Die Mittelschicht ist das Rückgrat der Gesellschaft – bricht sie weg, wird’s ungemütlich. Leider ist aber genau das die Richtung, die die westlichen Industrieländer eingeschlagen haben

John Browne, Europac.net, 11.06.2013

Wie eine sorgsam einstudierte religiöse Beschwörungsformel betonen die Politiker und Zentralbanker fortwährend, dass ihre Konjunkturbelebungsmaßnahmen darauf abzielen, die Interessen und das Wohlergehen der Mittelschicht zu fördern. Zynische Beobachter könnten hier anmerken, dass dieser heldenhafte politische Standpunkt unter Umständen darauf zurückzuführen ist, dass sich die Politiker die Unterstützung der überwiegenden Mehrheit der Wähler sichern wollen, die sich selbst als „Mittelschicht“ charakterisieren.

Die Folgen ihrer Wirtschaftsprogramme haben aber in Wirklichkeit zum genauen Gegenteil geführt. Die Mittelschicht wird derzeit durch steigende Steuern, negative Realzinsen, Währungsentwertung und zunehmend belastendere staatliche Verordnungen zermalmt.

Eine große und gesunde Mittelschicht ist die allerwichtigste Bastion der Demokratie und der Freiheit in der modernen Welt. Personen, die sich der Mittelschicht zugehörig fühlen, weisen eine starke Affinität zu ihrer Nation und dem Wirtschaftssystems auf. Eine kleine, schwache Mittelschicht öffnet diktatorischer Kontrolle und Tyrannei die politische Tür. Das war beispielsweise in den letzten Tagen des zaristischen Russlands der Fall, wo eine kleine bolschewistische Partei in der Lage war, die Unzufriedenheit der Unterschicht auszuschlachten und sich die Kontrolle über mehr als 100 Millionen Menschen anzueignen.

Viele staatliche Entscheidungen haben dazu geführt, dass sich die Amerikaner verschuldet haben, beispielsweise Clintons Bemühungen die Eigentumsquote zu erhöhen, Bushs Bemühungen nach 9/11 den Konsum anzuheizen oder die steuerliche Absetzbarkeit von Hypothekenzinsen.

Da die USA der größte Schuldner der Welt sind, ist es nicht sonderlich schwer, sich vorzustellen, dass die US-Regierung eine Politik favorisiert, die die Schuldner begünstigt, nicht die Geldgeber. Diese Bemühungen können noch verstärkt werden, wenn durch die Geldentwertung der Zentralbank der Wert der Ersparnisse, die die Mittelschicht beiseitelegen konnte, vernichtet wird.

Derzeit besteht die ausdrückliche Politik der US-Notenbank darin, die Zinssätze unter der Inflationsrate zu halten, was schon per Definition entmutigt, Geld anzusparen, und einen Anreiz schafft, Schulden aufzunehmen. Für den Verlust ihrer Ersparnisse kann die Mittelschicht aber im Gegenzug nicht auf irgendwelche substantiellen Verbesserungen und Zugewinne verweisen. Im Großen und Ganzen stagnierten die amerikanischen und europäischen Gehälter die letzten Jahre. In Japan hat eine ähnliche Rezession zu einer nun schon seit über zehn Jahren anhaltenden stagnierenden Wirtschaftsentwicklung geführt.

Unterdessen leidet die Mittelschicht in vielen für das Leben dieser Menschen essentiellen Bereichen wie Nahrungsmittel und Energie unter Preisanstiegen. Die Statistiken zeigen, dass der Anteil des Einkommens, den Amerikaner für grundlegende, essentielle Güter ausgeben müssen, in den letzten Jahren bedeutend gestiegen ist. Und hier kommen noch riesige verdeckte Steuererhöhungen wie die Gesundheitsreform unter Obama hinzu, die drohen, noch größere Löcher in die Geldbörsen zu reißen. Diese Kombination hat zu einer erheblichen Reduzierung des frei verfügbaren Einkommens zahlreicher Konsumenten aus der Mittelschicht geführt. Diese geringeren Einkommen sind aber immer noch zu hoch, als dass die Mittelschicht Anspruch auf staatliche Sozialprogramme wie Hypothekenzuschüsse, Arzneibezuschussungen oder Lebensmittelmarken hätte.

Kurzum: Die Mittelschicht wird zwischen den niedrigeren Nettoeinkommen und den höheren Lebenshaltungskosten aufgerieben. Da braucht man sich dann auch nicht mehr darüber zu wundern, dass sich viele von ihnen verschuldet haben, um über die Runden zu kommen.

Viele dieser Vertreter der Mittelschicht – die hart gearbeitet und Geld beseitegelegt haben – sind nun mit ernsthafter (oftmals langfristiger) Arbeitslosigkeit konfrontiert, da ihre alten beruflichen Qualifikationen in der heutigen Berufswelt überflüssig geworden sind. Sind sie erst einmal in Rente gegangen, leben diese Menschen oftmals von festen Einkommen. Viele, die Angst vor Rezessionen und den damit einhergehenden Marktschwankungen von Wertpapieren haben, horteten ihre Ersparnisse auf Bankkonten.

Und da die Zinssätze durch die Zentralbanken nach unten manipuliert worden sind, erhalten die Sparer für die meisten ihrer Bankeinlagen weniger als 0,5% Zinsen pro Jahr. Selbst bei der „offiziellen“ Inflationsrate, die gerade einmal bei knapp über 1% liegt, ist die Rendite bei ihren Bankeinlagen und kurzlaufenden Finanzinstrumenten bereits negativ. Legte man eine wirklichkeitsnähere Inflationsrate zu Grunde, würden fast alle festverzinslichen Finanzinstrumente – von den hochriskanten einmal abgesehen – negative Realzinsen ausweisen.

Und dann kommen noch die lähmenden staatlichen Verordnungen und die aggressiven Einmischungen der heutigen Regierung hinzu, die den Anreiz mindern, neue kleine und mittelständische Unternehmen zu gründen bzw. deren Geschäftsbetrieb aufrecht zu halten. Fakt ist, dass kürzlich ein Bericht veröffentlicht wurde, in dem detailliert beschrieben wird, dass es in den USA immer schwieriger wird, eine kleine Firma aufzumachen. Und obwohl am Arbeitsmarkt kontinuierlich Verbesserungen beobachtet werden können, streichen die Kleinunternehmer mehr Arbeitsplätze, als sie schaffen.

Kurzum: Die geldpolitischen Strategien der Zentralbanken und die Politik eines überbordenden Staats vernichten die Mittelschicht, und mit ihr löst sich auch die wichtigste Bastion der Demokratie in Rauch auf. Geschichtsinteressierte sind sich im Klaren darüber, dass dies ein gefährlicher Trend ist.

Menschen, die der Auffassung sind, dass ihnen die Gesellschaft keine Hoffnung auf Verbesserungen bietet, sind oftmals bereit, sich dem offenen Klassenkampf und den Standpunkten gefährlicher Demagogen zu verschreiben. Ist das vielleicht die Richtung, in die Washington, Brüssel und Tokyo gehen wollen? Wir sollten jedenfalls alle Anstrengungen darauf verwenden, die Botschaft zu verbreiten, dass Freiheit für alle gut ist, nicht nur für die Reichen.

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