Mark St. Cyr, Markstcyr.com, 16.09.2014

Es gibt vier Dinge, die die Finanzwelt, wie wir sie heute kennen, verändern könnten: Bestätigung, Krise, Ansteckung und Katastrophe.

Bestätigung

Aber welche Art von Bestätigung könnten wir erhalten, die über das Potenzial verfügt, die Finanzmärkte in ein solches Chaos zu stürzen, dass die Grundfeste der Finanzwelt, wie wir sie heute kennen, erschüttert werden?

Antwort: Schottland stimmt mit Ja und trennt sich von Großbritannien. Sollte es so kommen, könnte dies für Schockwellen sorgen, die sich über alle weltweiten Märkte erstrecken – beispielsweise den weltweiten Devisenmarkt.

Niemand, der auch nur ein wenig Ahnung von Finanzen hat, kann auf die aktuellen Märkte blicken und allen Ernstes behaupten, dass die Märkte am Donnerstag auf ein solches Abstimmungsergebnis vorbereitet sind.

Sollten die Schotten tatsächlich mit Ja stimmen und die Unabhängigkeit von Großbritannien bestätigen, wären die Schockwellen, die daraufhin auf die Märkte einschlagen, meines Erachtens mit dem Video vergleichbar, das wir alle schon 1.000 Mal gesehen haben, wo eine Atombombe ein Haus in Stücke zerreißt. Oder das Video, wo die Bäume fast bis zum Boden gedrückt werden und sich daraufhin wieder aufrichten.

Ja ich glaube, das könnte eine Metapher für das sein, womit zu rechnen wäre. Der Grund dafür ist einfach: Die aktuellen Märkte sind der offenkundige Beweis dafür, dass alle – speziell die sogenannten Investmentprofis – davon ausgehen, dass es nicht dazu kommen wird. Die Umfrageergebnisse zeigen aber, dass die Chancen für eine schottische Unabhängigkeit bei 50:50 stehen!

Und sollte es so kommen, würde noch etwas anderes, nicht weniger Reales bestätigt werden – etwas, das vielleicht noch viel aufschlussreicher ist: Da wenige Tage vor dem Referendum ein Treffen der US-Notenbank (Fed) stattfindet, könnten die Informationen, die aus diesem Treffen nach außen gelangen, nicht wichtiger sein.

Sollte die Presseerklärung der Fed lediglich auf irgendeiner neu angepassten Standardformulierung beruhen –„bis sich die Rahmenbedingungen verbessern“, „verlängerte Phase“, „blablabla“ –, wäre das eine abermalige Bestätigung dessen, was viele bereits von Beginn an glauben, nämlich dass die Fed taub, blind und auf ein Ereignis wie die Abspaltung Schottlands kaum vorbereitet ist. Ein Ereignis, das über das Potenzial verfügt, die Krise von 2008 um ein Vielfaches in den Schatten zu stellen.

Die Implikationen einer Loslösung Schottlands von Großbritannien sind in Wahrheit völlig ungewiss, nicht quantifizierbar und – was am schlimmsten sein dürfte – unkontrollierbar.

Krise

Dann würde das Ganze zu einer Krise werden.

Doch wie würde die US-Notenbank auf ein Dilemma solchen Ausmaßes reagieren? Und ich nutze das Wort „Ausmaß“ aus gutem Grund. Wie Vielen bekannt sein dürfte, sind die Devisenmärkte viel größer, als der Kleinanleger gemeinhin annimmt.

Die Rettung des „Aktienmarkts“ in 2008 mit einer Krise am Devisenmarkt zu vergleichen, wäre ungefähr so, als würde man die Rettung einer kleinen Spielhölle an der nächsten Straßenecke mit der Rettung eines großen Casinos in Las Vegas vergleichen.

Sollten die Finanzmärkte plötzlich durch einen fundamentalen Zusammenbruch und das Auseinanderbrechen von dem, was heute unter dem Namen Europäische Union bekannt ist, erschüttert werden – vielleicht gemeinsam einem ganzen Rattenschwanz an Carry-Trades –, dürfte das Wort „Krise“ noch eine Untertreibung sein.

Ansteckung

Die Ansteckung an den Devisen-Handelsplätzen würde nicht nur im Devisenmarkt selbst Chaos und Verwüstung anrichten, sondern direkt auf die Anleihemärkte überspringen. Und Viele haben keine Ahnung, dass der Anleihemarkt ebenfalls bedeutend größer ist als die Aktienmärkte.

