Wolf Richter, Testosteronepit.com, 09.04.2013

Im März dieses Jahres gelangten die ersten Daten der von der EZB organisierten eurozonenweiten Vermögenserhebung an die Öffentlichkeit, sechs Jahre nachdem man mit der Datenerhebung begonnen hatte. Die Bundesbank weigerte sich jedoch, die deutschen Daten zu veröffentlichen, und Insider ließen auch den Grund dafür durchblicken: Die Daten seien angesichts der aktuellen Schuldenkrise und all der Rettungspakete viel zu explosiv, da italienische Haushalte bedeutend vermögender waren als deutsche Haushalte. Schockierend! Aber reine Ablenkung. Denn wie sich nun herausstellte, ist die Wahrheit noch viel schockierender.

Die EZB hat jetzt endlich ihren alle Euroländer umfassenden Bericht veröffentlicht – und er ist weit schlimmer, als befürchtet wurde. Ja, das mittlere Vermögen italienischer Haushalte war tatsächlich drei Mal so hoch wie das in Deutschland. Aber das war nicht das Problem. Das Problem war Zypern.

Die zypriotischen Haushalte (CY) waren – gemessen am mittleren Vermögen und am Durchschnittsvermögen – die zweitreichsten Haushalte der Eurozone. Das mittlere zypriotische Haushaltsvermögen – also die eine Hälfte der Bevölkerung hat mehr und die andere Hälfte weniger – war mit EUR 266.900 über fünf Mal so hoch wie das mickrige deutsche mittlere Haushaltsvermögen von EUR 51.400.

Das durchschnittliche Vermögen zypriotischer Haushalte [arithmetisches Mittel] kletterte auf phänomenale EUR 670.900 – es entspricht dem 3,4-fachen des durchschnittlichen Haushaltsvermögens in Deutschland (EUR 195.200) und liegt nur knapp unter dem von Luxemburg (EUR 710.100).

Derart exklusive Vermögensniveaus sind natürlich nur in kleinen Ländern mit riesigen und undurchsichtigen Bankenzentren oder Unmengen an Ölreserven möglich. Nur wenige Länder auf dem Planeten gehören diesem Eliteclub an.

Und die Deutschen (DE) sind – gemessen am mittleren Vermögen – die ärmsten der Eurozone:

Eurozone-Median-Average-Wealth-by-country
Ungleiche Vermögensverteilung in der Eurozone. Mittleres Vermögen der Haushalte (blau) und Durschnittsvermögen der Haushalte (rot).

Aber es war nicht so, dass die zypriotischen Haushalte jede Menge Geld verdient hätten – sie verdienten dasselbe wie die deutschen Haushalte! Sie wussten einfach, wie man am Geld festhält. Zumindest bis ihre Blase platzte. Für unsere hart arbeitenden teutonischen Helden ist besonders ärgerlich, dass ihre Realeinkommen seit der Wiedervereinigung zurückgegangen sind, während die Realeinkommen ihrer südlichen Nachbarn stark stiegen … und dass ihr Vermögen von den Steuern, den hohen Mietkosten und anderen Ausgaben aufgefressen wurde.

Eurozone-Median-Average-Income-by-country
Ungleiche Einkommensverteilung in der Eurozone. Mittleres Einkommen (blau) und Durschnittseinkommen (rot).

Der Vergleich ist atemberaubend. Das Vermögen eines deutschen Haushalts belief sich auf weniger als die Hälfte des Eurozonen-Mittels von EUR 109.000 – ja es lag sogar unter dem früherer Ostblockländer, von denen das ärmste die Slowakei mit einem mittleren Haushaltsvermögen von EUR 61.200 war.

Die Westdeutschen waren da mit einem mittleren Haushaltsvermögen von EUR 68.000 besser dran. Die Ostdeutschen stecken mit einem mittleren Haushaltsvermögen von EUR 21.000 tief in der Armut fest – und ihre Kameraden in der Slowakei waren drei Mal reicher. Selbst die schlechtgemachten, faulen und korrupten Griechen wiesen ein mittleres Haushaltsvermögen von EUR 101.900 aus.

