Fabrice Drouin Ristori, Goldbroker.com, 16.04.2014

Da viel darüber diskutiert wird, dass es möglicherweise eine Neubewertung des Goldpreises gibt, nachdem es zu einem internationalen Währungsneustart gekommen ist, wollte ich mit dem bekannten Silbermarkt-Analysten David Morgan sprechen, um seine Meinung bezüglich einer Reihe von Themen in Erfahrung zu bringen. Zu diesen Themen gehören die künftige Silberpreisentwicklung, die Silberpreismanipulation und der mögliche Silberpreis nach einem Finanzneustart.

Fabrice Drouin Ristori: Sie haben sich bereits vor langer Zeit auf die Analyse des Silberpreises spezialisiert. Um zu verstehen, wie und warum sich der Silberpreis mit solch einer Volatilität entwickelt, braucht man Zeit und muss Nachforschungen anstellen. Beginnen wir mit den Grundlagen: Könnten Sie uns bitte eine Vorstellung davon vermitteln, wie groß die jährliche weltweite physische Silberproduktion ist?

David Morgan: Ja, das Gesamtangebot liegt bei rund 1 Milliarde Unzen Silber pro Jahr. Rund 800 Millionen Unzen werden aus dem Boden geholt und weitere 200 Millionen Unzen stammen aus dem Recycling.

FDR: Jeden Tag werden an verschiedenen Märkten eine Menge Silber-Kontrakte gehandelt. Wie viele Unzen Silber werden nach Ihrem Kenntnisstand jeden Tag weltweit (physische Unzen und Papierkontrakte) gehandelt, und, sofern Sie diesem Konzept zustimmen, wie viele Papiersilberforderungen gibt es für jede tatsächlich physisch existierende Unze Silber?

David Morgan: Also da haben wir den weltweiten physischen Silbermarkt, der im Bereich von 80 Millionen bis 90 Millionen Unzen pro Monat liegt, und dann haben wir noch den COMEX Papiersilbermarkt, wo im Monat Mai 14,4 Milliarden Unzen Papiersilber gehandelt wurden.

Das ist ein Verhältnis von 160:1 Papier-Trading vs. das Trading einer physischen Unze Silber!

Aber dieses ungeheuerliche Verhältnis spiegelt ja nicht das wahre Bild wider, da die COMEX nur einer der vielen Papierderivate-Silbermärkte ist. Wie würde das Ganze erst aussehen, wenn wir hier noch die LBMA, die börsennotierten Silberfonds, die Silber-Pool-Programme, Silber-Swaps und alle anderen Papiersilberbörsen mit hinzunehmen würden, ganz zu schweigen von den außerbörslich gehandelten Kontrakten, die überhaupt keiner meldet!

FDR: Wie würden Sie die Silberpreiskorrektur seit dem Jahr 2011 erklären? Wir haben auf Goldbroker.com eine ganze Reihe von Artikeln über die Gold- und Silberpreismanipulation veröffentlicht, und laut meiner eigenen Nachforschungen lässt sich die Gold- und Silberpreisentwicklung der letzten zwei Jahre nicht verstehen, wenn man sich nicht auch über die Manipulation der beiden Metalle im Klaren ist. Glauben Sie, dass die Korrektur der vergangenen zwei Jahre zum Teil – also gemeinsam mit weiteren Faktoren – auf die Manipulation zurückzuführen ist?

David Morgan: Die Märkte bewegen sich aufgrund von Kauf- und Verkaufsdruck – und wenn wir uns die Charts anschauen, dann war völlig klar, dass es bei Silber im Bereich von USD 26 pro Unze und bei Gold im Bereich von USD 1.550 pro Unze exzellente Stützungslinien gab. Die Commercial Interests (die Banken) nutzen alle Charts und sind sich absolut darüber im Klaren, wie sich Märkte bewegen. Ein Großteil der Verkäufe fand bei diesen Preisniveaus statt. Das wird vom Establishment „Stopps umrennen“ genannt, aber es sind schlicht und ergreifend Marktmanipulationen.

Das hat der Marktpsychologie den Garaus gemacht, und der Markt hat sich seitdem noch nicht stark genug erholt, um bei den Anlegern wieder für Vertrauen zu sorgen.

