Mike Whitney, GlobalResearch.ca, 13.12.2009

Was für ein Pech aber auch, dass Barack Obama sich nicht mit Malalai Joya beriet, bevor er am Donnerstag seine Nobelpreisrede hielt. Die ehemalige afghanische Parlamentarierin hätte dem Präsidenten dabei helfen können zu begreifen, dass die anhaltende US-Besatzung den amerikanischen und afghanischen Interessen schädlich ist. Afghanistan ist nicht der „gerechte Krieg“ den Obama so leidenschaftlich in seiner Rede verteidigt. Es ist Teil einer größeren geopolitischen Strategie der USA, die Joya in ihrem neuen Buch „Eine Frau unter den Warlords: Die außerordentliche Geschichte einer Afghanin, die es wagte ihre Stimme zu erheben“ ausbreitet. US-Strategieplaner haben sich dafür entschieden einen Brückenkopf in Zentralasien einzurichten um das Wachstum Chinas zu beobachten, Russland einzukreisen, die essentiellen Ressourcen des Kaspischen Beckens zu kontrollieren und den US-Megakonzernen Sicherheit zu bieten, welche Asien als den „Markt der Zukunft“ ansehen. Es war von Anfang an das Great Game. „Sieg“ bedeutet in Afghanistan, dass eine Handvoll Waffenproduzenten, Ölmagnaten und militärische Vertragsnehmer sehr reich werden. So sieht es aus. Das hat nichts mit Al-Qaeda, „Demokratieförderung“ oder der nationalen Sicherheit der USA zu tun. Das ist alles nur geistiger Public-Relations-Dünnpfiff.

„Eine Frau unter den Warlords“ ist ein explosives Buch, das messerscharf viele der Illusionen über die US-Invasion Afghanistans seziert. Zum Beispiel haben die meisten Amerikaner noch nie etwas über die „Warlord-Strategie“ gehört, ein unter Afghanen alltäglicher Begriff. Das hängt damit zusammen, dass dies nicht mit den Berichten der westlichen Medien über die afghanische „Befreiung“ im Einklang steht. Die Wahrheit ist, dass US-Kriegsplaner, angeführt von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, sich für einen Plan entschieden, bei dem ganze Regionen Afghanistans in die Hände der Warlords gegeben wurden, bevor auch nur ein Schuss fiel. Die ganze „Befreiungs“-Rhetorik war nur eine List um Unterstützung für den Krieg zu gewinnen. Wie viele Amerikaner würden die Entsendung von weiteren Truppen unterstützen, wenn sie wüssten, dass die ursprüngliche Rechtfertigung Schwachsinn ist?

So fasst es Joya mit ihren eigenen Worten zusammen:

„Das afghanische Volk hat die Nase voll von der Besetzung ihres Landes und dem korrupten Mafiastaat von Hamid Karzai sowie den von der NATO unterstützten Warlords und Drogenkönigen…Es ist jetzt klar, dass es das wirkliche Motiv der USA und ihrer Alliierten war – versteckt hinter dem sogenannten „Krieg gegen den Terror“ – Afghanistan in eine zentralasiatische Militärbasis und das Zentrum des weltweiten Opiumhandels zu verwandeln. Gewöhnliche afghanische Menschen werden für dieses Schachspiel benutzt und das Geld des westlichen Steuerzahlers und das Blut westlicher Soldaten werden für die Agenda, welche die Region nur weiter destabilisiert, verschwendet…

Ich spreche mein Beileid gegenüber den Familien hier aus, die ihre Liebsten verloren haben. Sie sind die Opfer einer falschen Politik ihrer Regierung. Die afghanischen Familien von in diesem Krieg getöteten Zivilisten teilen mit ihnen das Gefühl des Verlustes. Wenn wir dieses Leid in Stärke verwandeln, können wir diesen Krieg beenden. Die Truppen bis 2011 nach Hause zu holen ist zu spät; die Truppen sollten so schnell wie möglich abziehen, bevor noch weitere afghanische und amerikanische Menschenleben sinnlos vergeudet werden.“

