Gerhard Spannbauer, Krisenvorsorge.com, 03.02.2011

Vor Kurzem noch wurde Griechenland Erfolg attestiert für seine umfassenden Sparbemühungen: Das Land sei auf einem guten Weg, es herrschte allgemeine Freude über den sich bessernden Gesundheitszustand des griechischen Patienten. Doch mittlerweile ist die Euphorie verfolgen: Das Land steckt tief in der Rezession. Nicht nur Athen, sondern auch Berlin, Brüssel und Washington blicken mit großer Sorge auf den Zustand Griechenlands. Baustellen stehen still, Läden schließen, Unternehmen entlassen Mitarbeiter – der Argwohn der Märkte über das Geschehen in Griechenland wird immer größer.

Die Versprechungen, die Griechenland der EU und dem IWF gemacht hat, sind ambitioniert gewesen – und es stellt sich nun immer mehr heraus, dass das Land die eigenen Vorgaben wohl kaum erfüllen wird können. Mehreinnahmen von 13,7 Prozent hatte Griechenland für 2010 zugesagt. Doch wo das Geld herkommen wird, bleibt unklar. Die Steuereinnahmen fließen nicht so, wie das Finanzministerium das erwartet hatte. Im Juli waren es sieben Prozent weniger als im Vorjahr. Zwar hat Athen über vier Prozent mehr eingenommen, doch das reicht lange nicht. Die Steuersätze wurden bereits erhöht.

Noch im letzten Monat lobten EU und IWF die griechischen Bemühungen, die zur schnellen Umsetzung des gigantischen Sparpakets unternommen wurden. Diese Euphorie ist verflogen, das Land rutscht immer tiefer in die Rezession. In Athen hat mittlerweile schon jeder sechste Ladenbesitzer aufgegeben, überall sieht man Läden brach liegen. Das BIP Griechenlands bricht immer weiter ein, im zweiten Quartal um 3,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Für das zweite Halbjahr wird eine weitere Verschlechterung erwartet: ein Minus von fünf Prozent soll dann erreicht werden.

Der griechische Einzelhandelsverband rechnet bis zum Jahresende mit weiteren 100 000 Insolvenzen. Schon jetzt ist jeder dritte griechische Jugendliche ohne Arbeit. Für den Herbst erwartet der Gewerkschaftsbund GSEE eine Welle von Massenentlassungen und einen Anstieg der Erwerbslosenquote auf 20 Prozent.

Das Bittere an der Situation in Griechenland ist, dass gerade die Sparpläne, die Griechenland aus seiner misslichen Lage herausbugsieren sollten, schuld sind an der aktuellen Misere des Landes. Die griechische Regierung zeigte sich in der Umsetzung der Vorgaben als übereifrig und wollte die sowieso schon strengen Vorgaben noch übertreffen. Die Staatsausgaben wurden um zehn Prozent und damit um das Doppelte gesenkt, als vorher abgesprochen. Die Mehrwertsteuer wurde von 19 auf 23 Prozent angehoben.

Knapp acht Milliarden Euro hat Griechenland bisher eingespart, 13 Milliarden müssen es bis Jahresende noch werden, um die Vereinbarungen zu erfüllen. Daher regiert in Griechenland nahezu überall der Rotstift: Rentenkürzung, Lohnkürzungen bei Staatsbediensteten von 20 Prozent, Reduzierung der staatlichen Investitionen um 500 Millionen Euro, Kürzung der Etats der Ministerien um zehn Prozent.

Der Sparkurs ist zu würdigen, denn Griechenland legt sich selbst schwerste Ketten an. Doch diese Ketten lasten nun lähmend auf dem Land und seiner Wirtschaft: Denn das eingesparte Geld fehlt im Wirtschaftskreislauf. Hinzu kommt eine Inflation, die mittlerweile 5,5 Prozent beträgt und damit so hoch ist wie seit 13 Jahren nicht mehr. Beides zusammen mindert die Kaufkraft der Griechen enorm – eine fatale Entwicklung, denn der Konsum macht in Griechenland rund 73 Prozent des BIPs aus. Kaufhäuser haben bereits Umsatzeinbußen von 14 Prozent vermeldet.

Der fehlende Konsum wirkt sich direkt auf die Steuereinnahmen aus: Viele sehen das Finanzministerium gezwungen, noch mehr Kürzungen vorzunehmen – doch damit würde Griechenland einen weiteren Schubs tiefer in die Rezession bekommen. Eine Modernisierung ist dringend nötig, doch die Mehrheit der Griechen hat genug vom Reformeifer ihrer Regierung. Das zeigte sich in dem Chaos, das durch die LKW-Unternehmer ausgelöst wurde und das Land inmitten der Hochsaison lahm legte durch einen Benzin-Notstand.

Die griechische Regierung möchte die Energiemärkte reformieren, ebenso den Nahverkehr – hier erwarten EU und IWF demnächst tragfähige Konzepte. Doch alle Reformen drohen am Unwillen der Beschäftigten zu scheitern: Die Gewerkschaft der Stromversorger kündigte an, das Land im Dunklen versinken zu lassen, auch die Belegschaften der Verkehrsbetriebe drohten bereits mit massivem Widerstand – der griechischen Regierung stehen die wirklich schweren Kämpfe erst noch bevor.

Alle Schritte, die von der griechischen Regierung zur Konsolidierung des Landes unternommen werden, werden genau beobachtet von den Anlegern auf den Märkten. Das Misstrauen ist groß, dass das Mammutprojekt der Rettung des griechischen Staates erfolgreich sein wird. Steigende Renditen und Risikoaufschläge für griechische Staatspapiere sind die Folge. Aktuell liegen die Renditen bei 10,6 Prozent – eine derart teure Finanzierung wird für Griechenland nicht lange tragbar sein.

Die Zeit läuft unerbittlich, die sich Griechenland von IWF und EU geborgt hat. Schon nächstes Jahr soll sich Griechenland neue Investoren suchen, ab 2012 zumindest teilweise wieder selbst refinanzieren. Ab 2013 sollen die Hilfskredite abbezahlt werden: Der IWF benennt den Kreditbedarf des Landes bis 2015 auf 313 Milliarden Euro. Das wird kaum zu schaffen sein, weshalb einige bereits nach Konjunkturspritzen für Griechenland rufen – anders sei die Wende für Griechenland kaum zu schaffen.

Dies ist Ausdruck der Angst, dass Griechenland es doch nicht schaffen kann. EU und IWF sorgen sich, dass das Scheitern der griechischen Konsolidierung eine erneute Panik an den Finanzmärkten auslösen wird. Und es sieht tatsächlich nicht rosig aus für Griechenland, es scheint, die Regierung habe zu viel versprochen – die Bevölkerung wird da nicht mehr lange mitspielen angesichts der geplanten Einschnitte. Die europäische Schuldenkrise ist nicht gebannt, sie ist nur verschoben worden. Neubeginn könnte schon im nächsten Jahr sein – mal sehen, wie dann noch geholfen werden soll?

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