Frankreichs Sozialisten machen Jagd auf die letzten Reste des französischen Privatsektors

Wolf Richter, Testosteronepit.com, 19.03.2013

Für einige Firmen – all jene, die wissen, wie man sich die weltweiten Steuersysteme zunutze macht – ist Frankreich ein Steuerparadies. Aber während die französische Regierung in einem hoffnungslosen Versuch, über die Runden zu kommen, nun auch noch dem allerletzten Euro hinterherjagt, geht sie dabei nicht nur gegen multinationale Konzerne und ihre Steueroptimierungskonstrukte vor, sondern auch gegen kleinere Unternehmen, die bereits zu Tode besteuert werden und nach Luft schnappen.

In diesem Zusammenhang ist es nicht sonderlich hilfreich, dass der französische Haushaltsminister Jérôme Cahuzac – eine treibende Kraft der französischen Hochsteuer-Strategie zur Absenkung des Haushaltsdefizits – nun plötzlich Gegenstand einer Untersuchung wegen Steuerbetrugs und Geldwäsche geworden ist.

Dieses Verbrechen ist noch schlimmer als der einfache Steuerbetrug, da es im Grunde zwei Schritte beinhaltet: Den Steuerbetrug an sich und den anschließende Kauf von Vermögenswerten, die dann legal weiterveräußert werden können. Sollte bewiesen werden können, dass er gewohnheitsmäßig hinterzogene Gelder wusch, erwarten ihn bis zu sieben Jahre Gefängnis und Geldbußen von bis zu EUR 1 Million.

Aber selbst für die Konzerne wird es nun immer komplizierter. Razzien bei Internetfirmen sind zum alltäglichen Futter für die Medien geworden. Bei Microsoft, Yahoo, Amazon und eBay wurden Razzien durchgeführt, und bei einigen dieser Razzien gab es sehr eindrucksvolles Bildmaterial, das die Macht des Staats zur Schau stellt.

Google wurde auch mit hineingezogen, als die Steuerbehörden bei den Online-Casino-Projekten von Groupe Partouche eine Durchsuchung durchführten und dort Rechnungen von Google entdeckten. Kurze Zeit später wurden die Pariser Büros von Google durchsucht, da das Unternehmen in Verdacht steht, französischen Firmen Online-Werbung zu verkaufen, aber die Einnahmen dieser Transaktionen in dem Niedrigsteuerland Irland und nicht in Frankreich zu versteuern.

„Ich bin sehr stolz auf die Struktur, die wir aufgebaut haben“, erklärte der Google-Vorsitzende Eric Schmidt, als bekannt wurde, dass Google unter Umständen EUR 1,7 Milliarden an Steuernachzahlungen und Geldbußen entrichten muss. „Wir taten dies aufgrund der Anreize, die uns die Regierungen für unsere Geschäftsoperationen boten“, fügte er hinzu. „Das nennt sich Kapitalismus.“

„Diese Optimierungskonstrukte weiten sich nun von großen Unternehmen auf kleinere aus“, so Alexandre Gardette gegenüber der französischen Zeitung Les Echos. Er ist der Direktor für Steuerprüfung beim DVNI, der Abteilung des französischen Finanzministeriums für nationale und internationale Steuerprüfungen, die für die Steuerprüfung der 3.500 größten französischen Unternehmen verantwortlich zeichnet.

Die Steuereinnahmen sind zu solch einer Priorität geworden, dass die Generaldirektion für Staatsfinanzen des Finanzministeriums (DGFiP) in ihrem Dreijahresplan eine Zielvorgabe für Steuernachzahlungen und Geldbußen ausgegeben hat: Allein in 2013 sollen zusätzliche EUR 1 Milliarde eingezogen werden.

„Die Vorgängerregierung konzentrierte sich auf Sozialbetrug“, so ein Berater von Haushaltsminister Jérôme Cahuzac über Nicolas Sarkozy und seine Regierung, die in ihrer konservativen Art Jagd auf Sozialhilfebetrug und ähnliches gemacht hat „Das ist immer noch eines unserer Ziele, aber wir sind stärker auf Steuerbetrug aus“, so der Berater. „Die Größenordnungen sind nicht zu vergleichen!“

Die Unternehmen verteidigen sich, so gut es geht. Les Echos berichtet über ein „berühmtes“ Foto beim DVNI. Darauf sieht man mehrere anderthalb Meter hohe Papierstapel. Dahinter sitzt, aber unsichtbar, eine kleine Steuerprüferin des DVNI.

