An irgendeinem Punkt wird das Vertrauen in die Papierwährungen zusammenbrechen, und wer dann das meiste Gold hält, stellt die Spielregeln für das neue Weltwährungssystem auf, so der Bestsellerautor und Finanzexperte James Rickards

Tekoa Da Silva, Bullmarketthinking.com, 25.09.2013 [in Auszügen]

Nach einem paradoxen Jahr an fallenden Goldpreisen und abnehmenden physischen Goldbeständen in den Lägern der Rohstoffbörsen war James G. Rickards, der leitende Geschäftsführer von Tangent Capital und Autor des New York Times Bestsellers „Currency Wars“, so freundlich, uns ein Interview zu geben.

Rickards berät institutionelle Fondsmanager, Regierungen und Bankchefs in aller Welt und hat an dem ersten Finanzkriegs-Planspiel teilgenommen, das vom Pentagon jemals durchgeführt wurde. Rickards schreibt in seinem Buch „Currency Wars“, dass „Russland und China riesige Mengen an Gold anhäufen und letztlich eine neue goldgedeckte Währung ausrufen“ könnten, während sie darauf bestehen, dass der Handel mit ihnen in dieser neuen Währung abgewickelt wird, um den Dollar auf diese Art ins Abseits zu drängen […]

Tekoa Da Silva: „James, man hört darüber ja vereinzelt Geschichten, was sind die Dinge, die sie aus den Schwellenmärkten der Rohstoffländer hören, deren Währungen dieses Jahr eingebrochen sind?“

James Rickards: „Ich bin gerade erst aus Südafrika zurückgekommen. Ich habe dort einige Wochen verbracht, so dass ich die Möglichkeit hatte, mit all den großen institutionellen Investoren und einigen Regierungsvertretern zu sprechen. Nächste Woche geht es nach Osteuropa. Ich werde in Warschau, Wien und Bratislava sein.

Ich habe in jüngster Zeit also einiges an Zeit aufgebracht, um mich auf die Schwellenmärkte zu konzentrieren, und sie sind einfach nur ratlos. In Wirklichkeit sind sie Opfer der Geldpolitik der US-Notenbank. Die Fed würde ihre Hände gerne in Unschuld waschen und behaupten, dass sie mit den Schwellenmärkten nichts zu tun hat, und Bernanke und andere Zentralbankpräsidenten und die Mitglieder des Federal Reserve Board of Governors haben den Schwellenmärkten gesagt: ´Wir müssen uns um die US-Wirtschaft kümmern … ihr seid wirklich auf euch alleingestellt. Ihr habt eure eigenen Zentralbanken, also müsst ihr das schon selbst hinbekommen.`

Nun, so einfach ist das nicht. Der US-Dollar ist die weltweite Reservewährung. Der überwiegende Teil der Reserven dieser Schwellenmärkte ist in US-Dollars denominiert und die eingehenden Kapitalströme stammen ebenfalls von dollarbasierten Anlegern. Sie sind also vollständig vom US-Dollar abhängig, was die Frage anbelangt, wie ihre Wirtschaften wachsen oder schrumpfen oder wie die Geldpolitik am Ende ausgeht. Und die Fed manipuliert den US-Dollar, manipuliert die Zinssätze und manipuliert die Wechselkurse.

Wenn man das also im US-Dollar tut, manipuliert man praktisch jeden Markt auf dem Planeten. Ich glaube daher, dass es von der Fed bestenfalls naiv und schlimmstenfalls wirklich hinterhältig ist, zu sagen: ´Oh liebe Schwellenmärkte, das müsst ihr schon selber klären. Das ist nicht unser Job.`

Nun, sie manipulieren jeden Markt auf dem Planeten. Was sich in den Schwellenmärkten abspielt, ist, dass wir vor den 70er Jahren noch einen Goldstandard hatten. Von 1980 bis 2010 hatten wir wenigstens noch einen Dollar-Standard. Es war zwar nicht mehr der Goldstandard, aber zumindest hatten die USA zugesichert, dass sie die Stabilität des US-Dollars aufrecht erhalten würden, und es war ja auch eine ziemliche stabile Phase. Aber seit 2010, als die USA unilateral den Währungskrieg erklärten, um zu versuchen, den US-Dollar zu verbilligen, haben wir überhaupt keinen Anker mehr.