Zumindest war das noch in 2010 der Fall, als die Erhebung durchgeführt wurde. Es war die Anfangsphase starker Preissteigerungen am deutschen Aktienmarkt und der Beginn des Anstiegs der deutschen Immobilienpreise, die über Jahre hinweg vor sich hindümpelten.

Mittlerweile sind die deutschen Haushalte – also all jene, die Immobilien und Aktien besitzen – bedeutend besser dran, als dies noch in 2010 der Fall war, und sie haben den Durchschnitt seitdem auch nach oben getrieben. Das mittlere Vermögen deutscher Haushalte – die meisten besitzen weder Eigentum noch Aktien – dürfte aber wieder einmal abgeschlagen hinterherhinken.

Leider ist der zypriotische Aktienmarkt, der nach seinem Hoch in 2007 um 98% eingebrochen ist, mittlerweile irrelevant geworden; die zypriotischen Immobilienpreise sind die letzten zwei Jahre eingebrochen, nachdem sie zuvor eine atemberaubende Blase ausgebildet hatten; und die Milliarden auf den Bankkonten haben sich ebenfalls in Luft aufgelöst. Ein Teil des Vermögens war also nur sehr kurzlebiger Natur – aber selbst heute dürften die zypriotischen Haushalte immer noch vermögender sein als die unserer teutonischen Helden.

Das Vermögen spanischer Haushalte ist ebenfalls in einer Abwärtsspirale aus verheerender Arbeitslosigkeit und einer explodierenden Eigenheimblase gefangen – spanische Haushalte führen die Umfrage mit einer Eigentumsquote von 83% an. 2010 bewerteten die Eigenheimbesitzer ihre Wohnungen und Häuser noch zu schwindelerregenden Blasenpreisen. Bis zum jetzigen Zeitpunkt hat sich ein Großteil dieses Vermögens in Luft aufgelöst – mit dramatischen Folgen für das Vermögen der Haushalte.

Dass die deutschen Haushalte jetzt in aller Öffentlichkeit als die ärmsten der Eurozone gelten, sorgt in den Medien natürlich für Schadenfreude. Aber dass man von diesen ärmeren Haushalten erwartet, dass sie den Löwenanteil der Rettungsmaßnahmen für ihre reicheren Nachbarn tragen sollen, ja das dürfte wohl nur in Deutschland ein Problem sein.

Zentralbankquellen erklärten gegenüber der FAZ, dass die Bundesbank und die EZB diese explosiven Vermögensdaten solange unter Verschluss hielten, bis die Zypern-Rettung vereinbart worden war, um einen Sturm der Entrüstung zu einem völlig ungünstigen Zeitpunkt zu vermeiden. Aber die Daten erklären auch die politische Motivation für die Haircuts bei den Einlegern zypriotischer Banken.

In Deutschland kamen die staatseigenen Statistiker umgehend herbeigeeilt, um die Vermögensunterschiede zu begründen und wegzuerklären. Sie zerrten die Eigentumsquote hervor – die in Deutschland mit 44% extrem niedrig ist – und die enormen öffentlichen Wohnungsbestände mit den subventionierten Mieten; es sei öffentliches Vermögen, anstatt privates Vermögen, aber es würde ja alles im selben Topf landen oder irgendwie so. Und sie wiesen darauf hin, dass ein durchschnittlicher deutscher Haushalt aus 2,04 Personen besteht und somit der kleinste der gesamten Eurozone ist. In Zypern liegt diese Zahl bei 2,76 usw. usf.

Am Ende war es dennoch ein sehr hässliches Bild der Vermögensungleichheit in der Eurozone – mit den Deutschen als den großen Verlierern. Kanzlerin Merkel nahm davon aber keinen Schaden. Sie ist in Deutschland nach wie vor unglaublich beliebt, obwohl das Vermögens-Fiasko zum Teil auch unter ihrer Führung stattfand – ein Zeugnis dafür, dass Merkel über die Fähigkeiten einer ultimativen Politikerin verfügt.

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