Brian Sylvester, The Gold Report, 19.05.2014

Charles Oliver ist der leitende Portfolio-Manager des Sprott Gold and Precious Minerals Fund. Er ist der Auffassung, dass der Faktor Zeit das Einzige ist, was die Anleger heute noch von größeren Renditen bei Edelmetallminentiteln und physischen Edelmetallen trennt. In diesem Interview mit The Gold Report spricht Oliver über die Nachfragetreiber bei Gold und Silber und Investmentmöglichkeiten, die auf den Faktor Zeit setzen.

The Gold Report: „Sell in May and go away.“ So lautet die allgemeine Investmentregel, aber hat sie auch ihre Berechtigung?

Charles Oliver: Ich habe jüngst einige Untersuchungen zur Saisonalität von Gold durchgeführt. Dabei ist es im Monat März im Goldsektor in 6 der letzten 8 Jahre zu Verlusten geführt. Im Monat April kam es in 4 der letzten 8 Jahre zu Verlusten, und im Mai und Juni kam es in den letzten 8 Jahren in 5 Jahren zu Verlusten. Danach kommt es im Juli aber zu einer ziemlich dramatischen Trendwende, hier wurden in 6 der letzten 8 Jahre Zugewinne verbucht. Im August verhält es sich genauso, auch hier wurden in 6 der letzten 8 Jahre Gewinne erzielt. Im September lag Gold in 5 der letzten 8 Jahre im Plus. Das „sell in May“-Sprichwort könnte also in der Tat eine große Kaufgelegenheit bieten, wenn es zu Rückgängen kommt.

TGR: Was glauben Sie, welche Investmentthemen den Rest des Jahres dominieren werden?

CO: Im Grunde dreht sich alles um das Gelddrucken. Die USA haben ihre Gelddruckmaßnahmen zwar abgesenkt, drucken nichtsdestotrotz immer noch aggressiv weiter. Jetzt hören wir Meldungen, dass die Europäer wohlmöglich ebenfalls quantitative Lockerungsmaßnahmen einleiten. Die Währungsentwertung ist also ein Dauerbrenner.

Das andere wichtige Thema ist die Nachfrage nach physischem Gold. China hat sich in den weltgrößten Goldkäufer verwandelt und verbraucht gegenwärtig rund 40% der weltweiten Minenproduktion. Indien, das historisch der weltgrößte Goldkonsument war, hat Einfuhrzölle auf Gold eingeführt, deswegen kam es dort zu Rückschlägen.

Erwähnenswert ist auch, dass die europäischen Zentralbanken in den letzten paar Jahrzehnten als Goldverkäufer aufgetreten sind. Das hörte vor ein paar Jahren auf. Einige Zahlen der schweizerischen Zollbehörde zeigen, dass Deutschland, Frankreich, Singapur, Thailand und sogar Großbritannien zurzeit als ziemlich bedeutende Goldkäufer auftreten. Das sind positive Entwicklungen.

TGR: Was ist mit den geopolitischen Ereignissen? Rechnen Sie damit, dass sie den Goldpreis dramatisch beeinflussen werden?

CO: Historisch gesehen waren Kriege und die Kriegsgefahr für den Goldpreis immer recht positiv gewesen, doch bei den jüngsten Ereignissen in der Ukraine hat Gold praktisch überhaupt nichts gemacht. Fakt ist, dass Gold gegenwärtig immer noch am unteren Ende seiner aktuellen Handelsspanne notiert, aber wenn die Lage eskaliert, wird das, da bin ich mir sicher, eine positive Auswirkung auf den Goldpreis haben wird. Ich hoffe natürlich nicht, dass es dazu kommt, aber das Risiko scheint schon erheblich.

TGR: Wie ist die Stimmung der Anleger im Edelmetallsektor?

CO: Vor einem Jahr haben die Anleger ein klein wenig verkauft, so wie sie es bereits seit geraumer Zeit tun. Die Abverkäufe haben aber seit Ende 2013 im großen Ganzen aufgehört, und die Menschen, die nicht langfristig investiert sind, sind aus dem Markt ausgestiegen. Anfang 2014 war es ein wenig überraschend für mich, zu sehen, dass wertorientierte US-Investoren in den Markt kamen, weil wir zuvor eine Phase der Nettoabflüsse hatten. Wenn die Amerikaner in den Markt einsteigen, kann das bisweilen recht dramatische Auswirkungen auf den Preis haben. Bisher ist es aber nur sporadisch, da es noch kein stetiger Zustrom ist.

TGR: Was hat es mit diesen neuen Käufern auf sich?

CO: Grob gesagt sagten sich die amerikanischen Anleger, Portfolio-Manager und Pensionsfonds Ende 2013: „Ja wir hatten einige gute Gewinne im allgemeinen Aktienmarkt, aber der Markt scheint doch ein wenig teuer.“ Sie hielten also nach günstig bewerteten Bereichen Ausschau. Der Goldpreis ist in den letzten paar Jahren nach unten gehämmert worden, also begannen sie damit, einen Teil ihrer Gelder in diesen Bereich zu stecken. Darüber hinaus haben wir auch einige außerbörsliche, private Investitionen im Edelmetallsektor gesehen. Und einige asiatische Interessenten stecken gerade ihren Zeh ins Wasser. Die Menschen fangen langsam damit an, etwas mehr Interesse zu zeigen, aber sie warten immer noch auf irgendeine Art von Auslöser, um sagen zu können, dass es an der Zeit ist, in den Markt einzusteigen.

TGR: Haben Sie irgendeine Idee, was das sein könnte?

CO: Ja ich habe viel Zeit damit zugebracht, mich mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Ich vergleiche die heutige Phase gerne mit den Jahren 1974 bis 1976. 1974 stieg der Ölpreis nach dem Öl-Embargo und auch die Inflation legte immer weiter zu. Das war ziemlich seltsam, weil der Goldpreis zur selben Zeit von USD 200 auf USD 100 pro Unze fiel. Und dann schoss Gold plötzlich ab 1976 von USD 100 auf rund USD 800 pro Unze. Ich habe viel Zeit damit zugebracht, herauszufinden, was eigentlich der Auslöser für dieses Ereignis gewesen ist. Manchmal ist es einfach die Zeit. Wenn ich auf 2013 zurückblicke, dann gab es da viele positive Fundamentaldaten – eine starke chinesische Goldnachfrage, riesige Mengen gedruckten Geldes – und trotzdem fiel der Goldpreis. Manchmal ist es einfach die Art, wie sich die Märkte timen.

TGR: Müssen die Anleger ihre Preiserwartungen bei den Edelmetallminenaktien anpassen? In diesem Markt geht ja gar nichts.

CO: Ja so könnte man es sagen. Ich versuche fortwährend herauszufinden, in welche Richtung sich der Markt bewegen könnte. Es ist nicht allzu lange her, da sagte ich, dass Gold bis Ende dieses Jahrzehnts im Bereich von rund USD 5.000 pro Unze gehandelt werden würde, was einen riesigen Einfluss auf die Märkte und Aktienbewertungen hätte. Der Markt bewertet die Goldminenaktien gegenwärtig so, als würde Gold auf immer und ewig zwischen USD 1.200 und USD 1.300 pro Unze notieren. Ich glaube, dass sich das im Laufe der Zeit aber als falsch herausstellen wird.

TGR: Gold ist zurzeit 67 Mal so viel wert wie Silber. Finden Sie Silber deshalb besser?

CO: Ja, diese These stammt von Eric Sprott und ich stehe voll dahinter. Über 1.000 Jahre lag das Silber/Gold-Verhältnis ungefähr bei 16:1, und das legt nahe, dass Silber bei USD 100 pro Unze liegen würde, wenn Gold bei USD 1.600 pro Unze notiert. Das letzte Mal, als das stattfand, war 1980. Damals lag der Goldpreis bei rund USD 800 pro Unze und der Silberpreis lag bei rund USD 50 pro Unze. Ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten paar Jahren erleben werden, wie sich das Silber/Gold-Verhältnis langsam von 67:1 in Richtung 16:1 bewegen wird.

TGR: Zurzeit geht der Trend aber genau in die andere Richtung.

CO: Kurzfristig passieren solche Dinge. Der Sprott Gold and Precious Minerals Fund hält 25% seiner Gelder in Silberminenaktien, damit dürfte er mit zu den am stärksten derart gewichteten Edelmetallfonds gehören.

TGR:
Was ist Ihre Investmentthese für Silber vs. Gold?

CO: Rund zwei Drittel des geförderten Silbers werden in der Industrie verwendet, wohingegen Gold in der Industrie praktisch überhaupt nicht zum Einsatz kommt. Gold wird als Reservewährung erachtet, Silber nicht. Vor rund 150 Jahren deckten viele Länder ihre Währungen mit Silber, was heute nicht mehr der Fall ist. China verfügt aber über Billionen von US-Dollars, die es zurzeit in harte Vermögenswerte umwandelt. Die Chinesen kaufen jede Menge Gold, sollten sie sich jedoch eines Tages dazu entschließen, als Silberkäufer aufzutreten, würde das beim Silberpreis zu einer riesigen Veränderung führen. Ganz gleich, welchen Bodenschatz sie sich auch anschauen – Kupfer, Zink, Eisenerz –, China stellt gegenwärtig 40% bis 50% des weltweiten Verbrauchs.

TGR: Geht es bei Edelmetallminenaktien einzig um die Gewinnmarge?

CO: Viele dieser Unternehmen produzieren Gold zu einem Preis von USD 1.000 pro Unze und Silber zu einem Preis von USD 18 pro Unze. Sollte Silber auf USD 30 pro Unze steigen, würde sich diese USD 2 Gewinnmarge plötzlich in eine USD 12 Gewinnmarge verwandeln – das entspräche also einer Versechsfachung. Veränderungen bei den Rohstoffpreisen könnten enorme Auswirkungen auf die Profitabilität dieser Unternehmen haben.

TGR: Im März sagten Sie, dass Gold innerhalb weniger Jahre auf USD 5.000 pro Unze steigen würde. Das scheint optimistisch.

CO: Diese Einschätzung basiert auf der historischen Beziehung zwischen dem Dow Jones Industrial Average und dem Goldpreis. In den letzten 100 Jahren gab es drei Gelegenheiten, wo man den Dow Jones für ein bis zwei Unzen Gold kaufen konnte. Das letzte Mal war 1980, als der Goldpreis bei USD 800 pro Unze und der Dow Jones bei 800 Punkten lag.

Die Leute verdrehen natürlich ihre Augen, wenn man solche großen Zahlen prognostiziert. 2004 oder 2005 sagte ich, Gold würde auf USD 1.000 pro Unze steigen. Als es dann auf USD 1.000 pro Unze gestiegen war, verschob ich das Preisziel auf USD 2.000 pro Unze, und das hatten wir ja auch fast geschafft.

Und da weiterhin die Bereitschaft besteht, Geld zu drucken, bin ich der Auffassung, dass wir ein Dow/Gold-Verhältnis von 2:1 oder 3:1 sehen werden. Mit einem Dow Jones, der bei 16.000 Punkten liegt, halte ich USD 5.000 pro Unze für möglich. In Wirklichkeit ist es ja nicht der Goldpreis, der steigt, sondern die Papierwährungen, die an Wert verlieren.

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