Erfolgreicher Gründungsparteitag der »Alternative für Deutschland« in Berlin – Mit viel Interesse, aber auch viel Argwohn wurde der Gründungsparteitag der „Alternative für Deutschland“ (AfD) beäugt. Sogar die EU-Kommission schickte eine Beobachterin. Doch aus ihrer Sicht war das Gesehene wenig erfreulich
Michael Leh, Preußische Allgemeine, 17.04.13
Die AfD will bei der Bundestagswahl im September antreten. Das wurde auf dem Gründungsparteitag in Berlin per Akklamation beschlossen. Als Sprecher (Vorsitzende) der Partei wurden der Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke, die Chemikerin Frauke Petry und der Journalist Konrad Adam gewählt.
Die Sprecher der Partei sind formal gleichberechtigt. Primus inter pares ist jedoch Bernd Lucke. Durch seine Kompetenz in Wirtschafts- und Währungsfragen sowie seine Fernseh-auftritte war er bereits bisher das Gesicht der jungen Partei. Auch auf dem Parteitag in Berlin war der 51-Jährige die dominante Figur. Er hielt als einziger eine längere – und stürmisch bejubelte – politische Rede. In einem beispiellosen Parforceritt bewältigten die 1500 Parteitagsteilnehmer diszipliniert an nur einem einzigen Tag die Wahl des Vorstandes sowie die Verabschiedung von Parteisatzung, Finanzordnung und Wahlprogramm. Für die Wahl des Vorstandes gab es viel mehr Bewerber als vorhandene Stellen; man hatte sich zuvor auf einen zehnköpfigen Vorstand geeinigt. Die Kandidaten hatten sich vorher bereits im Internet vorstellen können. Auch die schwierige Aufgabe, aus so vielen Bewerbern auswählen zu müssen, wurde erstaunlich gut gemeistert. Als stellvertretende Sprecher wurden Alexander Gauland, Roland Klaus und Patricia Casale gewählt.
In schroffem Gegensatz zum Bemühen der etablierten Parteien, den neuen Konkurrenten totzuschweigen, stand das starke Interesse internationaler Medien. Journalisten aus Spanien, Holland, Schweden, Italien, Frankreich, England, Japan, Russland, den USA und sogar Vertreter des arabischen Senders Al-Dschasira waren beim Auftritt der Anti-Euro-Partei zugegen. Die „New York
Times“ brachte am vergangenen Montag einen ausführlichen und sachlichen Bericht, während sich deutsche Medien von tagesschau.de bis „Stern“ häufig in kurzen und diffamierenden Kommentaren ergingen.
Die Botschaften der USA und Hollands hatten Vertreter zum Gründungsparteitag entsandt. Auch die EU-Kommission schickte eine Beobachterin. Letztere wird ihren Vorgesetzten in Brüssel nur wenig Erfreuliches berichtet haben können. Denn Lucke geißelte den „Wasserkopf“ der Brüsseler Bürokratie, die exorbitant hohen Gehälter von EU-Beamten, er lehnte ein eigenes EU-Budgetrecht ebenso ab wie eine Transferunion oder einen zentralisierten Europastaat. Zudem forderte er, Gesetzgebungskompetenzen zurück zu den nationalen Parlamenten zu verlagern.
Vor allem aber nannte der „Furore-Professor“ („Die Welt“) ohne mit der Wimper zu zucken den Euro einen „historischen Fehler“, der rückgängig gemacht werden müsse. „Das Dümmste, was wir tun könnten, wäre es, an diesem Fehler in Nibelungentreue bis in fernste Zukunft festzuhalten“, so Lucke. Die etablierten Parteien besäßen weder die Größe, den Fehler der Euro-Einführung zuzugeben, noch einen Plan B. Sie gäben nur noch Durchhalteparolen aus. Dabei sei die Krise ungelöst und breite sich weiter aus. Dies sei ein „komplettes Desaster“. Deutschland brauche den Euro nicht, anderen Ländern schade er. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt sei auf europäischer Ebene rund 80-mal völlig folgenlos gebrochen worden. Die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten sei zu „überforderten Erfüllungsgehilfen der Bundesregierung verkommen“. Der Europäische Stabilitätsmechanismus ESM sei institutionalisierter Rechtsbruch: „Er soll genau das tun, was der Maastricht-Vertrag verbietet: Bankrotte Länder mit dem Geld deutscher und anderer europäischer Steuerzahler heraushauen.“ Die AfD fordere die Wiedereinführung nationaler Währungen oder die Schaffung kleinerer und stabilerer Währungsverbünde. Die Wiedereinführung der D-Mark dürfe dabei kein Tabu sein.
Wer Lucke bisher nur als nüchtern argumentierenden Wissenschaftler gekannt hatte, erlebte jetzt einen kämpferischen Politiker, der rhetorisch begabt auch einen Parteitag mitreißen kann. Zu Recht sprach er von einer „phantastischen Aufbruchstimmung“. Die Zeit bis zur Bundestagswahl ist jedoch knapp. Erst fünf Landesverbände sind gegründet. Was die AfD jenseits der Euro-Frage will, bleibt vielfach offen. Eine große Lücke klafft bei der inneren Sicherheit. Auf die Frage der PAZ, welche Position man etwa zur Optionspflicht bei doppelten Staatsbürgerschaften beziehe, wichen Vorstandsmitglieder nicht nur aus. Offen wurde sogar erklärt, solche Fragen werde man auch bis zum Wahltag nicht beantworten. Abgesehen von der Euro-Frage werden also auch AfD-Wähler im September die Katze im Sack kaufen müssen.