Es gibt keinen Goldstandard. Es gibt keinen Dollarstandard. Es gibt keine Taylor-Regel. Es gibt im internationalen Geldsystem überhaupt keine Regeln, und das heißt, dass diese Schwellenmärkte jetzt einfach nur auf Stabilität hoffen, diese aber nicht bekommen. Ich meine, sie sind wie eine Art Verkehrsopfer. Die Fed ist wie ein betrunkener Fahrer, der die Fußgänger überfährt und sie dann beschuldigt, dass sie im Weg stehen.

Also ich glaube, dass das weiter anhalten wird, weil die Interventionen und Manipulationen der Fed weiter anhalten werden. Hier ist in Wirklichkeit kein Ende abzusehen, und einer der möglichen schlimmen Ausgänge ist, dass es zu einer Schwellenmarktkrise im Stile von 1997 kommen könnte, die sich bis 1998 weltweit ausbreitete und am Ende alles – von Russland über Brasilien bis hin zu Long Term Capital Management – in Mitleidenschaft zog.

Die Lage kann ohne Weiteres außer Kontrolle geraten, da die Fed nicht weiß, wie die Schwellenmärkte wirklich reagieren und wie abhängig sie im Hinblick auf die Manipulationen der Fed sind.“

TD: „James, ich möchte mit Ihnen über Gold sprechen. Sie merkten in der Vergangenheit an, dass die USA rund 8.000 Tonnen Gold in Militäreinrichtungen in Fort Knox und in West Point halten und die Federal Reserve Bank von New York rund 6.000 Tonnen Gold hält, die einer Reihe von verschiedenen Ländern gehören. Wenn ein Finanzkrieg ausbricht, dann wäre es für die USA nach Ihrem Dafürhalten ein Leichtes, einfach all die in New York gehaltenen Goldreserven ohne irgendeine Entschädigung zu beschlagnahmen.

Anfang dieses Jahres haben wir ja gesehen, dass Deutschland sein Gold zurückverlangte, und wir haben gesehen, wie sich die Goldläger der Börsen das ganze Jahr über leerten. Glauben Sie, dass derzeit eine ´Jagd auf Gold` stattfindet, weil sich die Menschen vielleicht denken, dass sie es sich besser noch holen sollten, solange sie noch die Möglichkeit dazu haben?“

JR: „Sicher, das ist ein weltweites Phänomen. Das sieht man anhand der enormen Goldaufkäufe in Russland und China. Nun, das russische und chinesische Gold befand sich zunächst einmal nie bei der New Yorker Fed, hier liegt die Sache also ein klein wenig anders, aber sie kaufen es von ihren eigenen Minen auf. Und im Falle Chinas importieren sie es auch noch.

Ich habe das in meinem Buch ´Currency Wars` beschrieben. 2009 hat das Pentagon ein Finanzkriegs-Planspiel durchgeführt, das erste Kriegspiel dieser Art überhaupt. Ich war mit an der Ausarbeitung des Spiels beteiligt und habe mit dem Pentagon daran zusammengearbeitet und auch daran teilgenommen. Wir führten es in einem streng geheimen Waffenlabor außerhalb von Washington D.C. durch, und eines der Szenarien, die wir durchspielten, war, dass Russland und China riesige Mengen an Gold anhäufen und dann am Ende eine neue goldgedeckte Währung verkünden würden, und dass die russischen Rohstoffexporte und die Fertigwaren aus China nur noch in dieser neuen Währung bezahlt werden könnten, so dass der Dollar dadurch ins Abseits gedrängt würde.  