Sie bat die Firma, ihre Buchhaltungsdokumente elektronisch zu übermitteln. Die Firma weigerte sich und ließ ihr die Dokumente stattdessen in Papierform zukommen. Aber die Zwinge wird jetzt straffer gespannt. Als Ende 2012 der Haushalt verabschiedet wurde, hat man eine Textstelle mit aufgenommen, die die Unternehmen zwingt, ihre Dokumente in digitaler Form bereitzustellen.

Andere Firmen erlauben es den Steuerfahndern nicht, Kopien der Dokumente zu machen, und behaupten, dass diese Dokumente Handelsgeheimnisse enthalten würden. Die Steuerprüfer sind gezwungen, die Dokumente per Hand zu kopieren – beispielsweise einen langen Vertrag in einer ausländischen Sprache. „Es ist eine Glockenkurve“, erklärt Olivier Sivieude, der Direktor des DVNI, gegenüber Les Echos. Die Mehrheit der Unternehmen sei kooperativ, aber manchmal „ist es ein wenig schwierig.“

Aus Sicht der Unternehmen wird es immer schlimmer, so die Beschwerden der Rechtsanwälte und Unternehmenschefs. „Vor allem: Zitieren sie mich nicht“, sagten sie Los Echos. „Die Beziehung ist so angespannt …“

„Es wird immer schwerer, mit der Steuerbehörde einen Kompromiss zu erzielen“, erklärte einer der Anwälte. Die Steuerprüfungen hätten in ihrer Häufigkeit zwar nicht zugenommen – ein großes Unternehmen wird im Schnitt alle drei Jahre geprüft –, aber sie seien jetzt schwieriger und kontroverser, so der Anwalt.

Und es gebe nun mehr formelle Anpassungen. Hat eine Firma beispielsweise ein bestimmtes Formular nicht eingereicht, wird das abgestraft; die Steuerprüfer suchen nun systematisch nach fehlenden Unterlagen. „Vorher wiesen sie auf fehlende Einträge hin und erwarteten, dass man es beim nächsten Mal korrigieren würde“, so ein ehemaliger Steuerprüfer. „Heute brummen sie einem eine Geldbuße auf. So kommt direkt Geld rein.“

Die Geldbußen wurden früher nur bei „absichtlichen Verstößen“ eingesetzt, mittlerweile werden sie aber systematisch genutzt. Einige Steuerexperten sehen darin eine Verhandlungstechnik, die von der französischen Regierung eingesetzt wird, um ihre Ziele zu erreichen. „Das ist nicht weit von Erpressung entfernt“, sagte einer von ihnen, der davon überzeugt ist, dass die Steuerprüfer Zielvorgaben bekommen haben.

Und der Steuerprüfung vorausgehende Durchsuchungsbefehle sind ebenfalls häufiger – und zwar nicht nur bei ein paar wenigen Internetfirmen, die im medialen Rampenlicht stehen. Sie erlauben es den Steuerprüfern beispielsweise, an E-Mails des Spitzenmanagements zu gelangen und diese dann zu nutzen, um die Prüfungsergebnisse zu verbessern.

„Früher sah man fast überhaupt keine Razzien“, erklärt Gianmarco Monsellatto, ein Rechtsanwalt bei Taj, einer der großen französischen Rechtsanwaltskanzleien. „Heute sind sie wesentlich häufiger anzutreffen.“ Dazu gehörten auch Razzien in den Häusern der Geschäftsführer von Familienunternehmen. Taj hat daher nun eine 24-Stunden-Hotline für seine Kunden eingerichtet, die Opfer einer solchen Überraschungsrazzia werden.

Aus Sicht der Regierung sind diese Strategien bisher erfolgreich gewesen: Letztes Jahr haben die Steuerprüfungen bei den Unternehmen 14% mehr Steuereinnahmen – Steuernachzahlungen und Geldbußen – gebracht als im Vorjahr. Es ist eine der wenigen erfolgreichen Wachstumsbranchen in Frankreich.

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