Die nichtfinanzierten Verbindlichkeiten der USA belaufen sich auf hunderte Billionen von US-Dollars. Die jüngst verkündete Insolvenz von Detroit – die größte Gemeindepleite in der Geschichte der Vereinigten Staaten – ist nur ein erster Vorgeschmack auf das, was uns noch erwartet

Eric Sprott & Etienne Bordeleau, Sprott Asset Management, 01.08.2013

Am 18.07.2013 meldete die Stadt Detroit offiziell Insolvenz an. Mit USD 18 Milliarden ist das der größte Gemeindebankrott in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Aus dem aktuellen „Vorschlag für die Gläubiger“ geht hervor, dass die Pensionspläne der Stadt chronisch unterfinanziert gewesen sind.

Die Finanzierungslücke zwischen den von den Pensionsfonds gehaltenen Vermögenswerten und den Verbindlichkeiten liegt aktuell bei rund USD 3,5 Milliarden. Darüber hinaus beläuft sich der Wert der „anderen Zuwendungen nach Ende des Beschäftigungsverhältnisses“ (OPEB) wie Lebensversicherungen, Krankenkassenleistungen usw. auf USD 5,7 Milliarden. Bei den Verbindlichkeiten des Detroiter Pensionssystems gibt es also eine Finanzierungslücke von USD 9,2 Milliarden.

Laut dem Restrukturierungsplan beabsichtigt die Stadt, die Defizite der Pensionspläne in Höhe von USD 3,5 Milliarden vollumfänglich abzuschreiben und mit den OPEB-Verbindlichkeiten genauso umzugehen wie mit den Anleihehaltern – ein Haircut von 90%.

Im Endeffekt könnten die Pensionäre also USD 8,6 Milliarden an künftigen Zahlungen oder 41% des Werts aller Leistungen (Pensionen + OPEB) verlieren, auf die sie vor dem Insolvenzantrag von Detroit noch Anspruch hatten.

Es ist offenkundig, dass derart riesige Einschnitte massive Folgen für das Leben der betroffenen Pensionäre haben werden. Zweifelsohne wird dadurch auch die Wirtschaftsaktivität der Gemeinden, in denen diese Menschen leben, beeinträchtigen werden. Was uns in diesem Zusammenhang aber immer noch verblüfft ist, wie vorhersehbar Detroits Probleme waren und wie wenig getan wurde, um sie anzugehen, als es noch nicht zu spät war.

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Doch bedauerlicherweise ist Detroit bei Weitem kein Einzelfall. In einem kürzlich von Standard & Poor´s veröffentlichten Bericht wird hervorgehoben, dass sich das Gesamtdefizit der Pensionspläne und OPEBs der S&P 500 Unternehmen auf USD 452 Milliarden bzw. USD 235 Milliarden beläuft.

In einem anderen Bericht des Boston College Center for Retirement Research wurden 126 Pensionspläne der Bundesstaaten und Gemeinden untersucht. Dabei kam man zu dem Schluss, dass die Pensionskassen in 2011 mit rund USD 1 Billion unterfinanziert waren. In diesem Bericht werden leider keine OPEB-Verbindlichkeiten ausgewiesen, aber es gibt einen weiteren Bericht des Pew Charitable Trust, und dort heißt es, dass sich der Finanzierungsstatus für die OPEB-Verbindlichkeiten in den 30 größten US-Städten im Schnitt auf 5% beläuft. Das legt nahe, dass wir es hier mit einem wesentlich größeren Problem zu tun haben, als bisher öffentlich berichtet wurde.

Und obschon diese Zahlen imposant erscheinen, sind sie in Wirklichkeit bloß die Spitze des Eisbergs. Die Zusagen der US-Bundesregierung gegenüber ihren Bürgern sind noch viel weniger zu beherrschen. Seit 2003 veröffentlicht das US-Finanzministerium alljährlich den aktuellen Nettowert seiner künftigen Verbindlichkeiten für die kommenden 75 Jahre (die Fiskallücke). Diese Zahl spiegelt (fast die gesamte) reale Schuldenlast künftiger Generationen wider. Und diese Kennzahl wird übrigens von den meisten Massenmedien komplett außenvorgelassen.