Um es hier ganz klar zu sagen: Es besteht keine Chance darauf, dass der chinesische Yuan oder der russische Rubel irgendwann in nächster Zeit Weltreservewährung werden, vielleicht werden sie es nie. Ich spreche hier also nicht davon, dass der chinesische Yuan den Dollar ersetzt. Das wird nicht passieren.

Was wir postulierten, war eine komplett neue goldgedeckte Währung, um den Dollar an den Rand zu drängen. Hierzu ist anzumerken, dass wir von einer Menge von Leuten ausgelacht und lächerlich gemacht wurden, allein schon weil wir dieses Thema überhaupt aufwarfen. Doch seit 2009 haben sich die Dinge exakt so entwickelt, wie wir prognostiziert hatten.

Also Russland hat seine Goldreserven um 65% aufgestockt. Sie haben sie von 600 Tonnen auf über 1.000 Tonnen erhöht. China hat seine Reserven vervielfacht. Sie lagen bei 1.000 Tonnen Gold und sind nun auf irgendeine Zahl angestiegen, die sie nicht bekanntgeben, man muss also verschiedene Quellen heranziehen, aber es dürfte eine vernünftige Schätzung sein, wenn man sie irgendwo zwischen 3.000 Tonnen und 4.000 Tonnen Gold veranschlagt.

Russland und China haben also exakt den Weg eingeschlagen, den wir in 2009 vorausgesagt hatten, und das obwohl die Leute zu jener Zeit dachten, es sei eine Art Witz gewesen.

Und andere Länder häufen auch Gold an, und Sie erwähnten ja auch die deutsche Repatriierung. Auch in der Schweiz ist es ein politisches Thema. In den Niederlanden ist es ein politisches Thema. Und Venezuela hat sein Gold vor ein paar Jahren unter Hugo Chavez von der Bank von England zurückgeholt.

Also ja, die Leute wollen das Gold physisch ausgeliefert bekommen. Sie machen sich Sorgen darüber, dass es von den Vereinigten Staaten im Falle eines Notstands beschlagnahmt wird. Dasselbe gilt für die Bank von England. Die Bank von England kauft derzeit über andere Mittel und Wege Gold auf – entweder über Minen oder den Aufkauf von Minen oder durch Käufe am offenen Markt usw.

Viele dieser Aktivitäten finden über Kanäle statt, mit denen die London Bullion Market Association [Londoner Edelmetallbörse] umgangen wird. Die sogenannten chinesischen Edelmetallbanken kaufen Minen im Westen Australiens auf. Sie haben das Erz und schicken es dann in Australien zur staatlichen Scheideanstalt und dann wird das Gold direkt nach Shanghai verschifft. Sie umgehen den Londoner Markt komplett, wodurch sie ihre Auswirkungen auf den Markt reduzieren, was ein schlauer Schachzug ist.

So würde man handeln, wen man versuchen würde, Gold zu kaufen, ohne den Preis in die Höhe zu treiben. Man würde alles im Geheimen machen, und das ist es, was sich derzeit abspielt.

Also ja, die Leute positionieren sich und bereiten sich auf den Tag vor, an dem es einen massiven Vertrauensverlust beim Papiergeld geben wird und die weltweiten Wirtschaftsmächte das Vertrauen wieder herstellen müssen. Und dafür gibt es im Grunde nur zwei Möglichkeiten.

Die eine Möglichkeit ist, dass der Internationale Währungsfonds ´Weltgeld`, die sogenannten Sonderziehungsrechte oder SDRs, herausgibt, mit denen die Welt mit Liquidität versorgt würde, was hochinflationär wäre. Die Menschen werden dieses Thema nicht richtig verstehen, aber das ist eine der Lösungen.

