris Kupperman, Adventures in Capitalism, 18.03.2013

Bei dem Zeitlupencrash – also der sukzessiven Auflösung des Euros – bin ich immer wieder aufs Neue erstaunt, mit welcher Hingabe und Bestimmtheit die Bürokraten eine permanente Krise schaffen. Trotz all der Unschlüssigkeit und des Mangels an einer einheitlichen Strategie schien so etwas wie das Rettungspaket für Zypern am Samstag völlig unmöglich.

Schließlich schien es bei einem Kontinent voller Sozialisten völlig unwahrscheinlich, dass man nach den Einlagen der Bankkunden greifen würde – also der Menschen, die wählen gehen. Bisher schien es doch immer so, als würden sie sich auf wundersame Art einfach irgendeine nichtssagende Abkürzung (ESM, LTRO …) ausdenken, um die Krise zu beheben.

Und wer würde für all das zahlen? Der europäische Durchschnittsbürger musste sich über derlei Dinge nie Sorgen machen. Ja sicher, man sprach über Austerität, aber in Wirklichkeit wurden ja keine bedeutenden Haushaltseinschnitte vorgenommen – stattdessen hat man das Wachstum der staatlichen Verschwendungssucht einfach ein wenig heruntergefahren. Am Samstag änderte sich das alles.

Schauen wir uns doch einmal die am Samstag vereinbarten Zahlen an: Hätten Sie über EUR 100.000 in einer zypriotischen Bank gehabt, hätten Sie 9,9% Ihrer Einlagen verloren. Ihr Verlust hätte bei 6,75% gelegen, wenn Ihre Einlagen geringer als EUR 100.000 gewesen wären. Insgesamt hätten die Bankkunden durch dieses Programm rund EUR 5,8 Milliarden verloren.

Seit die Rettungsmaßnahmen 2008 ihren Anfang nahmen, scheinen die willkürlichen Reaktionen der Entscheidungsträger die Kapitalmärkte immer stärker zu verwirren. Warum sollen jetzt zypriotische Bankkunden für die Krise zahlen, obwohl die griechischen Banken gerettet wurden? Warum müssen die Iren für ihre zusammengebrochenen Banken aufkommen, während man Spanien eine Eurozonen-Garantie gibt?

Lassen Sie uns die Sache doch einmal kritisch beleuchten. Das Bruttoinlandsprodukt der Europäischen Union lag 2012 bei USD 17,5 Billionen. Zypern hat ein BIP von rund USD 25 Milliarden pro Jahr. Überträgt man das Ganze auf die US-Wirtschaft, dann entspricht das BIP Zyperns ungefähr der prozentualen Wirtschaftskraft von Shreveport im US-Bundestaat Louisiana oder Portland im US-Bundesstaat Maine. Beide Städte sind für die US-Wirtschaft nichts weiter als Rundungsfehler.

Detroits BIP ist fünf Mal so groß, wie das von Shreveport und Portland zusammengenommen – und Detroit ist gerade erst sang- und klanglos in die Pleite abgerutscht, ohne dass dies irgendwer gemerkt hätte. Da wurde den Bankkunden auch kein Haircut aufgezwungen.

Wenn wir auf 2008 zurückblicken, als die Bankenbranche implodierte, dann war die rote Linie, die von der US-Regierung gezogen wurde, die Garantie, dass alle Bankeinlagen sicher sind. Diese Garantie ging sogar noch über die Deckungssumme des US-Einlagensicherungsfonds FDIC hinaus.

Durch diese Sicherungsmaßnahmen wurde das Problem auf all jene eingegrenzt, die Aktien, Schulden oder garantierte Finanzprodukte verschiedener Finanzinstitutionen hielten. Im Gegensatz zu früheren Finanzpaniken waren die Sparer geschützt; es gab keine langen Schlangen vor den Bankfilialen, wo die Menschen ihre Bankkonten leerräumen wollten. Sieht man erst einmal lange Schlangen vor der der Bank, ist die natürliche Reaktion, dass man sich bei seiner eigenen Bank mit anstellt – nur um auf Nummer sicher zu gehen.

Bisher war der Niedergang der Bankeinlagen in den Mittelmeerländern ein gemächlicher Kapitalabfluss. Die Gelder flossen allmählich in nordeuropäische Länder. Es gab keine Panik, sondern das Kapital trat den geordneten Rückzug an und machte sich besonnen auf den Weg.

Seit Montag gibt es überhaupt keine Regeln mehr. Wenn die Banken Ihres Landes in Schwierigkeiten stecken, sind jetzt gleichzeitig auch Ihre Einlagen in Gefahr. Was glauben Sie, was sich nun in Spanien abspielen wird? Und was ist mit Italien? Es wird eine monströse Welle an aufgeschrecktem Geld geben, das nach einer neuen Heimat sucht. Hing Ihre Bank zuvor an den lebenserhaltenen Schläuchen, hat die Europäische Zentralbank jetzt im Grunde die Tür zugedonnert.

Wenn sich Historiker eines Tages mit dem Auseinanderbrechen der Eurozone beschäftigen, wird der 16.03.2013 als entscheidender Wendepunkt herausstechen, ab dem sich der langsame Zusammenbruch in eine verheerende Katastrophe verwandelte. Ich gehe nicht davon aus, dass es diese Woche zu einer Panik kommen wird – vielmehr dürften all die Ereignisse, die sich zuvor langsam hinschleppten, eine plötzliche Beschleunigung erfahren, und zwar bereits bei den leichtesten Anzeichen von Anspannung.

Die Bankkunden von Zypern werden vielleicht EUR 5,8 Milliarden verlieren – die Eurozone wird ihr gesamtes Bankensystem verlieren.

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