Martin Armstrong, Armstrongeconomics.com, 09.09.2014

Herrschende Elite verfällt zunehmend in Panik

Wir hatten bereits auf unserer Berlin-Konferenz in 2012 davor gewarnt, dass die Loslösung Schottlands ein Thema sei, das man ernst nehmen sollte. Jetzt zeigen die Umfragen auf einmal, dass Schottland einfach mit Ja stimmen und Großbritannien aufgrund des zunehmend stärker werdenden Chaos in der Europäischen Union und der völlig wahnsinnigen Politik Frankreichs verlassen könnte.

Die britischen Finanzmärkte sind am Montag eingebrochen, nachdem eine Umfrage erstmals in diesem Jahr zu dem Ergebnis kam, dass die Schotten bei ihrem Referendum am 18.09.2014 für die Unabhängigkeit Schottlands stimmen und aus dem Britischen Königreich, dem sie 1707 beitraten, ausbrechen könnten.

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Die letzte Umfrage hat für Schockwellen gesorgt, die unter der herrschenden britischen Elite fast schon an blanke Panik heranreichen. Das Chartmuster des Britischen Pfunds zeigt einen jähen Absturz. Die vom britischen Premierminister David Cameron angeführte konservative Regierung verspricht nun plötzlich, dass man Schottland größere Unabhängigkeit einräumen würde, sollte das Land bei Großbritannien verbleiben. All die Experten haben erklärt, dass wir falsch liegen und es für eine solche Teilung in Schottland überhaupt keine Unterstützung gäbe.

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Hier sehen Sie die Karte, die wir auf unserer Berlin-Konferenz zeigten. Sie veranschaulicht die zunehmend stärker werdenden separatistischen Bewegungen. Dieser Separatismus ist Teil des Kriegszyklus-Modells. Sorry, aber das sind im Grunde die aufsteigenden Bürgerunruhen, und wir haben davor gewarnt, dass derartige Trends durch die wirtschaftliche Entwicklung befeuert werden. Wenn die Wirtschaft zurückgeht, ist es genau das, womit zu rechnen ist.

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Jetzt steht auch Camerons Job als Premierminister auf dem Spiel, sollten die Schotten am 18.09.2014 für ihre Unabhängigkeit stimmen. Cameron hat überhaupt keinen Plan, da er unterdessen immer noch versucht, auf der Hochzeit der EU zu tanzen. Und jetzt, wo die landesweiten britischen Parlamentswahlen nur noch 8 Monate weg sind – sie sind für Mai nächsten Jahres geplant und dürften eine weitere Überraschung werden –, erklärte Cameron, dass die britische Regierung über keinerlei Notfallpläne verfügen würde, sollte sich Schottland für die Unabhängigkeit entscheiden. Sie sagen einfach, dass es nicht passieren wird.

Die Massen starren unterdessen auf die Politiker, die nicht begreifen, dass die Weltwirtschaft gerade implodiert und all die wahnsinnigen Regierungen – die fortwährend neue Kredite aufnehmen, ohne die Absicht zu hegen, diese Gelder jemals wieder zurückzuzahlen – nicht auf immer so weitermachen können wie bisher.

Das Britische Pfund fiel am Montag um über 1%, was der größte Tageseinbruch der letzten 13 Monate ist. Das war eigentlich zu erwarten, da die Märkte eher auf Unsicherheiten reagieren als auf reale Entwicklungen. Als Großbritannien der Eurozone nicht beitrat, verkauften die Experten das Britische Pfund und behaupteten, dass es massiv einbrechen und der Euro aufsteigen würde. Wir wurden dann von großen Unternehmen herbeigerufen, um sie aus den Short-Positionen herauszuholen, als das Pfund eine Rally hinlegte.

Und heute schreiben die Analysten Schottland ab und warnen, dass Schottland ein gigantischer Short sei, sollte es Großbritannien verlassen. Wir rechnen aber auch dieses Mal mit dem genauen Gegenteil. Die Schotten sind konservativ, und Schottland ist der Ort, wo die moderne Wirtschaftslehre ihre Wiege hat.

Praktisch jede Bank hat die Investoren gewarnt und auf die Risiken für Großbritannien und die Einheit der Europäischen Union hingewiesen, sollte es zur schottischen Unabhängigkeit kommen – aber niemand hat Schottlands Risiken adressiert, sollte es in Großbritannien bleiben und der Zusammenbruch der Europäischen Union einsetzen. Über ein solches Szenario denken sie noch nicht einmal ansatzweise nach.

Sorry, aber bei der „Besser gemeinsam“-Kampagne der Unionisten werden die Risiken, die von einem Verbleib in der Europäischen Union ausgehen, überhaupt nicht adressiert. Und trotzdem zeigt die Umfrage von YouGov nun – nach unzähligen früheren Umfragen, die immer ergaben, dass die Separatisten/Nationalisten keine Chance hätten –, dass die Sezessionisten ihr Ziel, die 307 Jahre alte Union mit England aufzubrechen, tatsächlich erreichen könnten, wodurch ein 309,6-Jahres-Zyklus komplettiert würde.

Unabhängigkeit Schottlands könnte Riesen-Erfolgsstory werden

Es ist sehr interessant, die zahlreichen E-Mails zu sehen, die wir aktuell aus Schottland und England erhalten. Selbst in Schottland gibt es einen starken linken sozialistischen Block, der seine Hand aufhält und den Cameron davon überzeugen will, bei Großbritannien zu verbleiben, wofür sie dann belohnt würden.

Eine Teilung wäre für England wie auch Schottland aber eine fantastische Sache, sollte Schottland hier den rechten Weg beschreiten. Würde Schottland seine Steuern senken, inklusive der Mehrwertsteuer, würde dadurch auf England Druck ausgeübt werden.

Darüber hinaus ist behauptet worden, dass Schottland Großbritannien mehr kostet, als es von Schottland an Steuern erhält. Das Haushaltsbüro der Schotten (Government Expenditure and Review Scotland; GERS) berechnet, wie viel Geld in Schottland über Steuern eingenommen und wie hoch die schottischen Staatsausgaben sind. Die schottischen Nationalisten behaupten, dass die Zahlen falsch sind. Die Zahlen scheinen jedoch ziemlich glaubwürdig zu sein. Die GERS-Daten weisen für das Fiskaljahr 2008/2009 aus, dass das britische Finanzministerium GBP 54 Milliarden für Schottland ausgab, während es nur GBP 43,5 Milliarden an Steuereinnahmen erhielt.

Die Briten glauben, dass die Schotten nicht alleine klarkommen würden. Es gibt hier aber noch einen sehr wichtigen Vermögenswert – das Nordseeöl. Der überwiegende Teil der fossilen Energieträger Großbritanniens liegt vor der Küste Schottlands, nicht Englands. Daher müsste das Vermögen des Nordseeöls eigentlich zu den Gesamteinnahmen aus Schottland hinzugerechnet werden, was Großbritannien jedoch nicht macht. Dieses Thema eröffnet eine ganze Reihe wichtiger Fragen, sollte es zur Unabhängigkeit Schottlands kommen. Werden die Bodenschätze dann auch an ein unabhängiges Schottland zurückgegeben?

Detaillierte Untersuchungen der Geldströme, die aufgrund der Öl- und Gasfelder nach Großbritannien fließen, legen nahe, dass die schottischen Gewässer – die demselben Grenzverlauf folgen, der auch von der Fischindustrie verwendet wird –, im Fiskaljahr 2008/2009 91,1% der Nordseeeinnahmen Großbritanniens stellten.

Das würde nahelegen, dass die Nordsee-Ölreserven Schottland gehören und nicht England. Und es würde nahelegen, dass Schottland in Wahrheit weitere GPB 11,7 Milliarden an das britische Finanzministerium zahlt – somit wäre auch das schottische Haushaltsdefizit von GBP 10,5 Milliarden verschwunden und Schottland hätte sogar noch einen Überschuss von GBP 1,3 Milliarden. Natürlich sind diese Zahlen auch Schwankungen unterworfen, nichtsdestotrotz ist das ein interessanter Aspekt.