Die andere Methode ist natürlich irgendeine Art von Goldstandard, und wer da einen Stuhl am Tisch haben will – denken wir an ein Pokerspiel wie Texas Hold`em –, will natürlich einen möglichst großen Berg an Chips haben. Wenn das internationale Geldsystem zusammenbricht und die Zeit gekommen ist, die Spielregeln neu aufzustellen und ein neues System zu schaffen, weiß man, dass die eigenen Chips am Pokertisch die Frage sein werden, wie viel Gold man hat. Es ist daher nicht überraschend, dass derzeit alle versuchen, so viel Gold als möglich in die Finger zu bekommen.“

TD: „James, Sie erwähnten das Finanzkriegs-Planspiel. Ich erinnere mich, dass Sie damals darüber sprachen, dass dieses Planspiel noch besser würde, wenn auch Medienvertreter mit einbezogen würden. Und wenn wir hier noch einmal auf Deutschland zurückkommen: Wenn so eine Meldung [Deutschland will sein Gold repatriieren] über die Ticker geht, ist das eine strategische Technik, um zu sagen: ´Ok, lasst all die weltweiten Nachrichtenquellen wissen, was wir bei diesem Spiel gerade als Teil unserer Strategie tun`?“

JR: „Die Deutsche Bundesbank muss bezüglich dessen, was sie mit der Fed treibt, eine gewisse Transparenz an den Tag legen – obwohl die Geschichte natürlich nicht sonderlich gut verstanden wird, was auf all die verzerrten Darstellungen, die in zahlreichen Blogs und auf vielen Internetseiten zu lesen sind, zurückgeht, wo es heißt: ´Meine Güte! Vielleicht ist das Gold gar nicht da, weil sie können es ja nicht direkt versenden und sie werden acht Jahre brauchen, um das Gold nach Deutschland zu bringen, was der Beweis dafür ist, dass die Federal Reserve das Gold nicht hat.`

Das ist alles Blödsinn. Die US-Notenbank hat das Gold. Was die Menschen nicht verstehen, ist, dass Deutschland das Gold in Wirklichkeit nicht zurückhaben will. Deutschland will, dass das Gold in New York bleibt, damit sie es zur Marktmanipulation nutzen können, weil in New York das ganze Leasinggeschäft stattfindet, das ist ja alles vertraglich geregelt. Wenn man sein Gold verleast, dann wirft man es nicht einfach in einen Truck und fährt weg. Man hat Verträge, man hat Leasing-Vereinbarungen, es gibt Clearing-Stellen – und die gibt es alle bereits seit Jahrzehnten und sie sitzen alle in New York und London.

Wenn man das Gold nach Frankfurt bringt, wird es schwierig, diese Art von System neu aufzubauen und das Gold für die Marktmanipulation einzusetzen, an der die Zentralbanken beteiligt sind.

Die Deutsche Bundesbank findet es in Wirklichkeit also gut, dass das Gold in New York ist. Es war der Deutsche Bundestag, ihr Parlament – es ist natürlich eine politische Entscheidung gewesen, weil Angela Merkel vor der Bundestagswahl stand und es in Deutschland zu einem politischen Thema wurde. Ihre Partei hat gesagt: ´Warum bitten wir nicht darum, dass ein Teil des Goldes zurückkommt, um der deutschen Bevölkerung zu zeigen, dass wir uns den Vereinigten Staaten entgegenstellen?`

Die Deutsche Bundesbank hat dem zwar zugestimmt, aber es ist eine politische Entscheidung mit politischen Auswirkungen. Was jedoch die wirkliche Beziehung unter den Zentralbanken anbelangt, ist die Bundesbank nicht unglücklich mit der Tatsache, dass es so lange dauert. In Wirklichkeit will sie aus den von mir genannten Gründen, dass das Gold in New York bleibt. Es ist also ein sehr komplexes Spiel, das nicht sonderlich gut verstanden wird. Man muss sozusagen hinter die Kulissen blicken, sich anschauen, wie die Motivationen sind und wie die Dinge wirklich funktionieren.

Es gibt jede Menge Leute – selbst Menschen, die über die Goldmanipulation sprechen –, die in Wirklichkeit gar nicht begreifen, wie das Gold-Leasing funktioniert und was da alles dazugehört. Es ist also ein sehr komplexes Spiel, aber man kann erkennen, wie es ausgehen wird, und es wird in den nächsten paar Jahren auch sein Ende finden.“

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