FDR: Glauben Sie, dass China Teil dieses Manipulationsprozesses ist, oder nutzt China einfach nur die Möglichkeit künstlich niedriger Preise, um so viel physisches Silber zu kaufen, wie sie können, während die westlichen Länder damit beschäftigt sind, den Dollar zu schützen?

David Morgan: Das ist eine sehr schwierige Frage. Ich glaube, dass China etwas mit dem Preis zu tun haben könnte, weil sie in den Finanzmärkten aufgrund der Menge an US-Schulden, die sie halten, so stark gehebelt sind. Aber das sind reine Spekulationen von mir, ich habe keine Ahnung, ob dem so ist.

FDR: Vor dem Hintergrund der Industrie- und Investmentnachfrage nach physischem Silber sowie der Tatsache, dass sich die Anleger auf den Kauf von physischem Silber konzentrieren, was glauben Sie, wie lange die Silberpreismanipulation noch anhalten kann? Haben Sie irgendeine Idee, wann es bei physischen Silber zu einer Verknappung kommen könnte?

David Morgan: Das sind Fragen, die ich lieber nicht beantworten möchte, weil die Chancen, dass ich mit meinen Antworten richtig liege, sehr gering sind. Mein Tipp wäre, dass es mindestens noch zwei bis drei Jahre dauern wird. Das hängt vollumfänglich von der Investmentnachfrage ab. Wenn die Anleger erst einmal damit beginnen, in physisches Silber zu stürmen, und die Angebotsseite mit der Nachfrage nicht mehr mithalten kann, werden wir den Short-Squeeze sehen, der von so Vielen seit so langer Zeit vorhergesagt wird.

FDR: Glauben Sie, dass Silber unterbewertet ist und die Anleger tatsächlich von diesen künstlich niedrigen Preisen profitieren können?

David Morgan: Ja, die Produktionskosten für Silber sind jetzt höher, als Silber am Spot-Markt kostet. Damit ist es per Definition unterbewertet.

FDR: Kommen wir zur geopolitischen Front: Russland, China und andere Länder drängen auf ein Ende des Dollars als internationale Reservewährung. Einige bezeichnen die Ukraine-Krise als ein Waterloo-Ereignis für den Dollar … Glauben Sie, dass es irgendwann zu einem großen Neustart des internationalen Währungssystems kommen wird, und was wird die Basis des Ganzen sein?

David Morgan: Ja, ich gehe davon aus, dass es einen Neustart geben wird, und die Basis für dieses Ereignis wird der Verlust des Petrodollar-Status sein, wahrscheinlich wird er dann von Russland übernommen werden, das eine Alternative anbietet. Worauf das „Geld“ des neuen russischen Geldsystems oder eines anderen Geldsystems beruhen wird, ist schwer zu sagen. Es könnte auf Gold basieren oder auf überhaupt nichts. Ich vermute aber mal, dass Gold und/oder Öl mit dabei sein werden.

FDR: Einige berühmte Analysten wie Jim Sinclair, die über diesen bevorstehenden Währungsneustart sprechen, gehen davon aus, dass das neue Geldsystem goldgedeckt sein wird. Sinclair spricht in diesem Zusammenhang von einer möglichen Neubewertung von Gold zu einem Preis von knapp USD 50.000 pro Unze, damit all die riesigen Staatsschulden neutralisiert bzw. angepasst werden können. Sollte das passieren, würde der Silberpreis diese enorme Neubewertung dann ebenfalls widerspiegeln? Mit welchem Silberpreis könnten wir rechnen, wenn der Währungsneustart kommt?

David Morgan: Ich habe mir dazu noch kein Urteil gebildet, da es zum gegenwärtigen Zeitpunkt immer noch zu viele Variable gibt. Ich weiß, dass Jim Sinclair jüngst gesagt hat, dass sich Silber stärker bewegt als Gold, also vielleicht kann man das ja auch als Antwort nehmen. Die Goldpreisentwicklung und die Silberpreisentwicklung weisen eine Korrelation von 85% auf – wenn Gold steigt, steigt also auch Silber, nur dass der Anstieg bei Silber prozentual gesehen höher ausfällt.

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner