David Chapman, MGI Securities, 10.07.2014

Heute Morgen bin ich aufgewacht und las die folgende Schlagzeile: „Vor Handelsbeginn: Aktien dürften wegen der Fed und Sorgen um Portugal fallen“. Und während sich Viele auf das Juni-Protokoll des Offenmarktausschusses der US-Notenbank (FOMC) konzentrierten, dürfte der wichtigere Teil der Meldung der gewesen sein, dass die portugiesische Banco Espirito Santo ein potenzielles USD 1,8 Milliarden schweres Loch in ihrer Bilanz vertuscht hatte. Banco Espirito konnte anscheinend eine Schuldenrückzahlung nicht leisten.

Banco Espirito Santo ist zwar eher eine kleine Bank, wenn man sie neben die großen globalen Bankgiganten stellt, aber komischerweise sind es manchmal gerade die kleinen Banken, die zum Ausgangspunkt einer globalen Bankenkrise werden. Der Dow Jones Industrial fiel zu Anfang des Handelstags um 1%. Die andere Sorge, mit der sich der Markt herumschlug, war die Erklärung des Offenmarktausschusses, dass „die Marktteilnehmer die Unsicherheit bezüglich der Fortentwicklung der Wirtschaft und der Geldpolitik nicht ausreichend eingepreist haben.“

Eine Reihe von Marktbeobachtern hatte darauf hingewiesen, dass die Anleger gegenwärtig auf der Suche nach Rendite sind. Da die Zinssätze weiterhin auf mehrjährigen Tiefs vor sich hindümpeln, jagen die Anleger den Renditen stattdessen bei Aktien hinterher, die Dividenden oder steuervergünstigte Ausschüttungen bieten. Oder sie machen Jagd auf hochrentierende Ramschanleihen.

Viele glauben, dass sich diese Investoren über die Risiken, die mit dem Halten dieser Art von Finanzinstrumenten einhergehen, nicht vollumfänglich im Klaren seien. Wenn es während des Finanzcrashs von 2008 einen richtigen Schock gab, dann war es die Tatsache, dass die Aktien (und hierzu zählen auch die Vorzugsaktien der Banken) im Rahmen der Krise um 50% einbrachen. Es scheint, als würde tatsächlich alles über Bord geworfen, wenn eine Bankenkrise im Gang ist.

Sollte es zu einem neuen Finanzcrash kommen, würde dieser höchstwahrscheinlich wieder auf eine Bankenkrise zurückgehen. Die Finanzgeschichte ist voll von Bankenkrisen. Und da die Aktienmärkte aktuell auf mehrjährigen Hochs notieren, hat sich eine gewisse Zufriedenheit und Zuversicht eingestellt. Mittlerweile scheinen alle wieder vergessen zu haben, dass die Ursachen der Finanzkrise von 2008 zu keinem Zeitpunkt angegangen worden sind. Die Banken, speziell die weltweit agierenden Bankgiganten, sind finanziell wie auch politisch unglaublich mächtig, und Versuche, sie stärker zu regulieren, sind in der Vergangenheit fortwährend abgewehrt worden.

Der Glass Steagall Act, das US-Gesetz, das Wertpapiergeschäfte vom Privatbankengeschäft trennte, wurde 1999 von der Clinton-Administration aufgehoben. Seitdem sind die Bankgiganten erheblich gewachsen und einstige Wertpapier-Handelshäuser (Goldman Sachs, Morgan Stanley usw.) zu Bank-Holdings geworden, um sich so im Falle eines Zusammenbruchs für die Rettung durch den US-Einlagensicherungsfonds FDIC zu qualifizieren.

Diese Giganten – die Banken und die Wertpapier-Handelshäuser – gehörten während der Finanzkrise zu den Empfängern staatlicher Rettungsgelder. Und trotzdem war es die Bankenbranche, auf die der Finanzzusammenbruch von 2008 zurückging, da die Banken im Hypothekensektor riesige Positionen an Finanzderivaten und Krediten aufgebaut hatten, was dann auch unter dem Schlagwort „Subprime-Kredite“ bekannt wurde.

Die großen Bankgiganten der Europäischen Union und der USA befanden sich auch im Zentrum des LIBOR-Manipulationsskandals, des Währungs-Manipulationsskandals und des Energiepreis-Manipulationsskandals. Darüber hinaus wird aktuell gegen Banken, die das tägliche Goldpreisfixing durchführen, wegen möglicher Goldpreismanipulationen ermittelt. Eine Bank, die Deutsche Bank, ist bereits aus dem Goldpreisfixing ausgestiegen und hat sich auch aus dem Gold-Trading zurückgezogen.

Die Banken sind aufgrund allermöglichen Missetaten unter Beschuss geraten. Ihnen wurden riesige Strafzahlungen auferlegt. Die jüngste Strafzahlung beläuft sich auf USD 9 Milliarden und wurde Frankreichs größter Bank, BNP Paribas, von US-Regulierern auferlegt, weil die Bank US-Sanktionen gegen Kuba, Iran und den Sudan umgangen hatte. BNP erklärte sich der Verschwörung und der Fälschung von Unterlagen für schuldig.

Das ist zwar nicht die größte Strafzahlung, aber zumindest überstieg sie schon einmal die Gewinne von BNP in 2013. Würde BNP die Strafe nicht zahlen, bestünde die Gefahr, dass die Bank nicht mehr in den USA operieren darf. Es wird nun darüber diskutiert, dass BNP damit beginnen könnte, vermehrt in anderen Währungen als dem US-Dollar zu traden, so dass die Abwicklung nicht mehr über New York erfolgen müsste. Der überwiegende Teil des Welthandels wird aber nach wie vor über New York in US-Dollars abgewickelt.

