Die katastrophale Lage der Eurozone verschlimmert sich zusehends. Der IWF schlägt vor, europaweit 10% aller Ersparnisse zu konfiszieren. Die Eurozone bleibt nach wie vor die extremste Gefahr für die Weltwirtschaft
Martin Armstrong, Armstrongeconomics.com, 14.10.2013
Die europäische Bankenkrise wird immer schlimmer und die gesamte Struktur bricht derzeit in sich zusammen. Die Banken sind nicht in der Lage, sich aus eigener Kraft zu retten. Bei dieser Krise geht es ausschließlich um das strukturelle Design des Euros, das die Politiker nicht angehen werden. Sie sind dabei gescheitert, eine einheitliche europäische Staatsschuld zu schaffen, weshalb die Banken die Staatsschulden aller Euroländer als Bankreserven nutzen.
Die südeuropäischen Banken sind nach wie vor auf den fortwährenden Fluss von EZB-Hilfsgeldern angewiesen. Die Politiker und Akademiker sind völlig verloren, weil sie alles vermeiden, was ihren fatalen Fehler beim Design des Euros offenlegen würde. Daher wird es weitergehen wie bisher – und all die Wundpflaster, die sie über das Problem kleben, versagen dabei, den Blutstrom zu stoppen, der aus dieser fatalen Wunde austritt. Zum jetzigen Zeitpunkt muss die Wunde bereits genäht werden, aber es ist weit und breit nicht in Sicht, dass die Politiker auch nur im Ansatz darüber nachdenken werden, irgendwelche bedeutenden Maßnahmen einzuleiten …
Diese europäischen Zombiebanken, wie sie genannt werden, sorgen für eine Kontroverse rund um das sogenannte „Sicherheitsnetz“, das die Europäische Kommission und die Europäische Zentralbank derzeit ins Leben rufen wollen. Europa versucht verzweifelt, den deflationären Weg einzuschlagen, indem die Vermögenswerte aller Bürger in allen Eurozonenbanken einfach beschlagnahmt werden. So viel zu den Hyperinflationisten. Sie begreifen es einfach nicht.
Die Banken sind massiv verschuldet und können sich nicht aus eigener Kraft retten, was insbesondere darauf zurückzuführen ist, dass sie schwächer werdende Staatsschulden der Euroländer und Finanzderivate aus New York kauften, die ihnen nun den Garaus machten. Dank der Kombination aus toxischen Finanzderivaten aus New York und dem fatalen Euro-Design ist es vielen Eurozonenbanken nicht möglich, diese Krise intakt zu überstehen.
Die Eurozone verwandelt sich gegenwärtig in ein wirtschaftliches Kriegsgebiet, da die Bankenkrise und die Staatsschuldenkrise miteinander verschmelzen und sich schlicht exponentiell ausweiten. Der EZB-Präsident Mario Draghi hat mittels der „längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte“ LTRO 1 und LTRO 2 rund EUR 1 Billion in System injiziert, um die Banken zu stützen. Und genauso wie die Fed ist auch die EZB dabei gescheitert, die Inflation zu schaffen, die laut den Gold-Promotern sicher hätte kommen müssen; sie haben dabei einfach den Verfall der Vermögenswerte außer Acht gelassen.
Dieses ganze Konzept, die Zinsen extrem niedrig zu halten, woraufhin die Banken den Unternehmen dann im Gegenzug Kredite zu Verfügung stellen würden, um die Wirtschaft anzukurbeln, ist ein entsetzlicher Reinfall gewesen. In den USA weigern sich die Banken, kleinen Firmen Kredite zu geben, wenn sie nicht zu 120% besichert werden, und in Europa wurden diese Liquiditäts-Injektionen genutzt, um noch mehr Staatsanleihen zu kaufen, die dann im Wert gefallen sind, da die Zinssätze in Europa aufgrund der strukturellen Defekte des Euros gestiegen sind. Und wenn man diesem toxischen Gemisch nun auch noch eine irrsinnige Besteuerung hinzufügt, durch die das Wirtschaftswachstum drastisch absenkt wird, blickt man auf eine öde und trostlose Zukunft.
Mario Draghi hat verkündet, dass die Eurozonen-Zombiebanken mehr Liquidität brauchen, aber das wird überhaupt nichts nützen, da es sich bei den von ihnen gehaltenen Bankreserven um Staatsanleihen der Euroländer handelt, und sich die Euroländer ja selbst in einer fortwährend eskalierenden Schuldenspirale befinden. Die Banken werden immer mehr finanzielle Stützungsmaßnahmen benötigen, solange die Reservestruktur der Eurozone nicht vollumfänglich reformiert wird, indem man für Europa ein einzelne Form von Schulden schafft, was aber die Förderalisierung Europas notwendig machen würde.