Joya ist zielstrebig und kompromisslos: Ein Ein-Frau-Abriss-Team. Sie ist auch eine elektrisierende Rednerin, die ihre Zuhörer von den Socken haut, wenn sie gegen den Krieg wettert. Die Menschen können ihre Intensität, Ehrlichkeit und unerschütterliche Hingabe an die Gerechtigkeit spüren. Im Gegensatz zu Obama ist sie nicht auf hochtrabend klingende Plattitüden aus die nur der Fortführung des Kriegs und des Leids dienen. (Obamas Nobelpreisrede: „Wir müssen damit anfangen die harte Wahrheit anzuerkennen, dass wir gewaltsame Konflikte zu Lebzeiten nicht beseitigen können.“) Joyas Ziel ist Frieden; ein Ende des 30-jährigen Krieges, eine Ende der US-Besatzung und des religiösen Fanatismus. Bedauerlicherweise garantiert die militärische Ausweitung Obamas, dass sich der Konflikt noch Jahre hinziehen und den Menschen noch mehr Elend bringen wird.

Malalai Joya: „In diesem Moment, wo ich diese Worte schreibe, wird es in Afghanistan zunehmend schlimmer. Wir sind zwischen zwei Feinden eingekesselt: Die Taliban auf der einen Seite und die US/NATO-Truppen und ihre Warlord-Tagelöhner auf der anderen…Obamas Militäraufbau wird den unschuldigen Zivilisten nur noch mehr Leid und Tod bringen…Ich hoffe, dass die Lektionen aus diesem Buch Präsident Obama und seine Strategieplaner in Washington erreichen werden und warne sie, dass das afghanische Volk ihre brutale Besatzung und ihre Unterstützung der Warlords und Drogenkönige ablehnt.“ („Eine Frau unter den Warlords“, S. 5)

„Eine Frau unter den Warlords“ gibt den Lesern einen Einblick in die riesige Zerstörung, welche die US-Invasion mit sich brachte. Joya verurteilt wiederholt Rumsfelds Strategie die Macht der Warlords wiederherzustellen, wodurch 32 Millionen Afghanen zu einem Leben in Angst unter Kriegsverbrechern und Menschenrechtsverletzern verdammt wurden. Sie knöpft sich auch die Medien vor, welche den Warlords als Deckmantel dienten, indem die sie diese als „Nordallianz“ oder – genauso irreführend – als „Vereinte Islamische Front zur Rettung Afghanistans“ darstellten. Joya betont, dass die Haltungen zum Konflikt zum großen Teil durch Desinformation, Auslassungen und Propaganda geformt werden. Obamas Nobelpreisrede beweist, dass dieselben Lügen nun von einem kompetenteren Redner vorgetragen werden.

Malalai Joya: „Während die Vereinigten Staaten Bombenangriffe aus der Luft durchführten, trafen in den nördlichen Provinzen Afghanistans bereits die CIA und Spezialeinsatzkräfte ein um Millionen Dollars und Waffen an die Kommandeure der Nordallianz zu verteilen. Das waren dieselben Extremisten deren Milizen Afghanistan bereits während des Zivilkriegs plünderten: Dostum, Sayyaf, Khalili, Rhabani, Fahim, General Arif, Dr. Abdullah, Haji Qadir, Ustad Atta, Mohammad, Daoud und Hazrat Ali um nur einige zu nennen…Fahim ein weiterer skrupelloser Man mit dunkler Vergangenheit. Die westlichen Medien versuchten diese Warlords zu jener Zeit als „Anti-Taliban Widerstandskämpfer und Befreier Afghanistans“ zu portraitieren, aber in Wirklichkeit glaubten die Menschen, dass sie auch nicht besser als die Taliban sind.“

Als die Taliban unter schweren Luftbombardements über die Grenze nach Pakistan flohen, beschlagnahmten die Warlords ganze Provinzen und errichteten erneut ihre mit stählerner Faust geführte Herrschaft über die Menschen vor Ort. Der Bush-Regierung gelang es eine Unterdrückungsherrschaft durch eine andere zu ersetzen. Niemals wurde der Versuch unternommen Demokratie zu schaffen.

