John Brown, Euro Pacific Capital, 21.12.2010

Einer der grundlegenden Mythen des modernen Finanzsystems ist, dass die Regierungen, besonders die Regierungen der entwickelten Demokratien, sich endlos Geld leihen könnten, ohne dabei Konsequenzen fürchten zu müssen. Doch während die Staatsschuldenkrise rund um den Globus weiter eskaliert, scheint es so zu sein, als wäre der Schutzschirm vermuteter Sicherheit kleiner geworden, so dass einige Länder wie Griechenland und Irland nun im Regen stehen und mit ernsten Problemen zu kämpfen haben.

Eine der wichtigen Bedingungen der finanziellen Rettung dieser notleidenden Staatsanleihen, welche der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europäische Zentralbank (EZB) abverlangen, ist, dass bedeutende Haushaltseinsparungen vorgenommen werden. Angesichts der Revolte der Anleihehalter, welche die Renditen für Staatsanleihen nach oben treiben, haben Irland und Griechenland sich diesen Forderungen gebeugt und damit begonnen Austeritätsmaßnahmen einzuleiten, um ihre finanzielle Lage zu verbessern.

Die große Frage ist: Schrumpft der Schutzschirm weiter, und werden bald auch andere Länder mit ähnlichen Entscheidungen konfrontiert sein?

Bis zum jetzigen Zeitpunkt sind große Regierungen wie die USA und die EU in der Lage gewesen, ihre Kreditaufnahme weiter fortzusetzen und ungezügelt Gelder auszugeben, um die Bedrohung der Deflation abzuwenden und die Wirtschaften auch weiterhin zu beleben – wobei sich die USA hierbei als mit Abstand größter Übeltäter hervortun.

Es gibt jedoch drei überraschende und bedeutende Veränderungen, welche die Durchführbarkeit der seit langem versprochen „Ausstiegsstrategie“ gefährden.

Zunächst einmal beginnen die internationalen Investoren gerade damit, zu Nettoverkäufern von Staatsanleihen zu werden. Selbst die mächtigen Vereinigten Staaten müssen nun feststellen, dass die Renditen immer weiter ansteigen – und das trotzt der Runden riesiger quantitativer Lockerungen seitens der FED, mit denen die US-Notenbank US-Staatsanleihen im Wert von hunderten Milliarden US-Dollars aufkaufte. Mit anderen Worten: Der Verkaufsdruck privater und ausländischer Anleihehalter ist stärker als der Kaufdruck durch die FED.

Zweitens verfügen die Kreditratingagenturen – denen ihr eigenes Versagen, die Investoren vor der Bankenkrise zu warnen, schwer geschadet hat – mittlerweile über genügend Mut, einigen Mitgliedsstaaten der EU zu drohen, ihnen ihre AAA-Bonitätsnoten zu entziehen und ihre Kreditwürdigkeit herunterzustufen. Dasselbe gilt sogar für die Vereinigten Staaten – den größten Schuldner der Welt. Obwohl abzuwarten bleibt, wie stark die Auswirkungen der Kreditratingagenturen auf die Schuldenmärkte ausfallen werden, sorgt allein die Tatsache, dass solche Schritte in Erwägung gezogen werden, nun dafür, dass die gesamte Debatte in eine nie zuvor dagewesene Richtung gelenkt wird.

Drittens gibt es mittlerweile einen erheblichen und weiter anwachsenden politischen Druck auf die Regierungen, die Ausgaben weiter einzuschränken. Unter den westlichen Wählern gibt es immer mehr Menschen, die sich im Klaren darüber sind, dass die verschwenderisch großzügigen Ausgaben der Regierungen nicht ewig aufrechterhalten werden können, und dieses Verhalten wohlmöglich auf Kosten der nächsten Generation gehen wird, wenn nicht sogar bereits in jetziger Zeit zuschlagen wird.

Bei vielen Lieblingsausgabenprogrammen des Staates – zu denen auch Ausgabenprogramme im Militär-, Gesundheits- und Wohlfahrtsbereich sowie die Ausgaben bei den staatlichen Rentenzahlungen gehören – werden bereits erste Einsparmaßnahmen vorbereitet, wenn sie nicht gleich komplett gestrichen werden.

Enorme Haushaltseinsparungen der Regierungen, die wohlmöglich mit Steuererhöhungen einhergehen, werden mit Sicherheit einen großen Teil des kurzfristigen BSP-Wachstums verschlingen und die Welt wohlmöglich in die zweite Phase der Rezession befördern.

Dies führt uns auch zur nächsten Wegmarke der weltweiten Finanzkrise. Werden die Regierungen von Europa und Amerika es überhaupt zulassen, dass die Wirtschaft auf natürlichem Wege schrumpft?

Wenn die Zentralbanken der EU und der USA sich dafür entscheiden sollten, noch größere Reflationsprogramme vom Zaum zu lassen, könnte dies eine Periode lähmender Inflation zur Folge haben. Dies dürfte dann zur Grundlage eines monetären Chaos mit einer länger anhaltenden wirtschaftlichen Stagnation werden – dem schädlichsten aller wirtschaftlichen Zustände.

In einer derartigen Situation würden die in US-Dollar denominierten Preise für notwendige Rohmaterialien und Rohstoffe – zu denen auch Edelmetalle und Energie gehören – explodieren.

Unterdessen rückt die Inflation in China gerade auf die internationale Agenda. Um dieses Problem in Schach zu halten, wird China schon bald dazu gezwungen sein, seine Währung, den Yuan, aufzuwerten. Das wird die Inflation eindämmen und die meisten Rohstoffe im chinesischen Inland verbilligen. Es wird auch die zunehmend wütender vorgetragenen politischen Forderungen anderer Nationen zufriedenstellen, welche von China eine Neubewertung des Yuan verlangen.

Eine Neubewertung des Yuan bedarf einer Abwertung anderer wichtiger Währungen, am meisten betrifft dies den US-Dollar, aber auch das britische Pfund und den Euro, was wiederum zu einem Anstieg der Preise für Nahrungsmittel, Energie und anderer lebensnotenwendiger Güter führen wird – und zwar auch dann, wenn unsere Zentralbanken überhaupt nichts unternehmen. Eine derartige Entwicklung wird bei den westlichen Industrieländern für weiteren wirtschaftlichen Druck sorgen.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass 2011 wahrscheinlich mit einer sich verschärfenden Rezession, zunehmender Austerität und fallenden Preisen für Vermögenswerte eingeleitet werden wird. Wenn darauf in Form einer neuen Runde von inflationsschaffenden Maßnahmen und mit einer Neubewertung des Yuan reagiert wird, sollten sich die Investoren gut überlegen, ob sie ihr Vermögen in Erwartung eines möglichen Anstiegs der Rohstoffpreise nicht besser entsprechend umschichten.

Ich gehe davon aus, dass diese Entwicklungen nicht schrittweise vonstatten gehen werden, sondern vielmehr in großen Wellen kommen. Gerissene Investoren werden ihr Schicksal einem Investmentboot mit einer soliden Hülle anvertrauen, da in diesen Gewässern bereits leichte Schwächen im Buk zum Untergang des Schiffes führen können.

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