Die Banken können die bisher bereits über die LTRO-Injektionen erhaltenen EZB-Kredite gar nicht zurückzahlen, weshalb dieser Lösungsansatz völlig hoffnungslos ist.
Die spanischen Banken haben EUR 300 Milliarden Euro von der EZB absorbiert, ohne dass Hoffnung auf Rückzahlung besteht. Die italienischen Banken haben EUR 255 Milliarden aufgesaugt, ebenfalls ohne die Hoffnung darauf, dass davon jemals wieder etwas zurückgezahlt werden wird. Die französischen Banken schulden der EZB EUR 87 Milliarden und die deutschen Banken schulden der EZB EUR 10 Milliarden. Die irischen und portugiesischen Banken schulden rund EUR 80 Milliarden.
Jetzt, wo Merkel die Bundestagswahl gewonnen hat, wird sie die Kontrolle über die Banken nach Brüssel abtreten. Aktuell liegt der Vorschlag auf dem Tisch, einen gemeinsamen europäischen Bankenrettungsfonds zu schaffen.
Der ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) ist ein permanenter Krisenlösungsmechanismus für die Länder der Eurozone. Er gibt Schuldeninstrumente aus, um den Mitgliedsländern der Eurozone Kredite und andere Formen der Finanzhilfe zur Verfügung zu stellen Der ESM verwandelt sich aktuell jedoch in einen Rettungsanker für die Eurozonenbanken, wodurch die Europäische Union durch die Hintertür in eine Bankentransferunion verwandelt wird, anstatt in eine Wirtschaftsunion.
Die europäische Staatsschuldenkrise und die europäischen Bankenkrise sind aufs Engste miteinander verbunden, und das geht alles auf die gescheiterte Struktur des Euros zurück. Die Eurozonenbanken leiden unter riesigen Mengen an faulen Krediten, die sich auf hunderte Milliarden von Euros belaufen, und umso stärker die Steuern steigen, desto weniger wächst die Wirtschaft, was das Wachstum der faulen Kredite nur noch anheizt. Die Eurozonenbanken brauchen mindestens EUR 700 Milliarden, um die Anforderungen des Stress-Tests zu bestehen.
Die staatlichen Gelder des ESM sind nicht ausreichend. Die Bankenretter suchen jetzt verzweifelt nach einem „Sicherheitsnetz“ – und man ist mittlerweile der Auffassung, dass dieses „Sicherheitsnetz“ durch die Beschlagnahmung von 10% aller Einlagen in den Eurozonenbanken geschaffen werden kann.
Die Europäische Kommission will Zahlenspielchen spielen. Bankenrettungen dürfen nicht in den Haushalten ausgewiesen werden. Doch bei diesen „Zombiebanken“ handelt es sich um echte Pleitebanken, die allein aufgrund der EZB-Geldinjektionen am Leben gehalten werden. Sie haben keinen Zugang zu den Kapitalmärkten, und keiner kann wirklich sagen, welche Banken nun die echten „Zombiebanken“ sind, weil dieses Geheimnis gut geschützt wird und man den Bankkunden die Möglichkeit verwehren will, eine Risikoeinschätzung vorzunehmen.
Und hier sind nicht nur die Privatkredite das Problem, sondern es geht auch um die Staatsanleihen, die in den Büchern der Banken der Peripherieländer stehen. Und das Problem mit den Staatsanleihen ist simpel: Sie sind durch nichts gedeckt und somit unbesichert. Bei privaten Anleihen bekommt man im Falle eines Bankrotts wenigstens noch irgendetwas, während man bei einem Zahlungsausfall auf Staatsanleihen leer ausgeht. Die EZB will die Banken aber nicht abwerten, nur weil sie europäische Staatsanleihen halten.
Die Chefin des IWF, Christine Lagarde, hat vorgeschlagen, in der gesamten Eurozone 10% aller Einlagen zu beschlagnahmen, da es zu Aufständen und Streitigkeiten kommen könnte, wenn man Bail-ins nur Fall für Fall bei einzelnen Banken durchführt. Die Idee ist, dass eine weitflächige Beschlagnahmung der Bankeinlagen einen Bank-Run verhindern wird, da man damit rechnet, dass einzelne Bail-ins zur Ansteckung führen würden.
Daher spricht der der IWF in einem seiner jüngsten Papiere auch über eine Mega-Konfiskation von 10% aller Spareinlagen in der Eurozone und nennt das ganze eine Steuer. Es wird behauptet, dass das notwendig sei, um die Schuldenprobleme der meisten Euroländer zu lösen. Es sei eine Alternative gegenüber höheren Steuern oder Sparmaßnahmen. Die Ökonomen, die den entsprechenden Bericht verfasst haben, behaupten, dass es eine effiziente Lösung für das Schuldenproblem sei – dennoch mangelt es dem Papier an einer Langzeit-Analyse.