Die New York Times berichtete am 19.11.2001: „Die Vielzahl an Warlords, welche Afghanistan in den frühen 90er Jahren auseinander riss und die wegen ihrer Korruption und Niederträchtigkeit von den Taliban bezwungen wurden, haben ihre Macht nun wiedererlangt und üben sie nun wieder so aus, wie sie es immer taten.“

Joya liefert biographische Auszüge vieler Warlords, darunter auch von Abdul Rasul Sayyaf, einem tollwütigen Fundamentalisten „der während der 90er Jahre Tausende in Kabul massakrierte“. Während einer Säuberungsaktion in Kabul befahl er seinen Soldaten „Lasst Niemanden am Leben – tötet sie alle.“ Sayyaf war „die Person, die den internationalen Terroristen Osama Bin Laden während der 80er Jahre nach Afghanistan einlud. Er trainierte und lehrte auch Khalid Sheikh Mohammed, den Mann von dem die USA behauptet, er sei der Vordenker der Anschläge von 9/11 gewesen.“ (S. 67)

Wie viele Amerikaner würden weiterhin den Krieg befürworten, wenn sie wüssten, dass sie die Freunde von bin Laden und Khalid Sheikh Mohammed beschützt haben?

Malalai Joya: „Die meisten Menschen im Westen ließ man glauben, dass Intoleranz, Brutalität und schwere Unterdrückung von Frauen in Afghanistan mit der Herrschaft der Taliban begann. Aber das ist eine Lüge und Sand in den Augen der Welt, gestreut durch die Warlords, welche die von den Amerikanern gestützte sogenannte demokratische Regierung von Hamid Karzai beherrschen. In Wahrheit wurden einige der schlimmsten Gräuel der jüngsten Vergangenheit während des Zivilkriegs durch die Männer begangen, die nun an der Macht sind.“

Während der dunkelsten Tage des afghanischen Zivilkriegs 1992 eroberte eine Gruppe Warlords Kabul und riss große Teile der Stadt bis auf den Grund nieder. „Die Milizen von Dostum, Sayyaf, Massoud, Mazari und Hektmatyar plünderten die Stadt, raubten Familien aus, vergewaltigten Frauen und schlachteten sie ab. Obwohl es keine offiziellen Angaben zu der erschütternden Zahl der Todesopfer gibt, waren zum Schluss allein in Kabul zwischen 65.000 und 80.000 unschuldige Menschen umgebracht wurden. Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden mehr als 90 % der Stadt zerstört. Schließlich wurde das Land in Machtbereiche gegliedert, den Launen rivalisierender Verbrecher und Warlords unterworfen.“ (ebd. S. 26)

Joyas Lösung: „Rückzug aller ausländischer Truppen“

Malalai Joya: „Einige Menschen sagen, dass, wenn die Truppen den Rückzug antreten, ein Zivilkrieg ausbrechen wird. Oft wird diese Ansicht von Leuten vorgebracht, die den teuflischen Konflikt und das menschliche Desaster, das jetzt bereits in Afghanistan stattfindet, ignorieren. Umso länger ausländische Truppen in Afghanistan stationiert sind umso schlimmer wird ein möglicher Zivilkrieg für das afghanische Volk sein. Der schreckliche Zivilkrieg, der dem sowjetischen Abzug folgte, kann sicherlich niemals…Zerstörung und Tod, verursacht durch jahrzehntelange Besatzung, rechtfertigen.“ (S. 217)

„Heute leben wir unter Gewaltherrschaft mit der korruptesten und unbeliebtesten Regierung auf der ganzen Welt.“ (S. 211)

Der Krieg über den man in den westlichen Medien liest, ist nicht der wirkliche Krieg. Die Unterstützer Obamas sollten sich eine Kopie des Buches „Eine Frau unter den Warlords“ besorgen und die Wirklichkeit der Besatzung mit der Propaganda in den Tageszeitungen vergleichen. Tatsache ist, dass die Vereinigten Staaten Afghanistan einer Gruppe völkermörderischer Wahnsinniger und religiöser Fanatiker übereignet haben. Selbst jetzt könnten die Warlords ihre brutale Unterdrückung des afghanischen Volks nicht fortsetzen, wenn sie nicht fortwährend Unterstützung der USA erhielten. Viele der Warlords stehen immer noch auf der US-Gehaltsliste, die Obama in seiner „Friedenspreis“-Rede irgendwie zu erwähnen vergas.

A Woman Among the Warlords: The extraordinary story of an Afghan who dared to raise her voice” ist ein großartiges Buch und das perfekte Gegenmittel gegen das permanente Trommelfeuer der Kriegspropaganda. Definitiv wert ein Blick hineinzuwerfen.

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