Die Katze ist aus dem Sack: Laut Lars Seier Christensen, dem Chef der Saxo Bank, ist das Euro-Projekt komplett gescheitert. Die Enteignungsbestrebungen der europäischen Politiker werden sich künftig weiter intensivieren. Anleger und Sparer sollten sich besser die Frage stellen, über wen die Räuberbande als nächstes herfallen will
Lars Seier Christensen, Tradingfloor.com, 20.03.2013
Bezüglich des Rettungspakets für Zypern herrscht jede Menge Verwirrung. Es ist ziemlich riskant, sich zum jetzigen Zeitpunkt aus dem Fenster zu hängen und einen unbekannten Ausgang zu kommentieren, da man sich damit innerhalb weniger Stunden lächerlich machen könnte.
Und dieser Blog ist eigentlich auch nicht dazu gedacht, dass ich tägliche oder auch wöchentliche Kommentare abgebe, da ich keine kurzfristigen Trading-Ratschläge gebe. Kurzum: Es ist sehr verführerisch, einfach abzuwarten und zu beobachten, wie sich das Ganze entwickeln wird.
Da es sich hierbei jedoch um das bisher mit Abstand wichtigste makroökonomische Ereignis des Jahres 2013 handelt und sich die Situation fortwährend in neuen und verblüffenden Arten weiterentwickelt, erachte ich es als notwendig, hier ein wenig Sinn in all die Sachen zu bringen, die wir gerade zu hören und zu sehen bekommen.
Was wir aktuell wissen, ist, dass das zypriotische Parlament das Rettungspaket nach einem Pokerspiel mit der Troika abgelehnt hat und jetzt versucht, viele verschiedene Hände zu spielen, die von einer 0% Bankenabgabe für Bankkunden mit geringem Kontenstand bis zu einer 15%igen Bankenabgabe für die Halter größerer Geldsummen reichen. Keiner dieser Vorschläge war bisher ausreichend attraktiv, um zu einer Einigung zu gelangen.
Darüber hinaus wissen wir, dass Frankreich kategorisch ausgeschlossen hat, sich an Plan B zu beteiligen. Das klingt plausibel, da wir uns aktuell bereits mindestens bei Plan D oder E befinden. Überdies wissen wir, dass die Russen mittlerweile hinter den Kulissen massiv involviert sind, obwohl sie bezüglich der ganzen Veranstaltung verständlicherweise aufgebracht sind.
Wir wissen, dass sich das Ganze jetzt in ein geopolitisches Schachspiel verwandelt hat, wo es sein könnte, dass bedeutende europäische Öl- und Gasreserven letztlich in russische Kontrolle übergehen – ungeachtet all der Anstrengungen der letzten Jahrzehnte im Hinblick auf die europäische Energieversorgung genau das zu verhindern.
Und wir wissen, dass sich Merkel mehr damit beschäftigt, sich für die kommende Bundestagswahl zu positionieren, als ihr an dem künftigen Schicksal Zyperns gelegen ist.
Ferner wissen wir, dass die zypriotischen Banken mindestens bis Donnerstag [nun wohl sogar Montag] geschlossen bleiben werden, aber wir wissen auch, dass sie mindestens so lange geschlossen bleiben, bis irgendeine Einigung erzielt worden ist – oder das Thema einer Bankenabgabe irrelevant geworden ist, da sich ohnehin kein einziger Cent mehr in Zypern befindet, mit Sicherheit keine ausländischen Gelder mehr.
Wir wissen, dass der zypriotische Finanzminister wahrscheinlich erfolglos versucht hat, seinen Rücktritt einzureichen, und Großbritannien für seine in Zypern stationierten 3.000 Militärbediensteten Euro-Banknoten einfliegt.
Wir wissen, dass ein Bankenkonsortium eine außerstaatliche Lösung der Krise angeboten hat, was aber anscheinend nicht ernstlich in Erwägung gezogen wird.