Durch eine solche Konfiskation würden die strukturellen und systemischen Probleme des Euros trotzdem nicht angegangen, und somit würden auch die akuten Bankrott-Risiken der Euroländer nicht adressiert. Die Staaten leihen sich Geld, ohne irgendeine Vorstellung oder ein Konzept zu haben, wie sie die Gelder jemals wieder zurückzahlen könnten. Im letzten Absatz des IWF-Berichts (Seite 58) heißt es:
„Die drastische Verschlechterung der öffentlichen Finanzen in vielen Ländern hat das Interesse an einer ´Vermögensabgabe` wieder aufleben lassen – eine einmalige Steuer auf Privatvermögen; eine Sondermaßnahme, um die Schuldennachhaltigkeit wiederherzustellen. Das Reizvolle an einer solchen Steuer ist, dass – würde man sie einführen, bevor eine Umgehung möglich ist, und würde angenommen werden, dass sie niemals wiederholt wird – es zu keinen Störungen des Verhaltens [der Menschen] kommt (und sie von einigen sogar als fair erachtet werden könnte).
Die Vermögensabgabe hat berühmte Unterstützer gehabt. Hierzu gehören Pigou, Ricardo, Schumpeter und – bis er dann anderer Meinung war – Keynes. Die Erfolgsvoraussetzungen sind hoch, aber sie müssen auch gegenüber den Risiken der Alternativen abgewogen werden. Zu diesen Alternativen gehört, die Staatsschulden für nichtig zu erklären oder wegzuinflationieren (diese Alternativen sind wiederum eine bestimmte Art der Vermögenssteuer – für Anleihehalter –, die auch Nichtortsansässige trifft).
Es gibt eine überraschend große Menge an Erfahrungen, auf die man hier zurückgreifen kann, da in Europa nach dem Ersten Weltkrieg und in Deutschland und Japan nach dem Zweiten Weltkrieg Vermögensabgaben erhoben wurden. Diese Erfahrungen legen nahe, dass das Scheitern, eine Schuldenreduzierung zu erreichen, noch bedeutsamer war als irgendein Glaubwürdigkeitsverlust. Dieses Scheitern ging hauptsächlich auf eine verspätete Implementierung der Vermögensabgabe zurück, wodurch weitreichenden Vermeidungsstrategien und der Kapitalflucht Raum gegeben wurde – was die Inflation anfachte.
Darüber hinaus ist die notwendige Steuerrate, um die Staatsverschuldung auf Vorkrisen-Niveaus abzusenken, erheblich: Um die Schulden auf Verhältnisse von Ende 2007 abzusenken, bräuchte man (hier am Beispiel von 15 Euroländern) bei Haushalten mit einem positiven Nettovermögen eine Steuerrate von rund 10%.“
Und der IWF führt zu Beginn seines Berichts aus, dass der positive Wirtschaftsausblick für Europa ein Mythos der Politiker und der Massenmedien ist:
„Die hohen Schuldenniveaus bei anhaltend geringem Wirtschaftswachstum in den Industrieländern und die sich abzeichnenden Schwächen der Entwicklungsländer sorgen bei der globalen finanzpolitischen Landschaft für aufziehende Wolken. In den Industrieländern, wo die Haushaltsdefizite sinken (außer … in Japan), wird damit gerechnet, dass sich das durchschnittliche Schulden/BIP-Verhältnis zwischen 2013 und 2014 stabilisieren wird. Dennoch wird es ein historischer Höhepunkt sein – rund 110% des BIP, 35% über dem Niveau des Jahres 2007.
Simulationen zeigen, dass, würde man den Gesamthaushalt auf einem Niveau halten, das in Einklang mit den mittelfristigen Empfehlungen des IWF steht, das durchschnittliche Schulden/BIP-Verhältnis bis 2030 auf rund 70% abgesenkt werden könnte, obwohl einige Länder immer noch über der Marke von 80% bleiben würden.
Der große Bestand an Schulden, das unsichere globale Umfeld, die schwachen Wachstumsaussichten und das Fehlen von klar definierten mittelfristigen Anpassungsplänen in systemischen Wirtschaften wie Japan und den Vereinigten Staaten erschweren die Aufgabe jedoch.“
Also: Was vor uns liegt, ist alles andere als gewöhnlich. Die Eurozone bleibt nach wie vor die extremste Bedrohung für die Weltwirtschaft.