Wolf Richter, Testosteronepit.com, 17.07.2013

In einer solch verrückten Zeit wie heute haben Unternehmenschefs eine Hauptaufgabe: Die Aktien ihrer Unternehmen nach oben zu manipulieren. Und nur wenige meistern diese heikle Kunst so gut wie Elon Musk, der Geschäftsführer von Tesla Motors, dem es gelang, seinen Flieger auf gut Glück in die Stratosphäre zu schießen und die Aktie in weniger als einem Jahr von USD 25 auf USD 133 zu jagen. Doch hinter den Kulissen macht sich unter den Geschäftsführern der Spitzenunternehmen bezüglich des weltweiten Wirtschaftsausblicks eine Untergangsstimmung breit.

Sie sind so pessimistisch wie seit Oktober 2009 nicht mehr, also den Tagen der Großen Rezession, wie aus der halbjährlichen weltweiten Markit-Umfrage zum Wirtschaftsausblick hervorgeht, bei der 11.000 Unternehmen in 17 Ländern befragt werden. Und die Hauptschuldigen für die heftigsten Einbrüche bei der Zuversicht: Die Unternehmenschefs in den USA und China.

Es gibt aber auch einige Ausnahmen: In Großbritannien und Brasilien sind die Unternehmenserwartungen gestiegen. Und auch die indischen Unternehmenschefs versinken jetzt nicht noch tiefer im Pessimismus-Morast, sondern waren in der Lage, ihr 3,5-Jahrestief zu halten. Aber in den USA ist der Optimismus bezüglich künftiger Unternehmensaktivitäten, Umsätze, Auftragseingänge und Gewinne im Fertigungs- wie auch Dienstleistungsbereich auf die Tiefs eingebrochen, die zuletzt direkt nach der Finanzkrise verzeichnet wurden.

In China ist die Stimmung unter den Chefs der Fertigungsunternehmen auf das tiefste Niveau seit Oktober 2011 eingebrochen, was sicherlich besorgniserregend genug ist, aber die Zuversicht der Chefs von chinesischen Dienstleistungsfirmen brach unterdessen auf das niedrigste Niveau seit Oktober 2007 ein, sackte also sogar noch stärker ab, als während der Finanzkrise. Alles ging den Bach runter: Die Stimmung bezüglich künftiger Unternehmensumsätze, Auftragseingänge und Gewinne. [Siehe auch die Aussage des Chefs des Industriekonglomerats Siemens: „Während der letzten Krise hatten wir China,“ jetzt haben wir niemanden.]

„China ist der größte Sorgenbereich der Anleger,“ so Michael Hartnett, der Chef-Investmentstratege von BofA Merill Lynch, nach der Veröffentlichung seiner Fondsmanager-Erhebung, bei der die Stimmung unter 238 weltweiten Fondsmanagern ermittelt wird. Ihre Stimmung im Hinblick auf China brach auf das niedrigste Niveau seit Januar 2009 ein, als die dunkelsten Tage der Finanzkrise wüteten. Sie fürchten eine „harte Landung“ der chinesischen Wirtschaft mehr als alles andere, sogar noch mehr als den nächsten Punkt auf der Sorgenliste, die EU-Staatsschuldenkrise.

Bei den vermöbelten Ländern am Rande der Eurozone konnte sich der Optimismus der Unternehmenschefs, falls Optimismus hier noch das richtige Wort ist, ein klein wenig erholen, aber in den größten Wirtschaften der Eurozone – in Deutschland, Frankreich und Italien – brach die Zuversicht unterdessen ein, besonders im Fertigungsbereich und hier speziell in Deutschland!

In Japan sollte „Abenomics“ – also der Mix aus staatlichen Unternehmenssubventionen und den Verheißungen großzügigen Gelddruckens und umfangreicher Anleiheaufkäufe durch die Bank von Japan – eigentlich einen Tsunami der Hoffnung herbeizaubern, um die Zuversicht kräftig anzuheizen und alle dazu zu bringen, mehr Kredite aufzunehmen und mehr auszugeben. Es funktionierte. Die Exporteure, die vom angeschlagen Yen profitieren, schweben immer noch im siebten Himmel. Aber bei den Geschäftsführern der Dienstleistungsunternehmen ist der Ballon schon wieder am Sinken.

Die gute Nachricht bei Russland ist, dass der Optimismus bei den Top-Unternehmenschefs nicht eingebrochen ist, sondern „nur leicht zurückging“; die schlechte Nachricht ist, dass die Zuversicht russischer Unternehmenschefs ohnehin schon im Bereich der Tiefs vor sich hindümpelt, die zuletzt kurz nach der Finanzkrise verzeichnet wurden.

Dieser weltweite Einbruch beim Vertrauen der Unternehmen und das Wiedererstarken der Untergangsstimmung in den größten weltweiten Wirtschaften verheißen nichts Gutes für produktive Investments und die Arbeitsplatzschaffung in der Realwirtschaft, worauf man ja so verzweifelt gehofft hatte, was nun für die zweite Jahreshälfte aber zunehmend illusorischer wird. Und das trotz – oder gerade wegen – all der konzertierten Bemühungen der Zentralbanken, das Finanzsystem mit frisch gedrucktem Geld zu fluten.

Die institutionellen Anleger – das Smart Money – konnten diesen Sog bereits spüren und wollten von ihm nicht ins Meer hinausgezogen werden. Daher sind sie ungeachtet all des Brimboriums an den Aktienmärkten und in weiten Teilen der Medien laut BofA Merrill Lynchs Wochendaten zu den Handelsmustern ihrer Kunden bereits das ganze Jahr über aus den Aktienmärkten ausgestiegen.

Doch der Privatanleger – also der kleine Mann von der Straße – hat unterdessen praktisch das ganze Jahr über Aktien gekauft, was nur kurz von einem kleinen Enthusiasmus-Einbruch im Frühjahr unterbrochen wurde, aber dem folgte dann gleich wieder ein entschlossener Kaufrausch. Diese Privatanleger von BofA Merill Lynch haben im bisherigen Jahresverlauf USD 7,4 Milliarden in Aktien investiert, während das Smart Money über USD 10,7 Milliarden aus dem Aktienmarkt abgezogen hat.

Das ist die Große Rotation, auf die die US-Notenbank gewartet hat, von denen, die von den Gelddruckmaßnahmen und der Anleihe-Kauforgie der Fed profitiert haben, zu jenen, die am Ende auf der Rechnung sitzen bleiben werden – von Wall Street zu Mainstreet.

Die Hoffnung ist, dass die Fed die Rally und die Große Rotation lange genug aufrecht erhalten kann, um es dem Smart Money zu erlauben, seine Positionen abzustoßen und zu verschwinden, bevor das Pendel von dem „Vermögenseffekt“ wieder zu seiner unvermeidlichen Konsequenz, der „Kapitalvernichtung“, zurückschwingt.

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