Gerhard Spannbauer, Krisenvorsorge.com, 03.02.2011

Einen interessanten Vergleich stellt der Volkswirt Ralph Solveen von der Forschungsabteilung der Commerzbank an: gibt es Ähnlichkeiten zwischen den aktuellen inflationären Tendenzen und den Zuständen zur Zeit der Hyperinflation in der Weimarer Republik? Sein beruhigendes Ergebnis sei schon mal vorweg verraten: Ungemach droht keines, Geschichte wiederholt sich nicht und die Umstände sind ja heute völlig anders. Puh, gut zu wissen, dass wir auch nach Ausbruch der Krise nicht mit Tüten voller Papiergeld zum Brotkauf losmarschieren müssen.

Dennoch sind auch laut Solveen einige erstaunliche Parallelen zwischen der Zeit der Hyperinflation um 1923 und der aktuellen „Krisenbewältigung“ der Euroländer, Großbritannien und der USA nicht zu übersehen: so schmeißen die FED und andere Notenbanken auch heute wieder die Druckerpresse an, indem sie Staatsanleihen kaufen und die Defizite erreichen abermals schwindelnde Höhen.

In Deutschland wurde im August 1914 die Bindung der Goldmark an den internationalen Goldstandard praktisch aufgehoben, wodurch der Ausweitung der Geldmenge keine Grenzen mehr gesetzt waren. Zudem wurden die Kriegsausgaben über neue Schulden finanziert. Die überwiegend kurzfristigen Schuldtitel wurden zu einem großen Teil von der Reichsbank übernommen, was einem Anwerfen der Geldpresse gleichkam. 1918 war etwa viermal mehr Bargeld im Umlauf als 1914 während sich die Gütermenge kriegsbedingt deutlich verringert hatte. Die Preise stiegen so jährlich um 33 Prozent. Da die Inflationsrate mit inzwischen über 60 Prozent den Zins überstieg, investierten die Unternehmen kräftig weiter.

1922 verschärfte sich die Situation weiter, als die ausländischen Anleger wegen Zweifeln an der Verlässlichkeit Deutschlands die von ihnen gehaltenen Anleihen abstießen, worauf die Reichsbank einen noch größeren Teil der Staatsschulden finanzierte. Zusätzlich war der Staatshaushalt durch die Unterstützung des Generalstreiks gegen die französische Besetzung im Ruhrgebiet belastet, was dann endgültig die explosionsartige Hyperinflation in Gang setzte.

Nun zu den Unterschieden zwischen heute und damals, die Solveen hervorhebt:

Während 1922 in Deutschland noch nahezu Vollbeschäftigung geherrscht habe, sei heute die Kapazitätsauslastung in den Industrieländern so niedrig wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg und die Arbeitslosigkeit werde in den kommenden Monaten stark steigen. Eine durch Geldmengenexpansion erzeugte Nachfrage ließe deshalb heutzutage zunächst die Produktion und nicht die Preise steigen, womit den Notenbanken Zeit bliebe, die Inflationsgefahren durch eine straffere Geldpolitik zu bannen, wenn die Kapazitäten wieder ausgelastet sind.

Das Ausmaß der Schulden gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) sei so Solveen viel niedriger als das Defizit des Deutschen Reiches, das 1919 etwa 50 % des BIP von Deutschlands entsprach. Zudem wirkt laut Solveen nur der Teil der Defizite inflationär, der von der Notenbank direkt finanziert wird, was in den Jahren 1922 und 1923 der bei weitem größte Teil gewesen sei, während die bisher geplanten Staatsanleihenkäufe der Federal Reserve und der Bank of England lediglich zwei beziehungsweise maximal zehn Prozent des BIP entsprächen.

Außerdem plane die Europäische Zentralbank (EZB) bisher keinen Kauf von Staatsanleihen oder von privaten Anleihen. Eine indirekte Monetisierung von Schulden erfolge zwar durch die inzwischen in der Höhe nicht mehr begrenzten Refinanzierungsgeschäfte. Deren Anstieg entspräche allerdings nur drei Prozent des BIP. Die geldpolitisch Verantwortlichen der Fed und der EZB seien sich darüber hinaus der Inflationsrisiken bewusst, während dies Anfang der 1920er Jahre in Deutschland nicht der Fall gewesen sei.

Sprechen diese Unterschiede gegen das Risiko einer Hyperinflation? Nun, wenn man davon ausgeht, dass sich die Konjunktur stabilisiert, dann schon. Denn dann würden die Notenbanken die Geldmenge wahrscheinlich bald wieder reduzieren. Fraglich nur, wer außer daueroptimistischen Commerzbank-Volkswirten noch ernsthaft an diese Stabilisierung glaubt. Die Inflationsgefahren bleiben bestehen und stellen trotzdem noch nicht einmal das Hauptproblem dar. Viel gravierender dürften sich die deflationären Tendenzen auswirken, da sich im Augenblick des nächsten großen Knalls die Scheinwerte der Börsen, Unternehmen und des Grundstücksbesitzes schneller in Luft auflösen werden als neue Kredite ins Finanzsystem gepumpt werden können. Der dann folgende Preisverfall wird die (künstlich durch Inflation erschaffene) Kaufkraft weitgehend in sich zusammenfallen lassen.

Dass die Konsequenzen diesmal anders als zur Zeit der Hyperinflation aussehen, bedeutet nicht, dass sie nicht gravierend sind oder nicht ernst zu nehmen wären. Ohne umfassende Vorsorge werden sie in jedem Falle hart ausfallen.

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