Andere Banken mussten ebenfalls riesige Strafzahlungen leisten: JP Morgan Chase musste USD 13 Milliarden für Tricksereien mit hypothekarisch besicherten Wertpapieren (MBS) zahlen; Bank of America musste USD 11,8 Milliarden für mit Zwangsvollstreckungen in Zusammenhang stehende Tricksereien zahlen und dann noch einmal weitere USD 9,3 Milliarden aufgrund von Tricksereien mit MBSs. Die Liste ist lang und es sind nicht nur US-amerikanische Regulierungsbehörden, die den Banken Strafzahlungen auferlegt haben. EU-Bankenregulierer haben ebenfalls Strafen verteilt. Im Grunde hat es eine Vielzahl der weltgrößten Banken getroffen, also die europäischen und US-amerikanischen Banken, die das globale Bankenwesen beherrschen …

Selbst Kanadas Banken sind unter Beschuss geraten. Es wird davon ausgegangen, dass Kanada das stabilste Bankensystem der Welt hat, da die kanadischen Banken sehr gut kapitalisiert und reguliert sind. Aber die kanadischen Banken sind gegenüber einer globalen Bankenkrise auch nicht immun. Während der Finanzkrise von 2008 erhielten die kanadischen Banken von der kanadischen Regierung Rettungsgelder. Kanada wird die Banken nun aber nicht mehr länger mit Steuerzahlergeldern retten, dasselbe gilt im Übrigen auch für die EU, die USA und Japan.

Das neue Motto heißt „Bail-ins“: Anstatt bei einer Bankenkrise die Gelder der Steuerzahler zu riskieren, so wie es bisher der Fall war, sollen künftig die Einlagen der Bankkunden herangezogen werden. Moody´s Investors Services, eine der großen Ratingagenturen, hat ihren Ausblick für das kanadische Bankensystem auf negativ abgesenkt, was mit der Zurückhaltung des kanadischen Staats begründet wird, die Banken im Falle einer Bankenkrise zu retten.

Nichts von dem legt nahe, dass der Ausbruch einer Bankenkrise unmittelbar bevorsteht. Fakt ist aber, dass die Warnungen vor den immer weiter anwachsenden faulen Krediten, die von den Banken gehalten werden, zu weiten Teilen ignoriert werden. In den USA gibt es Probleme im Hinblick auf die Hypotheken (Subprime-Hypotheken und anderen) und die Studentenkredite, die sich auf Billionen von US-Dollars belaufen und sich als nicht eintreibbar herausstellen könnten.

Die vier größten US-Bankgiganten – JP Morgan Chase, Bank of America, Citigroup und Wells Fargo – halten gemeinsam USD 7,4 Billionen an Vermögenswerten und stellen rund 55% der gesamten US-Bankenbranche.

Darüber hinaus verfügen drei dieser Banken über die höchsten Kapitalrisiken, was Derivate anbelangt. Goldman Sachs hält zwar die größten Kapitalrisiken, aber JP Morgan Chase, Bank of America und Citigroup sind bei den Finanzderivaten ebenfalls enormen Risiken ausgesetzt. Diese Bankgiganten gelten auf alle Fälle als „systemrelevant“ – dennoch standen während der Finanzkrise von 2008 zwei von ihnen (Bank of America und Citigroup) kurz vor der Pleite.

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Der obenstehende Chart zeigt den PHLX KBW Banking Index. Die vier größten US-Banken stellen lediglich 39% dieses Bankenindexes, werden also zu einem geringeren Teil gewichtet, als ihre gegenwärtige Vorherrschaft im US-Markt eigentlich nahelegen würde. Der KBW-Index notiert aktuell unter seinen jüngsten Hochs von März 2014. Sollte es dem Index nicht gelingen, neue Hochs zu etablieren, könnte das als negatives Zeichen gedeutet werden.

Und der KBW-Index liegt nicht nur unter seinen jüngsten Hochs, sondern notiert überdies massiv unter seinen Allzeithochs von Februar 2007, bevor die Finanzkrise ihren Ausgang nahm. Im Gegensatz dazu ist der S&P 500 Index nach seinem Tief von 2009 jedoch auf neue (nominelle) Allzeithochs geschossen. Das ist eine bedeutende Abweichung, die eigentlich jedem auffallen müsste.

Wird die Banco Espirito Santo der Auslöser einer globalen Bankenkrise werden? Ja es gibt die Angst vor einer Ansteckung. Ein Scheitern einer nach den Standards des weltweiten Bankenwesens eher kleinen Bank könnte sich in einen Banken-Albtraum verwandeln. Dennoch werden die möglichen Auswirkungen der Banco Espirito einfach beiseite gewischt.

Und ja, hier kommen auch noch die Risiken einer Staatspleite mit hinzu. Argentinien könnte wieder einmal die Zahlungsunfähigkeit ausrufen. Und die Ausgabe griechischer Staatsanleihen ist aufgrund der Bankenkrise in Portugal anscheinend auch erst einmal ausgesetzt worden.

Die Geschichte ist voll von Bankenkrisen und Bankenpleiten, die nicht nur für Rezessionen sorgten, sondern sogar Wirtschaftsdepressionen auslösten. Trotzdem jagen die Anleger nach wie vor den Renditen hinterher und investieren dabei in Papiere, die oftmals über ihre eigenen versteckten und mit der Bankenbranche in Zusammenhang stehenden Risiken verfügen. Wie heißt es so schön: „Dieses Mal ist es anders.“ Das Einzige, was anders ist, sind die konkreten Umstände, die eine globale Bankenkrise auslösen könnten. Anleger sollten auf alle Fälle vorsichtig agieren.

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