Derartige Verwerfungen würden mit Sicherheit dazu führen, dass die Aktienmärkte in ein vollständiges und entsetzliches Chaos stürzen, da die Geldverwalter, Marktmacher, Geschäftsführer und viele andere Entscheidungsträger die Order ausgeben würden: „Verkauft alles, schließt alle Positionen – sofort!“

Und welches Chaos könnte vom Hochfrequenzhandel angerichtet werden, wenn die Computer-Algorithmen außer Kontrolle geraten und alles auf den Markt werfen – einen Markt, bei dem jeder aufgrund der Nachrichtenlage weiß, dass das Spiel aus ist? …

All das könnte die aktuelle Ebola-Krise und die Sorgen um die Geschwindigkeit und Schwere der Ausbreitung zu einem Schnupfen in einer Kindergartengruppe verkommen lassen.

Dann würden die Halter von einst für liquide gehaltenen Vermögenswerten von Panik, Angst, Misstrauen, Entfremdung, ____________ (hier können Sie selbst etwas eintragen) erfasst werden, wenn sie feststellen, dass nichts schneller den Bach runter geht als Papierzugewinne und Papiervermögen.

Und wenn es so kommen sollte, würde auch der Erstemissionsmarkt – und alles, was dank des „kostenlosen Geldes“ aus diesem Markt geworden ist – einen Schlag abgekommen. Es würde wie ein Hammer auf die Erstemissionen einschlagen. Alibaba würde zu „dem“ Paradebeispiel, das Schlagzeilen macht, wie wir sie nie zuvor gesehen haben.

Freitag werden die Aktien des Unternehmens erstmals an der Börse gehandelt, und es wurde gemeldet, dass die Erstemission die begehrteste und nachgefragteste überhaupt gewesen ist. Sie konnten ihre Werbetour sogar frühzeitig beenden.

All das in einer Ära niedrigen bzw. nichtexistenten BIP-Wachstums. Während die reale Arbeitslosigkeit und andere Leitindikatoren auf eine Rezession hindeuten – ganz gleich, wie verzerrt und manipuliert diese Daten auch sein mögen.

Würde Alibaba in einem solchen Wirrwarr ein Börsengang realisieren, würde das nicht nur für die Firma selbst Auswirkungen haben, sondern von da an auch für jedes andere aufstrebende Unternehmen im Markt – und wer weiß für wie lange! Die Frage ist also nicht bloß, ob es so kommen wird, sondern was für alle anderen zu bedeuten hätte, wenn es so käme.

Katastrophe

Es ist also durchaus möglich, dass wir hier gerade auf eine Katastrophe zusteuern. Und das hängt einzig von einem Referendum ab, bei dem die Chancen 50:50 stehen. Am Donnerstag, wenn Schottland abstimmt, werden wir mehr wissen. Bis dahin wissen wir im Grunde wenig darüber, was wirklich passieren wird, sollten sich die Schotten für die Unabhängigkeit entscheiden, und mehr darüber, was passieren wird, sollten die Schotten gegen eine Loslösung stimmen.

Immerhin wissen wir heute ein paar Sachen mehr als noch vor 5 Jahren.

Erstens wissen wir, dass die Märkte nicht das sind, was die Menschen glauben. Zweitens ist die Fed nicht so allmächtig, wie die eisten annehmen. Drittens sind zwischen 70% und 80% dessen, was die Kleinanleger, die für ihre Rente sparen, für Trades halten, eine Illusion. Und viertens: Niemand – auch viele der an Wall Street tätigen Finanzmarktprofis nicht – hat seit der Lehman-Krise irgendetwas dazugelernt.

Und was vielleicht noch wichtiger ist, als all das Vorgenannte zusammengenommen, ist, dass sie glauben, dass die Chancen einer abermaligen Krise im Stile Lehmans bei null liegen, und darauf wetten, dass es nicht dazu kommen wird. Darüber hinaus sind sie nach wie vor überzeugt davon, dass die Fed sie retten wird.

Die Frage ist, ob die Fed in der Lage sein wird, sich selbst zu retten, sollte es so kommen, geschweige denn sie. Wir werden die Antwort früh genug bekommen.

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