Und eine Randnotiz: Wir wissen auch, dass der Vorname des Gouverneurs der zypriotischen Zentralbank „Panicos“ ist, was uns daran erinnert, dass an dem alten Sprichwort „nomen est omen“, doch etwas dran sein könnte. Sorry für den Seitenhieb, aber den konnte ich mir nicht verkneifen. In Wahrheit habe ich sogar Mitleid mit diesem Mann, der aktuell wohl den unbeliebtesten Job auf der Welt haben dürfte.
Also: Das ist eine ganze Menge an Ereignissen für gerade einmal 72 Stunden. Wie wird es alles enden? Und was haben wir daraus gelernt?
Eine ganze Reihe von Dingen. Wir haben wieder einmal gesehen, dass die Eurozone unfähig ist, ihre Probleme rational anzugehen. Das Zypern-Rettungspaket war bisher das Inkompetenteste, was im Rahmen der Eurokrise getan wurde, und es unterstreicht die hoffnungslose Lage, in der sich die 17 Euroländer gerade befinden.
Die Panik ist so groß, dass keine Maßnahme zu extrem erscheint, um das gescheiterte Projekt am Leben zu erhalten und das politische Kapital, das in dieses gigantische Scheitern investiert wurde, zu verteidigen.
Die Phase, die wir jetzt bereits erreicht haben, wo die Politiker auf krasseste Art und Weise versuchen, die Ersparnisse unschuldiger und schwacher Bürger zu beschlagnahmen, markiert ein neues Tief, das zum gegenwärtigen Zeitpunkt dann doch etwas überraschend kam. Und es verheißt nichts Gutes, sollte sich die Krise in Zukunft weiter verschärfen – was auch passieren wird.
Die Idee einer einmaligen Vermögensabgabe ist aber nichts Neues. Es gab die letzten Jahre mehrere Untersuchungen, in denen auf die Tatsache hingewiesen wurde, dass die verzweifelten Finanzierungsnotwendigkeiten des Staatssektors dazu führen könnten – und wahrscheinlich auch dazu führen werden –, dass es zu einer Vermögensenteignung gigantischen Ausmaßes kommt.
Die Boston Consulting Group legte in einem kürzlich veröffentlichten Bericht nahe, dass aufgrund der bereits angehäuften Staatsschulden letztlich wahrscheinlich rund 29% des gesamten Privatvermögens – also nicht nur Bankeinlagen – konfisziert werden. Wir sollten uns also besser an die Vorstellung gewöhnen, dass sich geldgierige Politiker an unserem Geld bedienen. Das ist erst der Anfang. Die Katze ist aus dem Sack – ganz egal, ob der Zypern-Deal platzt oder nicht.
Was mich erstaunt, ist, dass solch eine extreme Maßnahme für einen solch geringen Preis riskiert wird. Die langsam einsetzende Erkenntnis, dass die Beschlagnahmung unseres Geldes der nächste Schritt der Schuldenkrise sein wird, ist durch diese Maßnahme nun für jedermann offenkundig gemacht worden. Hier wurde also der bedeutendste Joker seit Jahren und das erschreckendste zur Verfügung stehende Werkzeug hervorgekramt – und das alles für läppische EUR 5,8 Milliarden.
Die Auswirkungen des Ganzen könnten zu einer massiven Kapitalflucht und Vermögensabwertungen in Höhe von hunderten von Milliarden führen. Der Vertrauensverlust wird allen schwachen Wirtschaften schaden.
Warum um alles in der Welt hat sich die Troika diesen Schocker nicht für ein bedeutendes Ereignis, sagen wir die Rettung von Spanien und Italien, aufgehoben? Inkompetenz? Der Mangel an Marktverständnis? Oder noch beängstigender: Weil sie dieses neue Besteuerungswerkzeug vielleicht vorstellen wollten, um die Wählerschaften an neue Ideen zu gewöhnen, wie man die Reichen künftig aussaugt?
Es ist verblüffend und faszinierend – das einzige Problem an diesem großartigen Plan ist, dass die zypriotische Bevölkerung all diese Probleme, für die sie größtenteils überhaupt nicht verantwortlich ist, ausbaden muss und keine Möglichkeit hat, ihnen aus den Weg zu gehen.
Die vernünftige Frage, die man sich hier stellen sollte, ist: „Wer werden die Nächsten sein, die sich in solch einer Situation wiederfinden werden?“