Ende des letzten Fiskaljahres lagen die gemeldeten Verbindlichkeiten der US-Bundesregierung bei rund USD 85,4 Billionen, was gegenüber dem Vorjahr einem Anstieg von USD 4,5 Billionen entspricht. Diese Zahlen spiegeln aber nicht die Gesamtverbindlichkeiten der Regierung gegenüber ihren Bürgern wider, da hier Verbindlichkeiten, die über das Zeitfenster von 75 Jahren hinausgehen, keine Berücksichtigung finden.

Laurence Kotlikoff, Ökonom und Professor an der Boston University, gilt seit langem als Experte für Staatsfinanzen. Er kommt zu dem Schluss, dass die Finanzierungslücke allein bei der staatlichen Rentenkasse – die Differenz zwischen dem aktuellen Wert aller künftig versprochen Zahlungen und den Steuereinnahmen – derzeit bei rund USD 23,1 Billionen liegt. Um diese Zahl einmal ins Verhältnis zu setzen: Das US-BIP wird für 2013 mit knapp über USD 16 Billionen veranschlagt.

Professor Kotlikoff hat errechnet, dass, will man die Finanzierungslücke bei der Rentenkasse vollständig schließen, man entweder alle aktuellen und künftigen Rentenzahlungen um 22% kürzen oder den Rentenbeitrag (FICA) von jetzt 12,4% bis 16,4% auf 32% anheben müsste – nur um die staatliche Rentenkasse auf solide Füße zu stellen!

Kotlikoff veranschlagt die gesamte Fiskallücke der Bundesregierung mit rund USD 222 Billionen! Das liegt gleich mehrere Größenordnungen über dem BIP. Um diese Lücke zu schließen, müsste die US-Bundesregierung alle Steuern dauerhaft um 64% erhöhen oder alle Ausgaben (mit Ausnahme des Schuldendienstes) um sagenhafte 40% streichen.

Das Problem ist klar; jede Regierungsebene hat viel zu viel versprochen und sieht sich nun mit der politisch unattraktiven Aussicht konfrontiert, die Steuern für die Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter entweder drastisch zu erhöhen oder die Zahlungen an die Rentner (und künftigen Rentner) substantiell zusammenzustreichen.

Der Bankrott von Detroit ist ein Beweis dafür, dass es umso schlimmer wird, desto länger man wartet. Umso länger man eine Lösung hinauszögert, desto stärker fällt das Leid der Menschen aus, wenn die Zahlungen und sozialen Sicherungsnetze, an deren Bereitstellung durch den Staat sich die Menschen gewöhnt haben, plötzlich verschwinden.

Natürlich ist es wenig wahrscheinlich, dass die US-Bundesregierung auf dieselbe Art in Insolvenz gehen wird wie Detroit, aber wir sollten uns nicht darüber wundern, wenn andere die Blaupause von Detroit übernehmen werden, um ihre Bücher vornehmlich über Streichungen bei den Pensionen und anderen Leistungen wieder auszugleichen.

Angesichts der Tatsache, dass die Regierung (laut Kotlikoff) 40% aller Ausgaben streichen müsste, um den Haushalt auszugleichen, ist es nicht schwer, sich auszumalen, dass es bei den staatlichen Renten, den Krankenkassenleistungen und dem Arzneibezuschussungsprogramm zu massiven Haircuts käme, die die Einschnitte der Detroiter Pensionäre noch übersteigen würden.

Die Politiker aller Couleur blenden dieses Problem vollständig aus, aber die Steuererhöhungen und Leistungskürzungen werden so oder so kommen; das ist bloß eine Frage der Zeit.

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