Patrick Wood, The August Forecast, 17.04.2013

Seit 2010 veröffentlicht Credit Suisse jedes Jahr den „Global Wealth Report“. Darin heißt es: „Das Gesamtvermögen der weltweiten Haushalte fiel zwischen Mitte 2011 und Mitte 2012 um 5,2% auf USD 223 Billionen – das ist der erste Jahresrückgang seit der Finanzkrise 2007 bis 2008.“

In dem Bericht wird darauf verwiesen, dass der überwiegende Teil der Verluste in Europa gemacht wurde, wo derzeit in jedem Land ein wirtschaftlicher Rückgang zu beobachten ist. In den USA sei es zwar auch zu einem Vermögensrückgang gekommen, doch wurde dieser durch höhere Aktien- und Rohstoffpreise auf Dollarbasis abgefedert.

Wenn wir diese Zahlen dem Derivatemarkt gegenüberstellen – in welchem die meisten globalen Banken zocken –, dann ist dieser mit einem nominellen Wert von mindestens USD 700 Billionen mehr als drei Mal so groß wie das weltweite Vermögen. Eine Grafik, die den Umfang des Derivatemarkts veranschaulicht, finden Sie hier.

Laut der „weltweiten Schuldenuhr“ der Zeitschrift The Economist belaufen sich die weltweiten Staatsschulden „offiziell“ auf USD 50,5 Billionen. Dr. Lawrence Kotlikoff dokumentierte 2006 im Auftrag der Federal Reserve of St. Louis, dass sich die realen Belastungen der US-Regierung auf über USD 211 Billionen belaufen; und wenn andere Regierungen die Bücher genauso „frisieren“ wie die US-Regierung, dürfte die weltweite Staatsverschuldung wohl eher im Bereich von USD 1 Billiarde anzusiedeln sein.

Und die Privat- und Unternehmensschulden werden bei diesen Zahlen ja noch gar nicht mit berücksichtigt.

Die USD 223 Billionen an Nettovermögen erscheinen vor diesem Hintergrund daher eher winzig und fragil: Selbst wenn nur auf 20% der Schulden und Derivate die Zahlungsunfähigkeit erklärt würde, wären die Verluste bereits ausreichend, um das Eigenkapital komplett auszulöschen.

Natürlich bin ich mir im Klaren darüber, dass dies eine kurze und unvollständige Analyse ist, aber ich will damit ja auch nur veranschaulichen, dass das weltweite Finanzsystem immer noch der Gefahr eines Totalzusammenbruchs ausgesetzt ist – heute sogar noch stärker als zwischen 2006 und 2008.

Im Januar 2013 veröffentlichte das Magazin Forbes einen Artikel mit dem Titel: „Großbanken und Derivate: Warum eine neue Finanzkrise unvermeidlich ist“. Der Autor des Artikels, Steve Denning, merkt an, dass die Banken-Reformen ein Totalreinfall waren, die Banken heute so starken Derivate-Risiken ausgesetzt sind wie nie zuvor und dass sie heutzutage sogar noch intransparenter sind als während der letzten Finanzkrise. Der Autor kommt zu folgender Schlussfolgerung:

„Die Warnhinweise zu ignorieren, hat unvermeidliche Konsequenzen. Wir haben sie bereits zuvor ignoriert, und wir haben ja gesehen, was geschah. Wir können nahezu mit Sicherheit sagen: Wenn wir weitermachen wie bisher und sie abermals ignorieren, wird der große Weiße Hai der Finanzkernschmelze die magere Wirtschaftserholung verschlingen und 2008 wie einen Schlucksen erscheinen lassen.

Wir können nicht sagen, wann es passieren wird. Wir können nicht sagen, welche Bank oder welches spezielle Finanzinstrument das Debakel auslösen wird. Was wir nahezu mit Sicherheit sagen können, ist, dass, sollten wir weitermachen wie bisher, es passieren wird, da das Ausmaß des Handels heute größer ist und weil die erschöpften Staatskassen für eine weitere riesige Rettung nicht sonderlich gut gerüstet sind und die Folgen daher schlimmer sein werden als in 2008.“

Zwei Dinge können wir hier mitnehmen: Erstens steht es so gut wie fest, dass wir auf die nächste Wand zurasen, und zweitens verfügen die Regierungen heute nicht mehr über die Ressourcen für eine Rettung.

Das ist die hässliche Seite der Deflation. Wenn Unternehmen, Privatpersonen oder Länder bankrottgehen (oder ihre Schulden für nichtig erklären) passieren zwei Dinge: Erstens geht die Gesamtschuldenmenge zurück und zweitens geht die Gesamtmenge des Eigenkapitals zurück.