Es steht völlig außer Frage, dass Schottland als Nation überleben und dabei sogar noch richtig gut dastehen würde. Schottland könnte dann sogar das europäische Land mit der niedrigsten Staatsverschuldung sein, und das Vertrauen, dass Schottland dadurch im Rahmen einer Wirtschaftskrise gewinnen würde, wird gegenwärtig noch gar nicht berücksichtigt.

Wir haben die Was-wäre-wenn-Aspekte in unser Sokrates-Computermodell eingepflegt und als Ergebnis kam heraus, dass das Britische Pfund auf neue Tiefs und auf Par mit dem US-Dollar abfallen könnte. Schottland könnte sein eigenes Pfund ausgeben, und würde Schottland als Modellnation den weltweiten Standard dafür setzen, dass keine Staatsschulden mehr aufgenommen werden, könnte die Währung sogar den Takt vorgeben, der andere Währungen dann folgen.

Der Verlust der Ölfelder in der Nordsee würde bedeuten, dass George Osborne nicht mehr länger in der Lage wäre, die erheblichen Steuereinnahmen der Betreiber der Ölförderanlagen einzustreichen, so wie sie sich noch in den heutigen britischen Budgetplanungen wiederfinden. Die schottische Unabhängigkeit könnte der letzte Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt, und Großbritannien zu Reformen zwingen.

Der überwiegende Teil der erneuerbaren Energien Großbritanniens – wie Windkraft- und Wellenkraftanlagen – befindet sich ebenfalls in Schottland. Auch hier stünde dieser schottische Exportmarkt nicht mehr unter Kontrolle der britischen Regierung in London.

Also, bricht man alles herunter, kommt man zu dem Ergebnis, dass Schottland ziemlich gut alleine klarkäme. Und auch England wäre besser dran, wenn man alle Aspekte in Erwägung zieht.

Und dann haben wir ja noch die schottische Finanzbranche, die Einnahmen zwischen GBP 7 Milliarden und GBP 9 Milliarden (USD 11 Milliarden bis USD 14 Milliarden) erwirtschaftet und rund 100.000 Menschen direkt beschäftigt, so die Scottish Financial Enterprise (SFE), eine Organisation, die Schottlands Finanzindustrie repräsentiert.

Die schottische Bankenbranche beschäftigt 13% aller Bankangestellten in Großbritannien. Der Royal Bank of Scotland, der Bank of Scotland, Teilen der Lloyds Banking Group und der Clydesdale Bank ist es überdies erlaubt, Banknoten zu drucken – eine Praxis, die bis zum Jahr 1695 zurückreicht. Schottland hat überdies den ältesten Berufsverband praktizierender Banker (seit 1875).

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Die britische Versicherungsbranche ist die drittgrößte der Welt und die größte Europas und beschäftigt 320.000 Menschen. Davon dürften allein ein Drittel von der schottischen Versicherungsbranche gestellt werden. Lebens- und Pensionsversicherungen gehören in Schottland zu den größten Arbeitgebern.

Und in Schottland gibt es mindestens 500 Fonds, die Gelder verwalten – und bei dieser Zahl werden weder Investment-Trusts noch börsennotierte Funds berücksichtigt. Die in Schottland verwalteten Gelder wurden für 2013 mit GBP 560 Milliarden veranschlagt, das entspricht 11% aller in Großbritannien verwalteten Gelder (GBP 5 Billionen), so die Investment Management Association. Sollte die Europäische Union ihre Finanztransaktionssteuer durchsetzen, könnte Schottland ganz groß punkten, wenn es sich von Großbritannien und der Europäischen Union fernhält. …

Schottland ist nicht nur die Heimat von Adam Smith und der modernen Wirtschaftslehre, sondern war überdies auch die Wiege der Pensionsfonds – die ebenfalls in jener Zeit erfunden wurden. Schottland hat eine echte Chance, mit London in Wettstreit zu treten und die echte Schweiz Europas zu werden, sollte es über den Mut verfügen, sich dem (weltweiten) Wirtschaftszusammenbruch entgegenzustellen und dem Kapital die Stabilität zu bieten, auf das es aus ist …

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