Eine Kreditdeflation geht immer mit einem entsprechenden Rückgang des Eigenkapitals einher. Im umgekehrten Fall verhält es sich aber anders: Eine Kreditinflation führt nicht zu einer Kapitalzunahme, solange sie nicht mit einer entsprechenden Ausweitung der Wirtschaftsaktivität einhergeht. Daher können wir auch leicht schlussfolgern, dass eine Kreditdeflation einen Anstieg der Wirtschaftsaktivität unmöglich macht.

Auf der ganzen Welt können wir beobachten, dass Wirtschaftsrückgang und Kreditdeflation zwei Seiten ein und derselben Medaille sind. Sie heizen sich gegenseitig an und schaffen eine Deflationsspirale, die unersättlich ist – ganz egal, welche geldpolitischen Maßnahmen seitens der Zentralbanken oder Regierungen auch immer durchgeführt werden. Und das ist auch der Grund dafür, warum die quantitative Lockerung der US-Notenbank keine positiven Auswirkungen auf die Wirtschaft hatte.

Und im Lichte der Deflation wird auch der historische Goldeinbruch am Freitag und Montag verständlich. Letztlich treibt die Deflation die Preise aller Vermögensklassen nach unten – und zwar branchenübergreifend. Gemeinsam mit Gold gingen auch Silber, Öl und eine ganze Reihe anderer „harter“ Rohstoffe im Preis zurück.

Der entscheidende Fehler der Goldanalysten und Edelmetallinvestoren – viele von ihnen sind Freunde von mir – ist, dass ihr dogmatischer Inflationsglaube ihnen den Blick auf die deflationäre Realität versperrt hat. Die meisten Aktienmarktanalysten sind in derselben Falle gefangen. Die Sache ist einfach die, dass Investmentstrategien, die auf Inflation beruhen, völlig andere sind als die, die auf Deflation beruhen. Im Grunde stehen beide Investmentstrategien im Widerspruch zueinander.

Im Falle einer Inflation steht der Kapitalerhalt (inflationsbereinigt) im Vordergrund, was es notwendig macht, dass man in handfeste Vermögenswerte investiert, die an der Ausweitung der Wirtschaftsaktivität partizipieren. Bei der Deflation heißt es „Cash is king“; bei der Deflation verhält es sich also genau andersherum.

In einer Deflationsspirale wird es zunehmend schwerer, an Geld zu kommen: Der Verkauf von Vermögenswerten, die Unfähigkeit, an Bankkredite zu gelangen, die zunehmende Schwierigkeit, Arbeitsplätze zu finden, usw. – all das sorgt bei den Geldbörsen der Menschen für immer stärkeren Druck. Durch die zurückgehende Wirtschaftsaktivität ist die Wirtschaft schlicht nicht in der Lage, Renditen abzuwerfen.

Eine weitere bedeutende Dynamik, die den wirtschaftlichen Niedergang anheizt, sind die demographischen Faktoren. Obwohl zahlreiche Panikmacher vorhergesagt haben, dass die Menschheit durch eine Überbevölkerung ausgelöscht würde, ist genau das Gegenteil eingetreten. Die Geburtenraten sind weltweit auf Niveaus zurückgegangen, die mit einem dauerhaften Bevölkerungsrückgang in Zusammenhang stehen. Und diese Informationen liegen nicht im Verborgenen, sondern sind leicht zugänglich.

Pew Research veröffentlichte im November 2012 einen großen Bericht mit dem Titel: „US-Geburtenraten fallen auf Rekordtief; Rückgang ist unter Zuwanderern am stärksten“. In dem Bericht heißt es gleich zu Beginn: „Die US-Geburtenraten sind 2011 auf das niedrigste jemals erfasste Niveau gesunken.“

Die Geburtenrate bei Einwanderinnen (beispielsweise aus Mexiko) ist sogar noch stärker eingebrochen. Es ist eine historische Tatsache, dass bisher noch keine Bevölkerungsgruppe in der Geschichte ihrer Auslöschung entrinnen konnte, wenn ihre Geburtenrate auf unter 1,8 gesunken ist. Italiens Geburtenrate liegt bei 1,4 und die von Japan liegt ebenfalls bei 1,4.

Eine sinkende Bevölkerung bedeutet einen branchenübergreifenden Rückgang bei der Wirtschaftsaktivität. Während wirtschaftlich schwerer Zeiten neigen Familien aufgrund der Kosten dazu, sich keine weiteren Kinder anzuschaffen, so dass die Geburtenraten dann sogar die Tendenz aufweisen, noch stärker zu fallen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Rückgänge bei den Krediten, dem Vermögen und der Bevölkerung alle in ein und dieselbe Richtung weisen: Deflation. All jene, die sich mit diesem Gedanken anfreunden können, werden bedeutend besser fahren, als diejenigen, die weiter an ihren Inflationsauffassungen festhalten.

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